Wanderungen durch die Mark Brandenburg
sehr
geistreiche und sarkastische Mann war ein intimer
Genosse des Zelterschen Kreises, war mit Hegel be-
freundet und vor allen Dingen ein großer Verehrer
Goethes. Es hätte F. nicht unbekannt sein dürfen,
daß der größte deutsche Dichter das Andenken des
Künstlers Rösel durch zwei seiner anmutigen kleinen
Gedichte der Nachwelt zu überliefern für wert gehal-
ten hat. Der Künstler hatte den Großmeister der
deutschen Dichtung zu dessen Geburtstage wieder-
holt mit sinnigen Zeichnungen, unter denen Götz von
Berlichingens Burg Jaxthausen, Tassos Geburtshaus
in Sorrent und eine Zeichnung des Hofes von Goe-
thes Vaterhause in Frankfurt, beschenkt, und Goethe
1956
dankte ihm dafür in mehreren Gedichten, von denen
das eine: ›An Professor Rösel‹, mit den Worten be-
ginnt:
Rösels Pinsel, Rösels Kiel
Sollen wir mit Lorbeer kränzen;
Denn er tat von je so viel,
Zeit und Raum uns zu ergänzen.
Näheres über die Beziehungen Rösels zu Goethe fin-
det man an verschiedenen Stellen des Goethe-
Zelterschen Briefwechsels sowie in den Anmerkun-
gen, welche Herr Geheimrat von Loeper und
Dr. Strehlke ihrer vortrefflichen Ausgabe Goethes an
den betreffenden Stellen (Teil III, Seite 169, 170
bis 171) beigegeben haben.«
Und nun war das Eis gebrochen, und Rösel-Briefe
kamen von allen Seiten.
»Es wäre leicht gewesen«, schrieb mir ein Unbe-
kannter, »Sich über R. zu informieren, und der Hin-
terwäldler hat es mit seinem Vorwurf doch eigentlich
getroffen. Rösel war geistreich, witzig, spöttisch, von gediegenem Wissen und vor allem ein kreuzbraver
Mann.
Friedrich Wilhelm IV., welcher ihn lange gekannt und
geliebt hatte, nahm den alten, alleinstehenden und
schließlich etwas geistesschwach gewordenen Mann
nach Charlottenhof hinüber und ließ ihn daselbst
mehrere Jahre lang in der Familie des Hofgärtners
1957
oder des Kastellans verpflegen. Dies gereicht dem
Könige um so mehr zur Ehre, als Rösel, ein echter
Sohn der Aufklärungszeit, seine Ansichten, ja, seine
Spöttereien niemals verhohlen hatte.«
Diese Zeilen werden durch eine Stelle bei Varnha-
gen, Tagebücher II, Seite 75, bestätigt. Es heißt da-
selbst: »Sonnabend, den 4. Juni 1842. Der Maler Rösel ist sehr krank. Der König hat ihn nach Charlottenhof eingeladen, die Königin selbst wollte ihn pfle-
gen – zu spät kommt dem armen Manne so viel
Huld!« Soweit Varnhagen. Irrtümlich an dieser Notiz
ist wohl nur das leis anklagende »zu spät«. Es
scheint Rösel zu keiner Zeit an »Huld« und herzlichs-
ten Freundschaftsbeweisen gefehlt zu haben. Einem
Sterbenden war nur eben schwer zu helfen.
Beinah gleichzeitig mit den vorstehenden Zeilen
empfing ich die folgenden.
»Sie werden Ad. Stahrs kleinen Artikel in der ›Natio-
nal-Zeitung‹ gelesen haben. Auch ich entsinne mich Rösels sehr wohl. Er war ein Meister in der Sepiama-lerei und hat eine Anzahl seiner Blätter publiziert.
Alte Berliner Familien, ich nenne nur Deckers, be-
wahren manches davon als Andenken, und Rauchs
Tochter, Broses, Brendels, Marianne Mendelssohn
und die Solmar müssen von ihm zu erzählen wissen.
Er war sehr gefürchtet, weil er einen scharfen Witz
hatte. Seine Herzensgüte glich es aber wieder aus.
Mal wurde für ein armes Künstlerhaus eine Lotterie
veranstaltet. Auch Rösel hatte beigesteuert und er-
schien endlich zur Ziehung: klein, krumm und in
1958
schwarzem Frack. Er sah dabei aus, als ob er nie
etwas andres trage als einen schwarzen Frack. Ich
seh den kleinen Mann noch durch die Stube schrei-
ten. Stahr spricht von einem Blatte ›Goethes Hof‹.
Das trifft nicht völlig zu. Was Rösel gezeichnet hat,
ist der Brunnen auf Goethes Hof in Frankfurt. Ihr
W. Hertz«
Und noch ein Brief. Er lautete:
»Wiesbaden, 4. März 1873
... Sie fragen in Ihrem Buche: ›Wer war Rösel?‹ Die-
se Frage war mir wieder einmal ein rechter Beweis
für die Vergänglichkeit alles Irdischen. Denn zu mei-
ner Zeit war Rösel eine bei alt und jung, bei hoch
und niedrig bekannte und beliebte Persönlichkeit.
Ohne mich auf seinen Lebensgang und seine Leis-
tungen hier einzulassen, will ich Ihnen doch wenigs-
tens einige Notizen mitteilen. R. war Professor an der
Kunstakademie und gab auch in Privatkreisen Unter-
richt im Landschaftzeichnen mit der Feder. Er hatte
darin eine ganz eigene kräftige Manier, wie ich sie
nie wieder gesehen habe. Die höchsten Herrschaften,
die vornehmsten Familien nannten ihn
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