Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Herrn von B.,
so fest hielt er sich überzeugt, daß er nicht imstande
wäre, dem Prinzen böse Ratschläge zu erteilen. Noch
mehr. Der Prinz brauchte Bischofswerder, um sich
bei den Ministern nach dem Gange der Staatsge-
schäfte zu erkundigen, und der König, obwohl er dies
wußte, zeigte keinen Argwohn.«
Wir lassen dahingestellt sein, inwieweit eine der Fa-
milie Bischofswerder wohlwollende Feder, deren es
nicht allzu viele gab, hier die Dinge günstiger schil-
derte, als sie in Wahrheit lagen; gewiß ist nur, daß
die Abneigung des großen Königs sich mehr gegen
Wöllner und die Encke, die spätere Rietz-Lichtenau,
als gegen Bischofswerder richtete und daß, was im-
mer auch es mit dieser Abneigung auf sich haben
mochte, sie jedenfalls die Vertrauensstellung zum
Prinzen von Preußen, die er einnahm, nicht tangier-
te. In dieser befestigte er sich vielmehr so, daß, als
sich im August 1786 die »großen Alten-Fritzen-
Augen« endlich schlossen, der Eintritt Bischofswer-
ders in die Stellung eines allvermögenden Günstlings
niemanden mehr überraschte. Dabei suchte er durch
Friedensschlüsse mit seinen Gegnern, beispielsweise
mit der Rietz, namentlich aber auch durch Besetzung
einflußreicher Stellen mit Mitgliedern seiner Familie
seine eigene Machtstellung mehr und mehr zu befes-
tigen.
Seine beiden Töchter erster Ehe wurden zu dames
d'atour bei der Königin, die in Monbijou ihren Hof-
1988
staat hatte, ernannt; seine Gemahlin aber war er,
nach dem Tode der Frau von Reith, bemüht in die
Stellung einer Oberhofmeisterin einrücken zu lassen.
So war er denn allmächtiger Minister, war es und
blieb es durch alle Wechselfälle einer elfjährigen Re-
gierung hindurch, und die Frage mag schon hier in
Kürze angeregt und beantwortet werden: Wodurch
wurde die Machtstellung gewonnen und behauptet?
Die gewöhnliche Antwort lautet: durch servile
Complaisance, durch Unterstützen oder Gewähren-
lassen jeder Schwäche, durch Schweigen, wo sich
Reden geziemte, durch feige Unterordnung, die kein
anderes Ziel kannte als Festhalten des Gewonnenen,
durch jedes Mittel, nötigenfalls auch durch »Diavoli-ni« und Geisterseherei. Wir halten diese Auffassung
für falsch. Der damalige Hof, König und Umgebung,
hatte seine weltkundigen Gebrechen; aber das
Schlimmste nach dieser Seite hin lag weit zurück;
das »Marmorpalais« repräsentierte nicht jene elende Verschmelzung von Lust und Trägheit, von Geistlo-sigkeit und Aberglauben, als welche man nicht müde
geworden ist es darzustellen; man hatte auch Prinzipien, und ein wie starkes Residuum von Erregtheit
und Erschlaffung, von großem Wollen und kleinem
Können auch verbleiben mag, niemals ist eine ganze
Epoche so weit über Recht und Gebühr hinaus
gebrandmarkt worden wie die Tage Friedrich Wil-
helms II. und seines Ministers . Wir kommen, wenn wir am Schluß eine Charakterisierung Bischofswerders versuchen, ausführlicher auf diesen Punkt zu-
rück.
1989
Die Campagnen und auswärtigen Verwicklungen, die
fast die ganze Regierungszeit des Königs, wenigstens
bis 1795, ausfüllten, riefen, wie diesen selbst, so
auch seinen Minister vielfach ins Feld. Diplomatische
Missionen schoben sich ein. Von B. nahm teil an dem
Kongresse zu Svictow, brachte mit Lord Elgin die
Pillnitzer Konvention (Ergreifung von Maßregeln ge-
gen die Französische Revolution) zustande, begleite-
te den König 1792 während des Champagne-
Feldzugs und ging bald darauf als Gesandter nach
Paris, von wo er 1794 zurückkehrte.
Das nächste Jahr brachte den Frieden. Mit dem Frie-
densschluß zusammen fiel der Erwerb von Mar-
quardt. Schon einige Jahre früher, 1790 oder viel-
leicht schon 1789, hatte er sich zum zweiten Male
verheiratet.
Die hohe Politik, die Zeit der Strebungen, lag zurück.
Das Idyll nahm seinen Anfang.
Wir begleiten nun den Günstling-General durch die
letzten acht Jahre seines Lebens. Es sind Jahre in
Marquardt .
Das neue Leben wurde durch das denkbar froheste
Ereignis inauguriert: durch die Geburt eines Sohnes,
eines Erben. Das alte Haus Bischofswerder, das bis
dahin nur auf zwei Augen gestanden hatte, stand
wieder auf vier. Die Taufe des Sohnes war ein Glanz-
und Ehrentag. Der König hatte Patenstelle ange-
nommen und erschien mit seinen beiden Generalad-
jutanten von Rodich und von Reder. Die feierliche
1990
Handlung erfolgte im Schloß. Als Pastor Stiebritz, ein
Name, dem wir im Verlauf unsres
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