Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Wis-
senschaften, Hof- und Kammergerichtsrat, auch
1952
Historiographus etc., welcher von allen, die ihn ge-
kannt haben,
wegen seiner Gelehrsamkeit bewundert,
wegen seiner Redlichkeit gepriesen,
wegen seines Umgangs geliebt und
wegen seines Todes beklagt worden.
Anno 1731.‹
Darunter befindet sich groß und in sauberer Ausfüh-
rung das freiherrliche Wappen.«
So etwa der zeitgenössische Bericht.
Des Wappens auf dem Leichensteine wird nur in aller
Kürze Erwähnung getan, und doch ist dasselbe von
besonderem Interesse. Es zeigt, daß des Königs Ge-
neigtheit, an Gundling seinen Spott zu üben, auch
über den Tod des letztern fortdauerte. Hatte er
schon früher durch Erteilung eines freiherrlichen
Wappens, auf dem die angebrachten drei Pfauenfe-
dern die Eitelkeit des Freiherrn geißeln sollten, seinem Humor die Zügel schießen lassen, so ging er
jetzt, wo es sich um die Ausmeißelung eines Grab-
steins für Gundling handelte, noch über den früheren
Sarkasmus hinaus, und das Grabsteinwappen erhielt
zwei neue Schildhalter: eine Minerva und einen aufrecht stehenden Hasen . Die Hieroglyphensprache des 1953
Grabsteins sollte ausdrücken: er war klug, eitel, fei-
ge.
Dieser interessante Stein lag ursprünglich im Kir-
chenschiff; jetzt ist er senkrecht in die Frontwand
eingemauert und wirkt völlig wie ein errichtetes
Denkmal.
Wenn der weiße Marmor so vieler Gräber draußen
längst zerfallen sein und kein rot-dunkles Verbenen-
beet den Veranda-Begräbnisplatz der Sellos mehr
schmücken wird, wird dies wunderliche Wappen-
denkmal, mit den Pfauenfedern und dem aufrecht
stehenden Hasen, noch immer zu unsern Enkeln
sprechen, und das Märchen von »Gundling und dem
Weinfaßsarge« wird dann wundersam klingen wie ein
grotesk-heiteres Gegenstück zu den Geschichten
vom Oger .
Wer war er?
Ein Kapitel in Briefen aus aller Welt Enden
In dem vorstehenden Bornstedt-Kapitel ist auf
Seite 255 des verstorbenen Professor Samuel Rösels
Erwähnung geschehen und an die Nennung seines
Namens die Frage geknüpft worden: Wer war er?
Diese Frage, sowenig passend sie sein mochte, na-
mentlich um des Tones willen, in dem ich sie stellte,
1954
hat wenigstens das eine Gute gehabt, mir eine Fülle
von Zuschriften einzutragen, aus denen ich nunmehr
imstande bin ein Lebensbild Rösels zusammenzustel-
len.
Den Reigen dieser Zuschriften eröffnete ein »Hinter-
wäldler«, wie er sich selber am Schlusse seines, den
Poststempel Saint Louis (am Mississippi) tragenden
Briefes nennt. Es heißt darin wörtlich:
»Oh, mein lieber Herr F., röten sich nicht Ihre Wan-
gen über solche Unwissenheit? Professor Rösel war
ein hervorragender Mann der Berliner Akademie,
eine wohlbekannte, sehr beliebte Persönlichkeit, An-
fang der dreißiger Jahre in den Familien Schadow,
Spener, Link gern gesehen, wo er durch Satire, Ko-
mik und ausgezeichnete Geselligkeit alles zu erhei-
tern wußte. Und nun fragen Sie: Wer war er? Sie haben sich durch diese Frage eine arge Blöße gegeben, und wenn ich Sie nicht um Ihrer im letzten
Kriege bewiesenen Vaterlandsliebe willen schätzte,
so würden Sie sich eine öffentliche Rüge zugezogen haben. Nehmen Sie das nicht übel Ihrem Sie hoch-schätzenden
Hinterwäldler .«
Ich nahm diesen Brief anfänglich leicht und glaubte
mich mit meinem »Wer war er?« immer noch in gu-
tem Recht. Aber allmählich sollt ich doch meines Irr-
tums gewahr werden. Der Saint-Louis-Brief kam
1955
durch mich selber in die Öffentlichkeit, und ich muß-
te mich alsbald überzeugen, daß alle Welt auf die
Seite Rösels und seines hinterwäldlerischen Advoka-
ten und nicht auf die meinige trat. In der »National-
Zeitung« erschien ein kleiner Artikel Adolf Stahrs,
dem ich nachstehendes entnehme.
»Der Tadel vom Mississippi her ist doch nicht ganz
unberechtigt. F. hätte die Pflicht gehabt, sich besser
umzutun und nach einem Manne zu forschen, der
noch zu Anfang der vierziger Jahre eine sehr bekann-
te Berliner Persönlichkeit war. Gottlob Samuel Rösel,
Landschaftsmaler und Professor an der Zeichenaka-
demie in Berlin, zählte zu seiner Zeit unter den tüch-
tigsten Künstlern seines Fachs, und Zelter nennt sei-
ne drei im Jahre 1804 ausgestellten Landschaften in
dem über die Ausstellung jenes Jahres an Goethe
berichtenden Briefe, neben den Landschaften von
Hackert, Lütke, Genelli und Weitsch, mit großem
Lobe. Der kleine, etwas verwachsene, aber
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