Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Bischofswerder:
1999
»In den Fesseln der Rosenkreuzerei verlor er früh die
unbefangene Ansicht des Lebens... Selten übte ein
Mensch die Kunst, andere zu erforschen und sich zu verbergen, glücklicher und geschickter als er. Ihm war es nicht gleichgültig, wem er sein Haus am Tage
und wem er es in der Dunkelheit öffne. Sein ganzes
Wesen trug das Gepräge der Umsichtigkeit , und
wenn er reden mußte, wo er lieber geschwiegen hät-
te, bewahrte er sich sorgfältig genug, um nichts von
seinem Innern zu enthüllen. Rat gab er nie unge-
fragt, und den er gab, hielt er für sicherer oder ver-
dienstlicher, dem Fragenden unterzuschieben; auch
des Ruhms, der ihm aus dem gegebenen zuwachsen
konnte, entäußerte er sich mit seltener Willfährig-
keit... Friedrich Wilhelm ward nie durch ihn in der
Überzeugung gestört, er wäge, wähle und beschließe
allein... Das Vorurteil uneigennütziger Anhänglich-
keit, das er für sich hatte, reichte hin, Verdächtige zu entfernen und Geprüftere zu empfehlen. So gelang
ihm, wonach er strebte. Er ward reich durch die Huld des Monarchen, ohne Vorwurf, und der Erste im
Staate, ohne Verantwortlichkeit... Anmaßungen,
nicht Vergünstigungen gefährden.«
Dies Urteil Mansos, wenn wir von dem Irrtum abse-
hen, daß er von B. als »reich« bezeichnet, wird im
wesentlichen zutreffen. Aber was enthält es, um den
Mann oder seinen Namen mit einem Makel zu behaf-
ten? Was andres tritt einem entgegen als ein lebens-
kluger, mit Gaben zweiten Ranges ausgerüsteter
Mann, der scharf beobachtete, wenig sprach, keiner-
lei Ansprüche erhob, auf die glänzende Außenseite
des Ruhmes verzichtete und sich begnügte, in aller
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Stille einflußreich zu sein? Wir bekennen offen, daß uns derartig angelegte Naturen nicht gerade sonderlich sympathisch berühren und daß uns solche, die,
zumal in hohen Stellungen, mehr aus dem Vollen zu arbeiten verstehen, mächtiger und wohltuender zu
erfassen wissen; aber, wohltuend oder nicht, was
liegt hier vor, das, an und für sich schon, einen be-
sonderen Tadel herausforderte? Zu einem solchen
würde erst Grund vorhanden sein, wenn Bischofs-
werder seinen Einfluß, den er unbestritten hatte, zu
bösen Dingen geltend gemacht hätte. Aber wo sind
diese bösen Dinge? Wenn die ganze damalige aus-
wärtige Politik Preußens – was übrigens doch noch
fraglich bleibt – auf ihn zurückgeführt werden muß,
wenn also der Zug gegen Holland, der Zug in die
Champagne, der Zug gegen Polen und schließlich
wiederum der Baseler Frieden sein Werk sind, so
nehmen wir nicht Anstand zu erklären, daß er in al-
lem das Richtige getroffen hat. Die drei Kriegszüge erwuchsen aus einem und demselben Prinzip , das
man nicht umhin können wird in einem königlichen
Staate, in einer absoluten Monarchie als das Richtige anzusehen. Ob die Kriegsleistungen selbst, besonders der Feldzug in der Champagne, auf besonderer
Höhe standen, das ist eine zweite Frage, die, wie die
Antwort auch ausfallen möge, keinesfalls eine Schuld
involviert, für die Bischofswerder verantwortlich gemacht werden kann. Er hatte gewiß den Ehrgeiz,
einflußreich und Günstling seines königlichen Herrn
zu sein, aber er eroberte sich diese Stellung weder
durch schnöde Mittel, noch tat er Schnödes, solang
er im Besitz dieser Stellung war. Er diente dem Köni-
ge und dem Lande nach seiner besten Überzeugung,
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die, wie wir ausgeführt, nicht bloß eine individuell
berechtigte, sondern eine absolut zulässige war. Er
war klug, umsichtig, tätig und steht frei da von dem
Vorwurf, sich bereichert oder andere verdrängt und
geschädigt zu haben. Was ihn dem Könige wert-
machte (darin stimmen wir einer Kritik bei, die sich
gegen die oben zitterten französischen »Anmerkungen« richtet), waren: des mœurs pures, beaucoup
d'honnêteté dans le sentiment, un désintéressement
parfait, un grand amour pour le travail.
In dieser Kritik vermissen wir nur eines noch, was
uns den Mann ganz besonders zu charakterisieren
scheint, seinen bon sens in allen praktischen Dingen,
wohin wir in erster Reihe auch die Politik rechnen,
das klare Erkennen von dem, was statthaft und un-
statthaft, was möglich und unmöglich ist. Über diese
glänzendste Seite Bischofswerders gibt uns Massen-
bach in seinen »Memoiren zur Geschichte des preu-
ßischen Staates« Aufschluß. Dieser (Massenbach)
verfolgte damals, 1795 bis 1797, zwei Lieblings-
ideen:
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