Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Traurigkeit.
    In Fahrland entstand Unruhe aus Kabale. Die Bauern
    sagten: ›Wie lange werden wir den Mann haben, er
    ist ja schon alt, er ist ja nicht des Herfahrens wert.‹
    – Dies war eigentlich nur der Widerhall der Intrigue,

    1914
    die im Pfarrhause geschmiedet ward und deren Bol-
    zen der Küster Kaplitz verschoß. Woltersdorf, Pastor
    zu Kartzow und Priort, saß auch in diesem Rat und
    schickte sich recht gut dazu. Der Plan war, den Kan-
    didaten Korthym zur Pfarre zu verhelfen, welcher
    dann aus Dankbarkeit heiraten sollte. Hier war also
    eine große Klerisei interessiert: erst die Witwe, dann
    deren Schwester, die Predigerin in Döberitz, und der
    Küster, der von meinem Vorgänger zum Kantor prä-
    konisiert worden war, indem er nach abgelegter Sin-
    geprobe kurzweg zur Gemeinde sagte: ›Seht hier
    euren Kantor!‹
    Küster Kaplitz kam nach Geltow herüber, horchte
    meinen Küster aus, und da er hörte, daß ich die
    Schule fleißig besuche, fürchtete er sich und dachte
    mit dem jungen Korthym besser fertig zu werden.
    Auch meine Armut ward bei diesen Gesprächen nicht
    vergessen.
    Nach langem Zögern wurde endlich die Gastpredigt
    auf den 6. Februar 1774 angesetzt. Ich ging nach
    Worms, wie Luther. Keine lebendige Seele war, der
    ich mich anvertrauen konnte. Aber so viel achtete ich
    mich doch, daß ich dem Inspektor (Superintendent),
    dem Günstling des Pfarrhauses, in der Sakristei frei-
    mütig heraussagte: ›Wenn die Bauern mich zu pö-
    belhaft behandeln, so entsage ich der Pfarre, und Sie
    können es auf mein Wort mit ins Protokoll setzen.‹
    Die Kirche war außerordentlich voll Menschen, für
    mich, gegen Geltow gerechnet, etwas Neues. Aber
    ich redete ohne Stottern und ohne Konzept. Ich han-

    1915
    delte von der Kraft des göttlichen Worts, zur Besse-
    rung und Beruhigung des Menschen. Alle Honoratio-
    res waren mit der Predigt zufrieden; die Einwürfe der
    Bauern beschränkten sich darauf: ›ich sei schon alt,
    und man hätte mich hinten bei den Fischern nicht
    hören können‹ Das Consistorium erteilte mir nichts-
    destoweniger die Vocation.
    Gegen Abend fuhr ich mit dem Herrn Inspektor bis
    an die Nedlitzer Fähre zurück. Merkwürdig war und
    ist mir noch sein Sentiment über meine Predigt. ›Sie
    lieben‹, sagte er, ›den dogmatischen Vortrag. Ihr
    Vorfahr (Pastor Schmidt) redete gern in Gleichnissen
    und Bildern; er würde das Gleichnis vom Samen
    durch die ganze Predigt durchgeführt haben.‹ Ich
    antwortete: ›Nach meinem Begriff sind die Gleichnis-
    se nur Erläuterung des Lehrsatzes, dieser aber ist die
    Hauptsache, also auch das Hauptaugenmerk des
    Lehrers. Er soll unterrichten. Ich liebe den ernsthaf-
    ten Ton und den moralischen Gehalt. Den Teufel laß
    ich an seinen Ketten liegen; Rechtschaffenheit des
    Herzens, Unschuld des Lebens sind meine Hauptsa-
    che.‹
    Ich erhielt danach meine Vocation.
    Im September aber verfiel ich in eine schwere
    Krankheit, welche mich dem Tode so nahe brachte,
    daß man mich oft für tot hielt. Zweimal während die-
    ser Zeit war meine Pfarre bereits vergeben. Der
    Grund meiner Krankheit war der große Verdruß, den
    ich während des Vakanzjahres durch die schwarze

    1916
    Kabale in Fahrland auszustehen hatte. Dann kamen,
    wenn nicht glückliche, so doch ruhigere Jahre.«

    Über diese Jahre hat Pastor Moritz nicht mehr in ei-
    ner fortlaufenden, geordneten Lebensbeschreibung,
    sondern in einzelnen tagebuchartigen Notizen berich-
    tet. Einige davon sind sehr charakteristisch; wir ge-
    ben zwei, drei derselben, die dem Todesjahre des
    großen Königs (1786) und dem ersten Regierungs-
    jahr Friedrich Wilhelms II. angehören.

    1786
    » Anfang August . Noch nie in meinem ganzen Leben hat jemand meinen Geburtstag gefeiert. Vorgestern
    feierte der Kammerhusar, Herr Neumann, den Ge-
    burtstag seiner Schönen, Mamsell Schultzen, und
    zwar in Sanssouci, in seinem Zimmer, welches etwa
    zwanzig Schritt von des Königs Zimmer ab ist. Es
    war eine Gesellschaft von sechzehn Personen, darun-
    ter unser Fahrlander Oberamtmann, und ich höre,
    daß die prächtige Mahlzeit bis zu 300 Taler wert ge-
    kostet haben soll. Gegessen wurde von silbernen
    Tellern, begleitet von Confituren und ähnlichen Auf-
    sätzen. Der Vater der Schönen, ein Prediger aus
    Thüringen, ist dabeigewesen, ein überaus aufge-
    räumter Mann, der an allen Vergnügungen lauten
    Anteil nahm und unter anderen auch sein Stamm-
    buch den neuen Freunden und Teilnehmern

Weitere Kostenlose Bücher