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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ihren Lehrer,
    und alle liebten ihn, seiner Heiterkeit, seines Witzes
    und seiner unermüdlichen Gefälligkeit wegen.

    1959
    Es gab kein Familienfest, kein Liebhabertheater, kei-
    ne lebenden Bilder, bei denen er nicht Ratgeber und
    Helfer war. Es kam ihm gar nicht darauf an, Coulis-
    sen zu malen und Gelegenheitsgedichte zu machen.
    Ich selbst habe manchmal seine Güte in Anspruch
    genommen. Seine ganze Erscheinung hatte etwas
    Drolliges, Gnomenhaftes. Er war klein und verwach-
    sen, der Kopf aber groß, mit dunklen, ins Graue spie-
    lenden langen Locken. Sein sehr markiertes Profil
    hatte etwas Orientalisches. Sie werden ihn leicht auf
    dem bekannten Krügerschen Huldigungsbilde in der
    Künstlergruppe auf der Estrade rechts erkennen.
    Wenn ich nicht irre, sind Zeichnungen von ihm im
    Kupferstichcabinet, doch bin ich dessen nicht gewiß.
    Er hat lange Jahre in der Friedrichsstraße gewohnt,
    Ecke der Mohrenstraße, unendlich einfach eingerich-
    tet, ein echter Künstler-Junggeselle.
    von Roeder1),
    Generallieutenant z. D.«

    Das waren die Zuschriften, die ich ohne mein Zutun
    erhielt. Um andre bemühte ich mich, indem ich bei
    Personen anfragte, von deren früheren Beziehungen
    zu Rösel ich inzwischen erfahren hatte. Einen aus der
    Reihe dieser Briefe, der das reichste Material gibt,
    lasse ich in nachstehendem folgen.

    1960
    »Rom, 21. Januar 1880
    Piazza Campitelli, Palazzo Capizucchi
    Ihren lieben Brief mit der Rösel-Anfrage habe ich
    gestern erhalten, und ich beeile mich, Ihnen darauf
    zu antworten.
    Rösel wurde um 1770 in Breslau geboren. Und zwar
    am 9. Oktober. Sonderbarerweise bin ich über das
    Jahr unsicher, desto sicherer aber über den Tag. Ich
    weiß nämlich, daß es der Tag vor meines Vaters Ge-
    burtstag war. Er malte Landschaften, aber nicht in
    Öl, sondern in Sepia, hatte eine besondere Vortrags-
    und Behandlungsart, die er ›knackern‹ nannte. Was
    es bedeuten sollte, weiß ich nicht. Er war eine der
    bekanntesten Persönlichkeiten, und es gab kaum
    einen Abend im Jahr, an dem er nicht in Gesellschaft
    gewesen wäre. In besonders freundlichen Beziehun-
    gen stand er zur Familie Mendelssohn. Er hatte die
    Eigentümlichkeit, sich überall anzusagen, gewöhnlich
    zu einem Karpfenkopf. Bei meinem Großvater Feilner
    war er, dreißig Jahre lang, jeden Dienstag zur Whist-
    partie, sehr heftig beim Spiel und der jedesmalige
    Schrecken seines Partners. Ich sehe noch das große
    rote Kissen, mit dem darauf gestickten Röselchen,
    das ihm auf den Stuhl gelegt wurde. Denn Sie wis-
    sen, daß er sehr klein und bucklig war. Zu jedem
    Geburtstage meines Großvaters erschien er mit ei-
    nem paar pompejanischen Scherben und obligatem
    Gedicht, das dann bei Tische vorgelesen wurde. Sei-
    ne Handschrift war sehr charakteristisch, und jeden
    von ihm geschriebenen Brief bezog er am Rande mit
    einem rotgetuschten Strich. Seine Korrespondenz

    1961
    war die umfangreichste von der Welt, und ein paar
    alte Weiber dienten ihm dabei als Briefboten. Sie
    hatten verschiedene Namen. Eine nannte er ›Iris‹,
    doch waren die Namen, die wir ihnen beilegten, min-
    der poetischen Klanges. Sie waren alle sehr häßlich
    und wahre Unholde. Seine Beziehungen zu Goethe
    sind bekannt. Er war auch Freimaurer. Ich habe ihn
    nie anders gesehen als in schwarzem Frack und wei-
    ßer Krawatte. Seine letzten Jahre waren nicht die
    glücklichsten. Er wurde immer bärbeißiger, seine
    äußerliche Lage verschlechterte sich, und er hielt
    sich zuletzt zur Flasche, sogar zur Likörflasche. ›Iris‹
    und ihre Kameradinnen bekamen ihn ganz in ihre
    Gewalt. Um ihn daraus zu befreien, wurd ihm, sei-
    tens seiner näheren Bekannten, ein Diener gehalten.
    Aber die Sache wurde hierdurch nicht gebessert. Im
    Gegenteil. Als er bald darauf, durch die Gnade Fried-
    rich Wilhelms IV., eine Pension und eine Wohnung in
    Bornstedt empfing, begleitete ihn der Diener, der
    nun bald ›um die Wette mit ihm die Fahne hoch-
    hielt‹. Soll ihn auch schlecht behandelt haben. End-
    lich starb er, einsam und vergessen, und so schloß in
    Freudlosigkeit ein Dasein, das, durch ein halbes
    Jahrhundert hin, immer nur bemüht gewesen war,
    Gutes zu tun und Freude zu schaffen. Ihr
    H. W.«

    Soviel von Briefen.

    1962
    Ich ließ es aber bei brieflichen Anfragen nicht be-
    wenden und bemühte mich, auch in Familien Zutritt
    zu gewinnen, in denen Rösel seinerzeit verkehrt hat-
    te. Dort hoffte ich nicht nur von ihm zu hören, son-
    dern auch das eine oder das

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