Wanderungen durch die Mark Brandenburg
die Balken des Giebels, wo längst der Regen den
Kalk schon
Losgewaschen, die Tür, mit großen Nägeln beschlagen.
Kenne das Gärtchen vorn mit dem spitzen Staket und die Laube ,
Schräg mit Latten benagelt und rings vom Samen der
dicken
Ulme des Nachbars umstreut, den gierig die Hühner sich pickten.
Von all dem ist nichts mehr wahrzunehmen, das
Haus ist hinüber wie die Menschen, die damals ihre
Stätte in ihm hatten. Selbst die vorerwähnten Grab-
steine, drüben zwischen Kirche und Sakristei, gehö-
ren einer anderen Epoche an, und nur einer ist da,
der an jene Schmidtschen Tage mahnt. Er ist in die
Kirchenwand eingelassen, und seine Inschrift lautet:
»Vor diesem Stein ruht Mutter und Kind. Jene war
die wohlgeborene und tugendbegabte Frau, Frau
Sophie Schmidtin, älteste Tochter des königlich
preußischen Stallmeisters in Potsdam, Herrn Ludwig
1901
Samson. Sie war geboren den 25. Februar 1724,
ward verheiratet an Herrn Bernhard Daniel Schmidt,
Prediger in dieser Gemeinde, den 13. Juli 1751 und
starb den 7. Juli 1752, nachdem sie drei Tage vorher
von einem toten Söhnlein entbunden worden, das ihr
zur linken Seite liegt.«
Der Grabstein Bernhard Daniel Schmidts selbst fehlt,
ebenso der seiner zweiten Frau, der Mutter unseres
»Schmidt von Werneuchen«.
Aber während sie an dieser Stelle vergessen schei-
nen, leben sie doch recht eigentlich hier, und zwar
mit Hilfe eines jeweilig geführten »Tagebuches«, das
seit etwa hundert Jahren einen Schatz der Fahrlan-
der Pfarre bildet. Wie zerstreute Blätter eines Ro-
mans einen Lebenslauf vor uns auftun, vielfach lü-
ckenhaft zwar, aber doch auch wieder vollständig
genug, um die Personen in aller Anschaulichkeit vor
uns schreiten zu sehen, so auch die Blätter dieses
Tagebuches, das den Namen führt: die » Fahrlander
Chronik «.
Von diesem Tagebuch, das uns vielfach auch von der
Familie Schmidt unterhält, in dem folgenden Kapitel.
1. Es heißt in dem genannten Gedichte, das al-
lerdings mehr den Charakter einer Romanze
als eines Idylls hat, wörtlich:
1902
Wir sind da! Faßt dich ein süßer Schrecken
Zwischen diesen Bergen hier von Kalk,
Wo der Blutfink baut in Kreuzdornhecken,
In der Eiche Kranz der Lerchenfalk?
Witterst du der wilden Erdbeer Würze
Und des wilden Wermuts bittren Duft?
Mahnt dich an des Herbstes Regenstürze
Des zerrißnen Berghangs tiefe Schlucht?
2. So geht es weiter im Stile von »Spinneweb,
mit Blut betaut«, ohne daß von Blutfink und
Lerchenfalk das geringste zu bemerken wäre.
Überhaupt ist es charakteristisch für die gan-
ze Dichtungsweise Schmidts von Werneu-
chen, daß er sich in allen Gattungen der be-
schreibenden Poesie der höchsten Korrektheit
die dann sein Stolz war, befleißigt, sofort aber
in Unnatur verfällt, wenn er den Boden des
äußerlich Gegebenen verläßt und aus sich
selbst zu schöpfen beginnt.
3. Eine spätere Notiz des Kirchenbuchs ist nicht
gut auf diesen Hans von Stechow, der der
erste lutherische Prediger in Fahrland war, zu
sprechen. Es wird darin gleichsam Protest ge-
gen die Ernennung von Junkern zu Pfarrher-
ren eingelegt, wenn die betreffende Pfarre auf
dem Grund und Boden derselben adligen Fa-
milie, der der Junker angehört gelegen ist.
Die Notiz lautet kurz und barsch: »War Hans
von Stechow des Gutsherrn Vetter oder
Sohn? etwa Cadet des Hauses? Warum ward
1903
die Einrichtung des Dorfes und der Pfarre da-
mals nicht besser gemacht? Etwa darum, weil
der Junker seinen Auszug aus dem Gute be-
kam und also doch leben konnte. Das wäre
nichts, wenn nur die gnädigen Junker gnä-
digst geruhen würden, Landprediger zu wer-
den! Kurz, wir freuen uns unseres Ahnherrn
nicht , da er die zukünftigen Zeiten nicht bes-
ser beherziget hat. Aus der Hölle ist keine Er-
lösung. Und der Schlendrian herrscht nir-
gends ärger als im heiligen statu ecclesiasti-
co.«
Die Fahrlander Chronik
Und eintrug er, was geschah,
in sein »Buch der Chronika«.
In der Pfarre zu Fahrland befindet sich ein Schatz:
die Fahrlander Chronik . Auf unsern vielen Hinundherzügen in der Mark sind wir keinen handschriftli-
chen Aufzeichnungen begegnet, selbst die Kirchen-
buchnotizen aus der Schwedenzeit nicht ausgenom-
men, die an Interesse dieser »Fahrlander Chronik«
gleichkämen. Sie bildet einen starken Quartband, hat
festes Papier und einen blaugemaserten Deckel und
führt die Aufschrift: »Die Pfarre Fahrland; Nachrich-
ten
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