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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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und Tagebuch seit 1774«. Diese Aufschrift ist

    1904
    aber halb verwischt, und man findet in dicken Buch-
    staben darübergeschrieben: » Fahrland ; Chronik des Pastor Moritz«. Man nennt es gemeinhin: die Fahrlander Chronik. Vor kurzem hat man dem Buche ei-
    nen neuen Rücken gegeben und diese Rückseite mit
    drei Streifen Goldpapier ornamentiert, was sehr son-
    derbar aussieht.
    Der Verfasser dieser Chronik, wie die vorstehenden
    Zeilen bereits andeuteten, ist Pastor Moritz. Er be-
    gann seine Arbeit 1787 und führte sie fort bis 1794.
    Gleich auf dem ersten Blatte begegnen wir, nach Art
    einer Vorrede, folgendem:
    »Es ist kläglich, wenn man eine Pfarre bezieht und
    findet nicht einen geschriebenen Bogen von Nach-
    richt. So ging es mir in Geltow. In Fahrland fand ich
    einige Blätter, aber von dem Orte und der Pfarre
    enthalten sie nichts. Überdies gehen einige Bogen
    leicht verloren, sonderlich im Vakanzjahr und beim
    Abzug. Die geistlichen Frauen verstehen's nicht. Der
    Bogen wird als Makulatur verbraucht.
    So ließ ich denn dies Buch binden, und heute, den
    1. August 1787, schreibe ich dieses. Ich bezeuge
    hiermit vor dem Allwissenden, daß ich nur Wahrheit
    schreiben will, es betreffe meine Zeit, oder es betref-
    fe die alten einzelnen Papiere.
    Moritz«

    1905
    Nun beginnt er.
    Sich in seinen Aufzeichnungen zurechtzufinden ist
    nicht leicht, da er Zurückliegendes und Gegenwärti-
    ges, Biographisches und Kritisch-Betrachtendes, All-
    gemeines und Persönliches, Kirchliches und Wissen-
    schaftliches, Fahrlander Vorkommnisse und Vor-
    kommnisse in den Filialen, oft ohne Scheidung und
    Übergänge, hintereinander fort folgen läßt. Liest man
    aber liebevoll und wiederholentlich, so klärt sich zu-
    letzt das Bild, die ganze Gegend: Fahrland und Satz-
    korn, Sacrow und Marquardt, Uetz und Döberitz, die
    Gutsherrschaften und Amtmänner, die Pastoren und
    Küster, die Beziehungen zu Potsdam und Sanssouci
    – alles tritt einem entgegen, und es wird einem zu
    einer eigentümlichen Freude, eine Zeit, die doch bei-
    nahe hundert Jahre zurückliegt, so bis in die kleinsten Züge hinein aus dem Grabe steigen zu sehen.
    Neben dem Inhaltlichen ist die »Chronik« auch
    sprachlich interessant. Es kommen Wendungen darin
    vor, die man für ganz modern halten möchte, bei-
    spielsweise wie »légère« oder »fidèle« oder »Schmu
    machen«. Dann wieder heißt es: »der Graf hatte viel
    nach mich gefragt«, und gleich darauf: »nach mich
    hatte er nicht gefragt«. Dies ist aber nicht als ein
    Zeichen mangelnder Bildung zu nehmen; Pastor Mo-
    ritz war sehr gescheit, ein Gelehrter, ohne Pedant zu
    sein.
    Über den Gang seines Lebens wird seine Autobiogra-
    phie, die wir ebenfalls der »Chronik« entnehmen,
    Auskunft geben. Hier nur einige Vorbemerkungen.

    1906
    1774 erhielt er die Pfarre. Das Jahr vorher war Pas-
    tor Schmidt, sein Amtsvorgänger, gestorben. Er traf
    die Witwe (die Mutter Schmidts von Werneuchen)
    noch im Pfarrhause an. Es war eine hübsche Frau, in
    der Mitte der Dreißiger, mit viel Familienanhang und
    Freundschaft. Diese ganze »Schmidtsche Coterie«
    hatte Pastor Moritz, den man einfach als einen »ar-
    men Teufel« und zugleich als einen bloßen Eindring-
    ling ansah, von Anfang an gegen sich. Die Coterie
    hoffte ihn stürzen zu können. Man hatte sich aber
    sehr in ihm verrechnet. Er war sittenstreng, tapfer,
    gescheit, voll moralischer Kraft und Energie; so focht
    er denn seine Kämpfe siegreich durch, behauptete
    sich gegen immer neue Kabalen, die von Amtmanns-
    und Pastorenfrauen (alles war versippt und versch-
    wägert) gegen ihn ins Werk gesetzt wurden, aber er
    mußte seinen Sieg mit dem Frieden seines Lebens
    bezahlen. Er kam aus der Mißstimmung nicht heraus.
    Ein Teil der Schuld lag bei ihm. Er war eine herbe
    Natur; sein Auftreten konnte nicht versöhnen. Er
    hatte nichts Verbindliches, er machte keine Konzes-
    sionen, er akkomodierte sich in nichts. Er focht ge-
    gen den Teufels- und Gespensterglauben, den sich
    die Fahrlander nicht nehmen lassen wollten, mit Hef-
    tigkeit, er drang ihnen das neue Gesangbuch auf im
    Gefühl seines auf die Matrikel gestützten Rechts ei-
    nerseits und seiner geistigen und sittlichen Überle-
    genheit andrerseits, ja, ließ es sie wohl gelegentlich
    auch fühlen, daß er sie für »dumme Kerle« halte. Er
    mochte recht haben. Ein eigentlich geistiger Hoch-
    mut tritt einem nirgends entgegen.

    1907
    Man war ihm nie zu Willen, man gab dem

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