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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Eisen-
    bahnwaggons, in ihrem Potsdamer Winterhafen ein.

    1859
    Sie haben nun wieder sicheres Wasser unter den
    Füßen, die Gefahr des Erfrierens ist beseitigt, aber
    die Gefahr des Verhungerns – 2 000 Schwäne auf
    allerkleinstem Terrain – würde jetzt um so drohender
    an sie herantreten, wenn nicht durch Fütterung für
    sie gesorgt würde. Diese erfolgt in den Wintermona-
    ten täglich zweimal, morgens um acht und nachmit-
    tags um drei Uhr, immer an derselben Stelle, und
    zwar in der Nähe des Stadtschlosses.
    Unmittelbar hinter der Eisenbahnbrücke, am Ende
    des Lustgartens, ist eine Stelle, welche wegen des
    starken Stromes nur selten zufriert. Diese ist Ren-
    dezvous. Wir geben die Drei-Uhr-Fütterung.
    Schon um Mittag ziehen sich die Schwäne von allen
    noch offenen Stellen der Havel und aus den Kanälen
    der Stadt in der Nähe der Eisenbahnbrücke zusam-
    men. Unruhig ziehen sie, nicht einzeln, sondern zu
    Hunderten, neben- und hintereinander, am Ufer hin
    und her, die alten und erfahreneren aber unter dem
    letzten Bogen der Eisenbahnbrücke hindurch, auf
    eine Stelle zu, von wo sie mit hochaufgerecktem Hal-
    se über die Uferbrüstung hinweg den langen Wallweg
    hinuntersehen können, auf dem der Schwanenmeis-
    ter mit seinem Kornkarren heranfahren muß. Sie
    kennen ihn auch schon in weitester Entfernung, und
    kaum taucht seine Mütze zwischen den Bäumen auf,
    so fährt eine ganz besondere Unruhe in das zahlrei-
    che Rudel. In höchster Anstrengung rudern sie sofort
    unter der Eisenbahnbrücke hindurch, nach dem Fut-
    terplatze, und, wenn sie ihn dort noch nicht ange-
    kommen sehen, wieder zurück zu der Stelle, wo sie

    1860
    seine Annäherung beobachten können. Diese unruhi-
    ge Wanderung wiederholt sich so lange, bis der
    Schwanenmeister mit Karre und Gerstensack an der
    Brücke angekommen ist. Nun entsteht ein wahrer
    Tumult unter den Tieren. Alles stürzt übereinander
    und nebeneinander hin und reckt die Hälse, um nur
    ja keine Bewegung ihres Hüters zu übersehen und
    den ersten Schaufelwurf nicht zu versäumen. Noch
    ist es indessen nicht soweit. Der Schwanenmeister
    geht erst auf die Brücke, um in langgezogenen Tö-
    nen sein »Hans! Hans!« zu rufen, auf welchen Ruf
    die etwa noch Verspäteten von allen Seiten herbei-
    schwimmen. Solange dies Rufen dauert, halten sich
    die Schwäne in der Nähe der Brücke. Hört es aber
    auf und wendet der Rufende sich zu dem eigentli-
    chen Fütterungsplatze, so rauscht das ganze Schwa-
    nenheer in einer großen, blendend weißen Masse,
    drängend wie ein Keil und gewaltsam wie die Räder
    eines Dampfschiffs, im Wasser neben dem am Ufer
    gehenden Schwanenmeister her. Während der Sack
    aufgebunden wird, schroten sich einige der Gierigs-
    ten über die Eisschollen und Ränder am Ufer auf das
    feste Land, watscheln unbehülflich zum Karren, um
    womöglich die ersten zu sein, die etwas erhalten.
    Ihre Berechnung wird aber jedesmal getäuscht, denn
    wenn recht viele aus dem Wasser heraus und andere
    im Begriff sind, ihnen zu folgen, wird der Gerstenkar-
    ren rasch auf die entfernteste Stelle des Futterplat-
    zes geschoben. Kaum sehen die ans Land gekomme-
    nen Schwäne, daß ihnen ihre Eile nichts hilft, so
    stürzen sie sich so rasch wie möglich in das Wasser
    zurück; aber es hält schwer, in der dichtgedrängten
    Masse der schwimmenden Schwäne ein Fleckchen zu

    1861
    finden, wo sie noch Platz hätten. Mit einer unglaubli-
    chen Gewaltsamkeit drängen die Hintersten gegen
    das Ufer. Nun erfolgt der erste Wurf weit ins Wasser
    hinein, und wo die Gerste das Wasser berühren
    kann, verschwinden im Nu alle Hälse, und man sieht
    plötzlich Hunderte von Zuckerhüten auf dem Wasser
    schwimmen. Unmittelbar am Ufer aber gelangt die
    Gerste gar nicht ins Wasser, sondern bleibt auf den
    dicht aneinandergedrängten Rücken der Schwäne
    liegen. Um sie aufzulesen, verschlingen die langen
    Hälse sich hin und wieder zu Knoten, so daß es oft
    den Anschein hat, als könnten sie kaum wieder aus-
    einanderkommen. Soweit jeder Wurf reicht, tritt für
    einige Augenblicke eine gewisse Ruhe ein; desto un-
    ruhiger und drängender geht es ringsumher zu. Mit
    Bissen und Flügelschlägen suchen sich die Entfern-
    testen Bahn in den dichten Haufen zu brechen; aber
    vergebens, denn es kann keines der Tiere Platz ma-
    chen, wenn es auch wollte, aber es will auch nicht,
    sondern beißt und schlägt abwehrend auf seinen An-
    greifer los. Wieder kommt ein Wurf, und wieder

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