Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Aufsatzes noch
öfters begegnen werden, die Taufformel sprechen
wollte und bis an die Worte gekommen war: »ich
taufe dich«, stockte er – die Namen waren ihm ab-
handen gekommen, der Zettel fehlte. Aber die Ver-
wirrung war nur eine momentane. Von Bischofswer-
der selbst trat vor, sprach die Namen, und der Pas-
tor, rasch sich wiederfindend, beendete den Akt.
Der Taufe folgte die Tafel und im Laufe des Nachmit-
tags ein ländliches Fest. Der König blieb; die schöne
Jahreszeit lud dazu ein. Noch leben Leute im Dorfe,
achtzigjährige, die sich dieses Tages entsinnen. Ein
Erinnerungsbaum wurde gepflanzt, ein Ringelreihen
getanzt; der König, in weißer Uniform, leuchtete aus
dem Kreise der Tanzenden hervor. Am Abend brann-
ten Lampions in allen Gängen des Parks, und die
Lichter, samt den dunklen Schatten der Eichen- und
Ahornbäume, spiegelten sich im Schlänitz-See. Sehr
spät erst kehrte der König nach Potsdam zurück. Er
hatte dem Täufling eine Domherrnpräbende als Pa-
tengeschenk in das Taufkissen gesteckt. Von Jahr zu
Jahr wachsend, steigerte sich der Wert derselben bis
zu einer Jahreseinnahme von 4 500 Talern.
Zwischen diesem 17. Juli 1795 und dem
16. November 1797 lagen noch zwei Sommer, wäh-
rend welcher der König seine Besuche mehrfach er-
neuerte. Ob er eintraf, lediglich um sich des schönen
Landschaftsbildes und der loyalen Gastlichkeit des
Hauses zu freuen, oder ob er erschien, um »Geister-
stimmen« zu hören, wird wohl für alle Zeiten unauf-
1991
geklärt bleiben. Die Dorftradition sagt, er kam in
Begleitung weniger Eingeweihter, meist in der Däm-
merstunde (der schon erwähnte Generaladjutant von
Reder und der Geheimrat Dr. Eisfeld vom Militärwai-
senhause in Potsdam werden eigens genannt), pas-
sierte nie die Dorfstraße, sondern fuhr über den
»Königsdamm« direkt in den Park, hielt vor dem
Schlosse und nahm nun an den Sitzungen teil, die
sich vorbereiteten. Man begab sich nach der »Grot-
te«, einem dunklen Steinbau, der im Parke, nach
dem rosenkreuzerischen Ritual, in einem mit Akazien bepflanzten Hügel angelegt worden war. Der Eingang, niedrig und kaum mannsbreit, barg sich hinter
Gesträuch. Das Innere der Grotte war mit blauem
Lasurstein mosaikartig ausgelegt, und von der Decke
herab hing ein Kronleuchter. In diese »blaue Grot-
te«, deren Licht- und Farbeneffekt ein wunderbarer
gewesen sein soll, trat man ein; der König nahm
Platz. Alsbald wurden Stimmen laut; leiser Gesang,
wie von Harfentönen begleitet. Dann stellte der Kö-
nig Fragen, und die Geister antworteten. Jedesmal
tief ergriffen, kehrte Friedrich Wilhelm ins Schloß und bald darauf nach Potsdam zurück.
So die Tradition. Es wird hinzugesetzt, die Grotte sei
doppelwandig gewesen und eine Vertrauensperson
des Ordens habe von diesem Versteck aus die »mu-
sikalische Aufführung« geleitet und die Antworten
erteilt. Daß die Grotte eine doppelte Wandung hatte, ist seitdem, und zwar durch den jetzigen Besitzer,
der den Bau öffnete, um sich von seiner Konstruktion
zu überzeugen, über jeden Zweifel hinaus erwiesen
worden. Die Lasursteine existieren noch, ebenso der
1992
Akazienhügel. Dennoch gibt es Personen, die den
ganzen Schatz Marquardter Volkssage einfach für
Fabel erklären. Ich kann diesen Personen nicht bei-
stimmen. Es ist eine nicht wegzuleugnende Tatsache,
daß Bischofswerder ein Rosenkreuzer war, daß er
mehr als einmal in Berlin im Palais der Lichtenau, in
Sanssouci in einem am Fuß der Terrasse gelegenen
Hause, endlich im Belvedère zu Charlottenburg (ver-
gleiche Seite 183) wirklich »Geister« erscheinen ließ
und daß er bis zuletzt in seinem Glauben an alchi-
mistische und kabbalistische Vorgänge aushielt. Es
ist höchst wahrscheinlich, daß die Grotte ähnlichen
Zwecken diente, und nur darüber kann ein Zweifel
sein, ob der König, der im ganzen vielleicht nur vier-, fünfmal in Marquardt war, an diesen rosenkreuzerischen Réunions teilnahm.
Am 16. November 1797 starb der König. Noch ein-
mal, auf wenige Tage, wurde Bischofswerder aus der
Stille von Marquardt herausgerissen und mitten in
die Tagesereignisse hineingestellt, aber nur um dann
ganz und für immer in die ihm liebgewordene Stille
zurückzukehren.
Während des Hinscheidens Friedrich Wilhelms II.
befand sich Bischofswerder im Vorzimmer. Er traf
rasch und mit Umsicht alle Vorkehrungen, die der
Moment erheischte, ließ die Eingänge zum Neuen
Garten
Weitere Kostenlose Bücher