Wanderungen durch die Mark Brandenburg
am
Gensdarmenmarkt, Ecke der Französischen-
und Markgrafenstraße bewohnte. Die weiter-
hin mitzuteilenden Röselschen Briefe sind
denn auch fast alle an Fräulein Fanny Jordan
gerichtet die später den Steuerrat Hedemann
heiratete. Frau Geheimrätin Z., geborne Palis,
war eine Pflegeschwester der letztgenannten
Dame.
III. Briefe
Dies ist der Hauptschatz, und sie geben nicht nur ein
vollkommenes und, wie ich meine, sehr liebenswür-
diges Bild des Mannes, sondern auch seiner Zeit. Alte
Berliner werden diese kleinen Schnitzel nicht ohne
Freude, manche nicht ohne Bewegung lesen. Die
etwa zwanzig, die ich mitteile, sind aus ein paar
hundert ähnlicher ausgewählt. Meistens sind sie auf
Papier in Duodezformat geschrieben, einige auf Kar-
ten, wie sie jetzt wieder Mode sind, und alle haben
sie den rotgetuschten Hand, dessen H. W. in seinem
Briefe Erwähnung tut. Nur wenige sind gesiegelt und
zeigen dann ein Efeublatt mit den Initialen S. R. Und
nun mögen die Briefe selber sprechen.
Den 4. Mai 1826
1967
Wär's vielleicht um zwei?
Wär's vielleicht um drei?
Jedenfalls dabei.
Euer R.
Sonntag Rogate 1826
Wo seid Ihr heute,
Lieben Leute?
An der Panke?
Ich danke.
An der Spree?
Da käm ich. Juchhe!
Dienstag, 23. Januar 1827
Für den Seume schick ich hier den H. von Kleist. Ich
bitte, später daraus vorlesen zu dürfen. Was macht
der Onkel? Besser? Ich werd es sonst bei Barez
bestellen!
23. April 1827
Gestern war Sonntag Quasimodo, und ich war quasi
modo dicht am Sterben. O diese höllische Migräne!
Das einzige Mittel ist Ruhe. »Ruhe ist die erste Bür-1968
ger pflicht«, sagte schon Minister von der Schulenburg. Aber an Migränetagen dürfen es sich auch
Hochadlige gesagt sein lassen. Und dann natürlich
auch Kamillentee. Anbei sende ich den ersten Teil
von H. von Kleist zurück. Darf ich mir dafür den Teil erbitten, in dem die Novelle » Hans Kohlhaas « steht?
Auch nehme ich mit dem » Käthchen von Heilbronn «
oder dem » Prinzen von Homburg « vorlieb.
Donnerstag, den 14. Juni 1827. Am Tage Sankt Mo-desti, des modestesten Heiligen.
In Ermangelung von etwas Besserem schicke ich das
beifolgende Bildchen, das ich, je nachdem es die
Größe des Kästchens verlangt, bei a oder bei b abzu-
schneiden bitte. Wird bei b abgeschnitten, so fällt der alte Herr auf dem Baume weg, und die Birnen fallen
dann, wie vom Himmel, in die Schürze der Sammle-
rin. – Unbekleidetes könnt ich in Menge liefern, aber
das könnte Sankt Modestus übelnehmen, und mit
Heiligen darf man's nicht verderben. Wir haben's hier
unendlich heiß, und ich verkoche ganz allmählich,
wobei mich nur die Krebse trösten, die längst ge-
wohnt sind, lebendig gesotten zu werden. Haltet
Euch tapfer in Pankow!
Donnerstag, den 6. Dezember 1827, am Tage des
heiligen Nikolas, der den frommen und fleißigen Kin-
dern goldne Äpfel bringt.
1969
Und auch ich komme nicht mit leeren Händen und
schicke endlich das versprochene Buch. Trotz allem
Ungewissen steckt doch viel Wissen darin. Ein ei-
gentliches Urteil darüber habe ich nicht, weil ich es
nicht ganz verstehe; doch habe ich Meinungen, die
einem Urteil beinah gleichkommen. Selbst Professor
Hegel sprach mit großer Achtung und Schonung eini-
ge Worte über den jugendlichen Autor aus.
Montag, den 3. November 1828. Am Tage Gottlieb.
So hört denn: Alle, die Gott lieben,
In Wohltun nie zurückgeblieben,
Hungrige speisen, Durstige tränken,
Arme zum Geburtstag beschenken,
Beschenken in Gnad und Überfluß –
Euch, Ihr Lieben, herzlichen Gruß!
Den 5. März 1829. (Mit einigen Fragmenten aus dem Äskulap-Tempel in Pompeji.)
Gestohlen? So haben wir nicht gewettet.
Ich hab es gefunden und – gerettet.
Den 26. Dezember 1829. Am Tage des heiligen Stephanus, des ersten Märtyrers.
1970
Ich komme bestimmt noch, aber leider erst spät, da
ich noch notwendig zu dem Silberpärchen Mendels-
sohn Bartholdy muß.
Montag, den 19. September 1831
Cholera her, Cholera hin,
Leben, leben ist Gewinn,
Und könnt Ihr mir morgen 'ne Suppe geben,
So möcht ich morgen wohl noch leben.
Mittwoch, den 2. November 1831
Als ich vor zweiundvierzig Jahren nach Berlin kam,
gab es eine Gesellschaft, welche sich »la Société du
mercredi« nannte und immer donnerstags zusam-
menkam. Warum sollte es der gütigen Madam Jor-
dan nicht erlaubt sein, ihren Donnerstag auf den
Freitag zu verlegen?
Sonntag, den 6. November 1831, am Tage
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