Wanderungen durch die Mark Brandenburg
so
wird dieser als eine Opferstätte bezeichnet. Sehr
leicht möglich, aber sehr schwer nachweisbar! Was
man jetzt noch auf der Kuppe des Kirchberges findet, deutet auf viel spätere Zeiten hin. Man begegnet
Feldsteinfundamenten, dazu zerkrümelten Ziegel-
und Mörtelresten, die, so gering sie sind, doch kei-
nen Zweifel darüber lassen, daß hier ein Backstein-
bau gestanden habe. Auch ist es noch keine dreißig Jahre, daß hier, zehn Fuß hoch, ein Mauerwerk anfragte, das unverkennbar einem christlichen Gotteshause zugehörte. Es befand sich also hier, ganz wie
auf dem Kapellenberge bei Blankensee, dessen Bau-
trümmer überhaupt sehr lehrreich sind, eine jener
weit ins Land hinausschauenden, zugleich als Weg-
weiser dienenden kirchlichen Warten , die symbolisch von allem Umherliegenden Besitz nahmen und der
Bevölkerung verkündeten: »So weit diese Kapelle
blickt, ist alles dem Christengotte untertan.« So war
es unmittelbar nach der Christianisierung. Später
wurden Pilgerstationen und Wallfahrtskapellen dar-
aus, die, in der Spätgotik, die sie unverkennbar zei-
gen, einer verhältnismäßig neuen Zeit, oft erst, wie
1895
die Blankenseer Kapelle, dem Schluß des fünfzehn-
ten Jahrhunderts angehören mögen. Denn die goti-
sche Bauweise hielt sich in der Mark bis in die Mitte
des sechzehnten Jahrhunderts hinein.
Dorf Fahrland, sein Amtshaus, sei-
ne Kirche und Pfarre
Drüben Fahrlands Turm, aus dessen Luke
Hörbar kaum die Abendglocke singt!
Sieh die Hirtenfrau, die Napf und Kruke
Ihrem Mann nach jener Hutung bringt;
Sieh den Waldrand, wo trotz härnen Schleifen
Unbesorgt die Sommerdrosseln pfeifen –
Rings Wacholdersträuche, bunt zerstreut,
Deren Frucht die Julisonne bläut.
Schmidt von Werneuchen
Eine offene Stelle, wo nur Hagebutten und verzwerg-
te wilde Kirschen stehn, gestattet uns auf der sonst
in ihrer Aussicht beschränkten Kuppe einen vollen
Blick nach Nordwesten zu. Der nächste Punkt ist
Fahrland. Wir steigen, um uns den Weg zu kürzen,
den steileren Abhang des Berges hinunter, und nach
zehn Minuten haben wir rechts und links, flach wie
die Tenne, die Fahrlander Feldmark. Pappeln und
1896
Elsen fassen die zahlreichen Wege ein; Schlickmüh-
len stehen an den Gräben hin, bereit, um die Regen-
zeit, wenn alle Felder zu Inseln geworden sind, ihre
Tätigkeit zu beginnen. Im ganzen eine reizlose Land-
schaft, gleich arm an charakteristischen wie an
Schönheitspunkten.
Nicht viel günstiger wirkt Fahrland selbst. Von dem
dichterischen Reiz, mit dem unser märkischer Poet
par excellence dasselbe zu umkleiden wußte, ist we-
nig zu entdecken. Wir passieren es also, um jenseits
desselben den »Sipunt« kennenzulernen, der, in ei-
nem gleichnamigen Gedichte, » Der Sipunt bei Fahr-
land «, noch über die Dorfesherrlichkeit hinaus, eine poetische Glorifikation gefunden hat. Dieser Schilderung nach mußten wir eine Wolfsschlucht oder ir-
gendeine Lieblingsstätte des Wilden Jägers erwar-
ten1), aber eine mit Kropfweiden bepflanzte Niede-
rung, die im Sommer den Charakter einer Wiese, im
Herbst und Frühjahr den eines Luches hat, war alles,
was sich unsrem Auge bot. Prosaische Tristheit an-
stelle poetischer Gruslichkeit. Wir wählten deshalb
von zwei Übeln das kleinere und kehrten in das Dorf
zurück, das immerhin drei bemerkenswerte Stätten
hat: das Amtshaus , die Kirche und die Pfarre .
Das Amtshaus , ein relativ moderner Bau, auf dessen Entstehung wir zurückkommen, wirkt so nüchtern
wie möglich. Die Stelle, auf der es steht, ist aber
alter historischer Boden. Hier ging die Grenzscheide,
hier stand das feste Schloß »Vorland«, ein Name, der
sich erst um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts
in Fahrland umwandelte.
1897
Um ebendiese Zeit, nachdem »Schloß Vorland« bis
dahin landesherrliche Vogtei gewesen war, saßen
hier die Stechows, die damals in verschiedenen
Zweigen blühten und im Havellande reich begütert
waren. Sie besaßen zunächst Stechow selbst, dann
Satzkorn, Dyrotz, Groß Glienicke, Hainholz und Fahr-
land. Hier in Fahrland hatten sie drei Rittergüter.
Im allgemeinen wird wenig von ihnen gemeldet,
doch erfahren wir aus den Kirchenbüchern, daß um
die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts einer von
der Familie lutherischer Prediger zu Fahrland war. Er
hieß Hans von Stechow und starb 1558.2) Beinahe
hundert Jahre später erfolgte dann ein Rückschlag,
und wir finden um das Jahr 1646 folgende
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