Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Küster
reichlich und entzog ihm ebensoviel, als man jenem
bewilligte; man besserte nichts aus; er mußte
schwitzen und frieren; schließlich entdeckte er auch,
wie mächtig die Hintertreppeneinflüsse waren, bis
hoch hinauf.
Sein besonderes Unglück war, daß er einen splendi-
den, gut situierten, die Dinge leichtnehmenden Vor-
gänger gehabt hatte, der fünf gerade sein ließ und
auf den nun beständig hingewiesen wurde. Dies tat
vor allem der Küster, der – als ein Überbleibsel aus
der »Schmidtschen goldenen Zeit« – von der Ge-
meinde bevorzugt wurde, der eitel, hochmütig war,
sich emanzipierte, über Land reiste, wenn er wollte,
und Schule hielt, wenn er wollte, der sich imperti-
nent gegen den Pastor stellte und sich so stellen
durfte , weil die Bauern, denen er immer zu Diensten war, ihm den Rücken deckten. Die Tagebuchblätter
geben ein »Dorfidyll«, das alles andere eher war als
idyllisch.
Eines gewissen sprachlichen Interesses dieser Chronik haben wir schon erwähnt; auch noch ein Wort
über die Schreibweise. Sie ist kurz, kernig, von gro-
ßer Klarheit und Durchsichtigkeit. Wo der Verfasser
sich ausführlicher gibt, ist alles in einem brillanten
Stil geschrieben, oft fortreißend. Man erkennt leicht
die geistig nicht gewöhnlich und nach der Charakter-
seite hin bedeutend angelegte Natur. Ein Mann über-
all.
1908
Wir beginnen nun, einzelnes aus der Chronik auszu-
ziehen und zu einem Ganzen zusammenzustellen.
Bernhard Daniel Schmidt,
Pastor zu Fahrland 1751 bis 1774
Bernhard Daniel Schmidt war der Vater unsres
»Schmidt von Werneuchen«. Tragen wir ihm schon
um deswillen ein gewisses Interesse entgegen, so
wächst dasselbe unter dem Eindruck jener Aufzeich-
nungen, die wir von Pastor Moritz', seines Nachfol-
gers, Hand in der Chronik finden. Pastor Moritz war
ihm nicht hold, konnte ihm nicht hold sein, da er unter der »légèren Praxis« seines Amtsvorgängers
zu leiden hatte; dennoch tritt einem in diesem letzte-
ren eine unverkennbar liebenswürdige Persönlichkeit
entgegen. Wir geben nun die einzelnen Sätze, wie
sie sich zerstreut in der Chronik finden.
»Bernhard Daniel Schmidt, bis dahin Feldprediger
beim Cadettencorps, bekam die Pfarre durch Cabi-
netsordre und trat sie 1751 an, am 6. Februar.«
»Er vermählte sich am 13. Juli obengenannten Jah-
res (1751) mit Sophie Samson, ältesten Tochter des
Stallmeisters Samson zu Potsdam. Sie starb am
7. Juli 1752.«
1909
»Anfang der sechziger Jahre verheiratete sich Predi-
ger Schmidt zum zweiten Male. Er hatte Vermögen mit der Frau und liebte Windmacherei.«
»Prediger Schmidt hat die Pfarre um mehrere ihrer
Einnahmen gebracht. Er nahm alles leicht. Die Tonne
Most erhalte ich noch immer nicht, trotzdem sie in
der Matrikel steht. Er hat's einschlafen lassen, wie
manches andre. Wenn ihm diese Einnahme nichts
war, durfte er annehmen, daß sie seinem Nachfolger
auch nichts sein würde? Was fürchtete er? Er stand
ja bei allen Herren der Kammer und der Forst in
ausnehmendem Crédit! Jene gaben ihm eine Woorte,
diese gaben ihm die Planken dazu, und das alles,
weil er ein so einnehmender Herr war, der ihre ganze
Gesellschaft immer zu lachen machte. – Nun ist es
zu spät. Bei meinem Anzuge wußte ich von diesen
Dingen nichts. Die ›vornehme Frau‹ verschmähte es,
mit mir darüber zu reden.«
»Gleich bei seinem Amtsantritt sagte Pastor
Schmidt: Von Ostern bis Johanni wird täglich, aber
nur vormittags Schule gehalten; von Johanni bis Mi-
chaeli nur zweimal in der Woche.«
»Herr Schmidt stand gut zu seinem Küster. Als ihm
dieser Anzeige machte, daß er am andern Tage ver-
reisen wolle, antwortete jener: ›Warum sagt Er mir
das? Hab ich Ihm denn schon gesagt, wohin ich
morgen verreisen will?‹«
»Prediger Schmidt hatte die Pforte machen lassen. Er
pflegte durch dieselbe nach seiner Plantation oder
1910
Woorte zu gehn, in kurzem Schlafrock, à la main die Flinte .«
»Pastor Schmidt liebte Wortspiele nicht nur in seinen
Predigten, sondern auch bei sonstigen Vorfällen. Bei
der Leichenrede von einem Weinmeister sprach er
vom Weinberge, und beim Tode eines Leinewebers
mußte aus ›Hiob‹ die Weberspule herhalten.«
»Bei Pastor Schmidt war alles flott und kurz ange-
bunden. Sein eigner Küster sagte: ›Und wenn ich an
einem Tage an drei Orte kam, so fand ich meinen
Pastor auch da. Er scheute sich nicht vor dem Teufel.
Wenn er Beichte hielt, so sagte
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