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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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er: »Heran, ihr Sün-
    der, bekennt und bessert euch«, und damit war es
    aus.‹«
    Hiermit schließen die Aufzeichnungen über Schmidt.
    Es ist kaum möglich, in zehn, zwölf Sätzen ein voll-
    ständigeres Charakterbild zu geben: ein Lebemann,
    Jäger, Anekdotenerzähler, splendid, nie kleinlich,
    sich und andern es leicht machend, voll Verständnis
    für die Bauernnatur, derb, humoristisch und deshalb
    beliebt. Daneben konnte sein ernster Nachfolger
    nicht bestehen, dessen Leben wir nun, nach seinen
    eigenen Worten, geben.

    1911
    Johann Andres Moritz,
    Pastor zu Fahrland 1774 bis 1794
    (Selbstbiographie)
    »Ich wurde zu Magdeburg den 27. Mai 1721 gebo-
    ren. Mein Vater war Bürger und Schneidermeister
    daselbst. Im sechsten Jahre ward ich eine vaterlose
    Waise. Bis 1736 war ich ins Gymnasium der Altstadt
    gegangen und saß in Quarta. Mein Bruder, damals
    Student in Halle und Mentor des jungen Frilinghau-
    sen« (er schreibt so; wahrscheinlich Freylinghausen),
    »brachte mich ins hallische Waisenhaus, wovon Pas-
    tor Frilinghausen Condirektor war, und zwar unter
    die Waisenkinder. Es war auf Ostern. Gesund und
    frisch kam ich nach Halle, bekam aber gleich im ers-
    ten Jahre eine Augenentzündung und schleppte mich
    damit die sechseinhalb Jahre, in welchen ich alle
    Klassen der Lateinischen Schule bis Selecta, worin
    ich ein Jahr saß, durchlief.
    Auf Michaelis 1742 ging ich, einundzwanzig Jahr alt,
    auf die Universität zu Halle, und verlassen von allem
    Beistand, stümperte ich mich zwei Jahre durch. Ich
    informierte des Tisches wegen auf dem Waisenhau-
    se.
    1744 ging ich in Condition nach Siegen zu dem Ba-
    ron von Horst, Chefpräsidenten der Grafschaft Sie-
    gen und Teklenburg. Sein dritter Sohn war mein Ele-
    ve. Der Vater war cholerisch, sehr scharf in der Kin-
    derzucht; die Mutter war das Gegenteil. Sie verzär-

    1912
    telte den Sohn bis zum Tollwerden. Auch fand ich
    eine französische Mamsell vor, dies Kreuz aller Hof-
    meister.
    1747 ging ich nach Halle zurück in dem frommen
    Vorsatz, mich den Anstalten zu widmen. Allein es
    war alles verändert, und nach längerem Aufenthalt in
    Berlin nahm ich auf Ostern 1749 in Uetz eine Stelle
    als Hofmeister bei dem Junker von Hacke an. Nach
    sechseinhalb Jahren brachte ich meinen Eleven aufs
    Ritterkollegium und war willens, mich abermals nach
    Berlin zu wenden, als mir die Pfarre zu Geltow durch
    den Herrn Inspektor Lieberkühn angetragen wurde.
    ›Sie ist freilich schlecht, aber doch besser für Sie als wieder eine Condition.‹
    Auf Michaelis 1756 bezog ich die Pfarre Geltow, ver-
    pachtete die Ackerwirtschaft und behielt den Garten
    und Weinberg zu meiner Beschäftigung.
    1759 heiratete ich meine selige Frau, damals Witwe
    des Bürgermeisters Pauli in Werder, mit welcher ich
    drei Töchter gezeuget habe.
    Als ich auf die Pfarre Geltow examiniert und ordinie-
    ret wurde, war der Herr von Danckelmann Chef des
    Consistorii. Als wir, es war außer mir noch ein Exa-
    minandus, abtraten, sagte er zu den geistlichen Her-
    ren: ›Der Moritz hat gut geantwortet und spricht gut
    Latein.‹ – ›Er ist Schulmann‹, erwiderte Rat Hecker,
    ›schade, daß Geltow eine so schlechte Pfarre ist.‹
    Mit 1756 begann der lange Krieg, und seine sieben
    Jahre haben mich wie sieben magere Kühe ganz auf-

    1913
    gefressen. Ich hatte verpachtet, empfing bar
    200 Taler, und der Preis aller Lebensmittel stieg un-
    geheuer im Preise; ich lebte recht dürftig. Nach Ende
    des Krieges bat ich das Consistorium um eine besse-
    re Stelle. Ich wurde angewiesen, mich wieder zu
    melden; aber in dem Winkel Geltow erfuhr ich nichts
    oder erfuhr es zu spät.
    Erst 1773 ward ich wieder rege. Der Prediger
    Schmidt in Fahrland war tödlich krank, die Pfarre in
    großem Ruf, und meine Freunde lagen mich an, noch
    diesen Versuch zu tun.
    Den 2. Dezember 1773 starb Herr Schmidt. Schon
    am andern Tag bekam ich einen Expressen, schleu-
    nig nach Potsdam zu kommen, und schon am
    4. Dezember wurde die entsprechende Petition dem
    Könige vorgelegt und mit den gewöhnlichen Formali-
    täten bewilligt. Das Consistorium akzeptierte die kö-
    nigliche Ordre ohne Widerrede, und der Geheimrat
    Lamprecht erklärte öffentlich, daß ich die Pfarre ver-
    diene, worauf in der Session vom 9. Dezember die
    Gastpredigt dekretiert und dem Inspektor Befehl
    zugeschickt wurde, dieselbe abzuhalten.
    Soweit war alles gut; aber bald darauf veränderte
    sich mein Horizont; die Menschen verkehrten meine
    Freude in

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