Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Traurigkeit.
In Fahrland entstand Unruhe aus Kabale. Die Bauern
sagten: ›Wie lange werden wir den Mann haben, er
ist ja schon alt, er ist ja nicht des Herfahrens wert.‹
– Dies war eigentlich nur der Widerhall der Intrigue,
1914
die im Pfarrhause geschmiedet ward und deren Bol-
zen der Küster Kaplitz verschoß. Woltersdorf, Pastor
zu Kartzow und Priort, saß auch in diesem Rat und
schickte sich recht gut dazu. Der Plan war, den Kan-
didaten Korthym zur Pfarre zu verhelfen, welcher
dann aus Dankbarkeit heiraten sollte. Hier war also
eine große Klerisei interessiert: erst die Witwe, dann
deren Schwester, die Predigerin in Döberitz, und der
Küster, der von meinem Vorgänger zum Kantor prä-
konisiert worden war, indem er nach abgelegter Sin-
geprobe kurzweg zur Gemeinde sagte: ›Seht hier
euren Kantor!‹
Küster Kaplitz kam nach Geltow herüber, horchte
meinen Küster aus, und da er hörte, daß ich die
Schule fleißig besuche, fürchtete er sich und dachte
mit dem jungen Korthym besser fertig zu werden.
Auch meine Armut ward bei diesen Gesprächen nicht
vergessen.
Nach langem Zögern wurde endlich die Gastpredigt
auf den 6. Februar 1774 angesetzt. Ich ging nach
Worms, wie Luther. Keine lebendige Seele war, der
ich mich anvertrauen konnte. Aber so viel achtete ich
mich doch, daß ich dem Inspektor (Superintendent),
dem Günstling des Pfarrhauses, in der Sakristei frei-
mütig heraussagte: ›Wenn die Bauern mich zu pö-
belhaft behandeln, so entsage ich der Pfarre, und Sie
können es auf mein Wort mit ins Protokoll setzen.‹
Die Kirche war außerordentlich voll Menschen, für
mich, gegen Geltow gerechnet, etwas Neues. Aber
ich redete ohne Stottern und ohne Konzept. Ich han-
1915
delte von der Kraft des göttlichen Worts, zur Besse-
rung und Beruhigung des Menschen. Alle Honoratio-
res waren mit der Predigt zufrieden; die Einwürfe der
Bauern beschränkten sich darauf: ›ich sei schon alt,
und man hätte mich hinten bei den Fischern nicht
hören können‹ Das Consistorium erteilte mir nichts-
destoweniger die Vocation.
Gegen Abend fuhr ich mit dem Herrn Inspektor bis
an die Nedlitzer Fähre zurück. Merkwürdig war und
ist mir noch sein Sentiment über meine Predigt. ›Sie
lieben‹, sagte er, ›den dogmatischen Vortrag. Ihr
Vorfahr (Pastor Schmidt) redete gern in Gleichnissen
und Bildern; er würde das Gleichnis vom Samen
durch die ganze Predigt durchgeführt haben.‹ Ich
antwortete: ›Nach meinem Begriff sind die Gleichnis-
se nur Erläuterung des Lehrsatzes, dieser aber ist die
Hauptsache, also auch das Hauptaugenmerk des
Lehrers. Er soll unterrichten. Ich liebe den ernsthaf-
ten Ton und den moralischen Gehalt. Den Teufel laß
ich an seinen Ketten liegen; Rechtschaffenheit des
Herzens, Unschuld des Lebens sind meine Hauptsa-
che.‹
Ich erhielt danach meine Vocation.
Im September aber verfiel ich in eine schwere
Krankheit, welche mich dem Tode so nahe brachte,
daß man mich oft für tot hielt. Zweimal während die-
ser Zeit war meine Pfarre bereits vergeben. Der
Grund meiner Krankheit war der große Verdruß, den
ich während des Vakanzjahres durch die schwarze
1916
Kabale in Fahrland auszustehen hatte. Dann kamen,
wenn nicht glückliche, so doch ruhigere Jahre.«
Über diese Jahre hat Pastor Moritz nicht mehr in ei-
ner fortlaufenden, geordneten Lebensbeschreibung,
sondern in einzelnen tagebuchartigen Notizen berich-
tet. Einige davon sind sehr charakteristisch; wir ge-
ben zwei, drei derselben, die dem Todesjahre des
großen Königs (1786) und dem ersten Regierungs-
jahr Friedrich Wilhelms II. angehören.
1786
» Anfang August . Noch nie in meinem ganzen Leben hat jemand meinen Geburtstag gefeiert. Vorgestern
feierte der Kammerhusar, Herr Neumann, den Ge-
burtstag seiner Schönen, Mamsell Schultzen, und
zwar in Sanssouci, in seinem Zimmer, welches etwa
zwanzig Schritt von des Königs Zimmer ab ist. Es
war eine Gesellschaft von sechzehn Personen, darun-
ter unser Fahrlander Oberamtmann, und ich höre,
daß die prächtige Mahlzeit bis zu 300 Taler wert ge-
kostet haben soll. Gegessen wurde von silbernen
Tellern, begleitet von Confituren und ähnlichen Auf-
sätzen. Der Vater der Schönen, ein Prediger aus
Thüringen, ist dabeigewesen, ein überaus aufge-
räumter Mann, der an allen Vergnügungen lauten
Anteil nahm und unter anderen auch sein Stamm-
buch den neuen Freunden und Teilnehmern
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