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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Sankt
    Leonhard oder Löwenherz.
    Am heutigen Tage muß ich mir ein Löwenherz fassen
    und Dir schreiben, daß ich beim besten Willen nicht
    kommen kann, da heute zwei ehrenfeste Ge-
    burtstagskinder: der alte Hofzimmermeister Glatz

    1971
    und Fräulein Luise Hotho, befeiert werden müssen.
    Morgen bin ich bei Feilners.1)

    Freitag, den 18. November 1831
    Hier, meine teure Fanny, sende ich Ihnen den ver-
    heißenen Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller,
    oder, wenn es die gute Tante so will, zwischen Schil-
    ler und Goethe. Strenggenommen gebührt aber die-
    sem letzteren der Vorrang, dieweil durch seine frü-
    heren unsterblichen und höchst genialischen Werke
    der viel jüngere Schiller zum Schreiben und Dichten
    erst angeregt wurde, Goethe aber die weite Bahn
    sich selbst eröffnete. Vielleicht söhnt sich Tantchen
    durch diese Briefe mit dem verhaßten Goethe aus.
    Ich würde mich über solche Bekehrung herzlich freu-
    en, denn jedes überwundene Vorurteil gewährt einen
    Triumph.

    23. Juni 1832
    Ich kann leider nicht kommen. Am Sankt-Johannis-
    Tage gehöre ich dem Orden an und muß diesen Tag feiern helfen, wie eben jeder gute Christ tun sollte.
    Denn Johannes der Täufer wurde von oben gewür-
    digt und berufen, dem Messias den Weg zu bahnen,
    auf daß der von Gott Gesandte die Menschen zur
    ewigen Glückseligkeit, das heißt zum Leben in Gott,
    zurückführe.

    1972

    Freitag, 4. Januar 1833. Am Tage Methusalem oder
    Methusalah, der sich bekanntlich schämte, tausend
    Jahr alt zu werden, und schon im 969sten, in der
    Blüte des reiferen Mannesalters, das Zeitliche segne-
    te.
    Sie fragen, liebe Fanny, was coq-à-l'âne bedeutet?
    Soviel wie ungereimtes Zeug oder Durcheinander
    oder Quodlibet. Denn wenn Hahn und Esel sich in die
    Rede fallen, so kommt nicht viel Gescheites heraus.

    13. April 1833
    Bin leider immer noch krank. Und hätte doch ge-
    glaubt, einen bequemeren Posten verdient zu haben
    als den eines Nachtwächters. der die Stunden abhus-
    ten muß.

    Sonntag, den 14. April 1833
    Die Grippe nimmt schweren Abschied von mir. Ich
    kann es ihr nicht verdenken; es ging ihr so gut bei
    mir. Aber sie muß fort.

    Dienstag, 16. April 1833
    Es geht endlich besser. Schickt nun nichts mehr für
    den Kranken. Heute wird Gräfin Sophie Schwerin für

    1973
    mich sorgen und morgen Mendelssohns in der Jäger-
    straße. Donnerstag komm ich selbst.

    In demselben Jahre (1833) machte er eine Sommer-
    , Studien- und Erholungsreise bis nach Hessen und
    Westfalen, und im August nach Berlin zurückgekehrt,
    schrieb er einen langen Reisebrief an seine Freundin
    Fanny Jordan, die mittlerweile Frau Steuerrätin He-
    demann zu Demmin in Pommern geworden war. Der
    Brief lautet:

    »Berlin, 18. August 1833
    Mit fast noch größerm Recht als der muskauwitische
    Fürst Pückler könnte ich seit dem fünften Juli dieses
    Jahres meine Episteln › Briefe eines Verstorbenen ‹
    titulieren, denn an jenem Tage stand mein Leben
    still, und alle meine Sinne versagten mir den Dienst.
    Zwar wäre diese Todesart eine ganz exzellente zu
    nennen gewesen, denn ich verschied in den Armen
    zweier Exzellenzen: Minister von Klewitz und Gene-
    rallieutenant Graf von Hacke, auf des letztern Haus-
    flur zu Magdeburg, aber ich bin nicht so eitel und
    ziehe ein bescheidenes Leben einer glänzenden To-
    desart vor. Mein alter Freund, der Medizinalrat
    Dr. Schulz, trat zur rechten Zeit ins Haus, denn der
    entscheidende Augenblick war nahe, und nur ein
    Aderlaß konnte mich retten. Die Herren Homöopa-
    then mögen dagegen sagen, was sie wollen, denn
    alle ihre niedlichen Riechfläschchen und Millionteil-

    1974
    chen hätten mich nicht wieder ins Leben gerufen. Mir
    gelang es besser wie jenem armen Sünder, der auf
    dem Wege zum Galgen, gefragt: ›ob er etwas zu
    seiner Erquickung begehre, etwa einen Schluck
    Wein‹, um einen Aderlaß bat und auf die Frage: ›Wa-
    rum gerade das ?‹ antwortete: ›man hab ihm immer gesagt, der erste Aderlaß könne vom Tode retten‹.
    Mir hat's geholfen, dem armen Jungen aber nicht, trotzdem ich in Städten und Schlössern viel mehr
    eingesteckt habe als er. Aber so geht es in der Welt:
    Die kleinen Diebe henkt man, und die großen läßt
    man laufen.
    Sorgfältiger und liebevoller kann kein Bruder vom
    andern gepflegt und gewartet werden als ich im gräf-
    lich von Hackeschen Hause, und so ward es mir
    möglich, nach acht Tagen meine Reise langsam fort-
    zusetzen. Die Krisis war glücklich überstanden,

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