Wanderungen durch die Mark Brandenburg
beziehungsweise zum Marmorpalais beset-
zen, warf sich dann aufs Pferd und eilte nach Berlin,
um, als erster, den Kronprinzen als König zu begrü-
ßen. Er empfing den Stern des Schwarzen Adleror-
dens. Ob diese Auszeichnung ihn einen Augenblick
1993
glauben machte, er werde sich auch unter dem neu-
en Regime behaupten können, lassen wir dahinge-
stellt sein. Es ist nicht wahrscheinlich. Beim Begräb-
nis des Königs trat er zum letzten Mal in den Vorder-
grund.
Es war im Dom; das offizielle Preußen war versam-
melt, Lichter brannten, Uniform an Uniform, nur vor
dem Altar ein leerer Platz: auf der Versenkung, die in
die Gruft führt, stand der Sarg. Jetzt wurde das Zei-
chen gegeben. In demselben Augenblicke trat Bi-
schofswerder, eine Fackel in der Hand, neben den
Sarg, und der Tote und der Lebende stiegen gleich-
zeitig in die Tiefe. Es machte auf alle, auch auf die
Gegner des Mannes, einen mächtigen Eindruck. Es
war das letzte Geleit. Zugleich symbolisch ausdrü-
ckend: Ich lasse nun die Welt.
Und er ließ die Welt. Sein Dorf, sein Haus, sein Park
füllten von nun an seine Seele. Mit seinen Bauern
stand er gut; die Auseinanderlegung der Äcker, die
sogenannte »Separation«, die gesetzlich erst zehn
Jahre später ins Leben trat, führte er durch freie
Vereinbarung aus; er erweiterte und schmückte das
Schloß, den Park; dem letztern gab er durch Ankauf
von Bauerhöfen, deren Brunnenstellen sich noch
heut erkennen lassen, wie durch Anpflanzung wert-
voller Bäume seine gegenwärtige Gestalt. Alle Wege,
die durch die Gutsäcker führten, ließ er mit Obst-
bäumen, die er für bedeutende Summen aus dem
Dessauischen bezog, bepflanzen und schuf dadurch
eine Kultur, die noch jetzt eine nicht unerhebliche
jährliche Rente abwirft. Er hatte ganz die Ackerbau-
1994
passion, den tiefen Zug für Natur, Abgeschiedenheit
und Stille, den man bei allen Personen beobachten
kann, die sich aus der Hofsphäre oder aus hohen
Berufsstellungen in einfache Verhältnisse, aus dem
glänzenden Schein in die Wirklichkeit des Lebens
zurückziehen.
Der Verkehr im Hause war nichtsdestoweniger ein
ziemlich reger. Die katholischen und ökonomischen
Grundsätze seiner zweiten Frau griffen zwar gele-
gentlich störend ein; seine Bonhommie wußte aber
alles wieder auszugleichen. Mit dem benachbarten
Adel stand er auf gutem Fuß; die Beziehungen zur
Potsdamer Gesellschaft waren wenigstens nicht ab-
gebrochen; nur die eigentlichen Hofkreise, die der an
oberster Stelle herrschenden Empfindung Folge ge-
ben mußten, hielten sich zurück. Friedrich Wil-
helm III., sooft er auch auf dem Wege nach Paretz
das Marquardter Herrenhaus zu passieren hatte, hielt
nie vor demselben an; die Jahre, die nun mal die
Signatur: Rietz, Wöllner, Bischofswerder trugen,
trotzdem er zu dem letzteren nie in einem direkten
Gegensatze stand, lebten zu unliebsam in der Erin-
nerung fort, um eine Annäherung wünschenswert
erscheinen zu lassen.
1. Dies Geburtsdatum festzustellen war schwie-
rig. Die Geschichts- und Nachschlagebücher
geben abwechselnd 1737, 1738 und 1741 an.
Monat und Tag werden gar nicht genannt. In
dieser Verlegenheit half endlich das Mar-
1995
quardter Kirchenbuch . Es heißt in demselben:
Hans Rudolf von Bischofswerder starb am
30. Oktober 1803, in einem »ruhmvollen Al-
ter« von zweiundsechzig Jahren, elf Monaten
und neunzehn Tagen. Dies ergibt das oben im
Text angegebene Geburtsdatum. – Eine ver-
wandte Mühe (was gleich hier bemerkt sein
mag) haben alle andern Namen-, Zahlen- und
Verwandtschaftsangaben gemacht, und nicht
immer ist das Resultat ein gleich befriedigen-
des gewesen. Vieles war absolut nicht in Er-
fahrung zu bringen. Ich habe das Vermäh-
lungsjahr Bischofswerders mit seiner zweiten
Gemahlin, Gräfin Pinto, nicht mit Sicherheit
feststellen können. Bestimmte Angaben hier-
über würden mit Dank entgegengenommen
werden.
So kam der Herbst 1803 und mit ihm das Scheiden.
Die Arkana und Panazeen konnten's nicht abwenden;
das »Lebenselixier«, von dem er täglich einen Trop-
fen nahm, und das rotseidene Kissen, das er als A-
mulett auf der Brust trug, sie mußten weichen vor
einer stärkeren Macht, die sich mehr und mehr an-
kündigte. Der Erbring mit dem weißen Milchstein
dunkelte rasch auf dem Zeigefinger, an dem er ihn
trug, und so wußte er denn, daß seine letzte Stunde
nahe sei. Er las im Swedenborg, als der Tod ihn an-
trat. Nach
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