Wanderungen durch die Mark Brandenburg
kurzem Kampfe verschied er in seinem
Stadthause zu Potsdam. Es war am 30. Oktober.
1996
Er war in Potsdam gestorben, aber nach letztwilliger
Verfügung wollte er in Marquardt begraben sein.
Nicht in der Kirche, auch nicht auf dem Kirchhofe,
sondern im Park zwischen Schloß und Grotte. In we-
nig Tagen galt es also ein Erbbegräbnis herzustellen.
Eine runde Gruft wurde gegraben, etwa von Tiefe
und Durchmesser eines Wohnzimmers, und die Mau-
rer arbeiteten emsig, um dem großen Raum eine
massive Wandung zu geben. Als der vierte Tag zu
Ende ging, der Tag vor dem festgesetzten Begräbnis,
mußt auch, um's fertig zu schaffen, die Nacht mit zu
Hilfe genommen werden, und bei Fackelschein, wäh-
rend der erste Schnee auf den kahlen Parkbäumen
lag, wurde das Werk wirklich beendet.
Am 4. November früh erschien von Potsdam her der
mit sechs Pferden bespannte Wagen, der den Sarg
trug; die Beisetzung erfolgte, und zum ersten Male
schloß sich die runde Gartengruft. Nur noch zweimal
wurde sie geöffnet. Ein Aschenkrug ohne Namen und
Inschrift wurde auf das Grab gestellt.
Efeu wuchs darüberhin wie über ein Gartenbeet.
Wir versuchen, nachdem wir in vorstehendem alles
zusammengetragen, was wir über den Lebensgang
von Bischofswerder in Erfahrung bringen konnten,
nunmehr eine Schilderung seiner Person und seines
Charakters.
1997
Er war ein stattlicher Mann, von regelmäßigen und
ansprechenden Gesichtszügen, in allen Leibesübun-
gen und ritterlichen Künsten wohlerfahren, ein Meis-
ter im Fahren und Fechten, im Schießen und
Schwimmen, von gefälligen Formen und bei den
Frauen wohlgelitten. Er blieb bis zuletzt ein »schöner
Mann«. Seltsamerweise haben ihm Neid und Übel-
wollen auch diese Vorzüge der äußern Erscheinung
absprechen wollen. In den französisch geschriebenen
Anmerkungen zu den »Geheimen Briefen« wird er
einfach als eine »traurige Figur« (figure triste) be-
zeichnet. Der Schreiber jener Zeilen kann ihn nie
gesehen haben. Der erst 1858 gestorbene Sohn Bi-
schofswerders, eine echte Garde-du-Corps-
Erscheinung, war das Abbild des Vaters und über-
nahm noch nachträglich eine Art Beweisführung für
die Stattlichkeit des »Günstling-Generals«.
Der oft versuchten Schilderung seines Charakters
sind im großen und ganzen die Urteile der »Vertrau-
ten Briefe«, der »Geheimen Briefe«, der »Anmer-
kungen« zu den »Geheimen Briefen« und die Briefe
Mirabeaus zugrunde gelegt worden. Es steht aber
wohl nachgerade fest, daß alle diese Briefe unendlich
wenig Wert als historische Dokumente haben und
daß sie durch Übelwollen, Parteiverblendung oder
bare Unkenntnis diktiert wurden. In letzterem Falle
gaben sie lediglich das Tagesgeschwätz, das kritiklo-
se Geplauder einer skandalsüchtigen und medisanten
Gesellschaft wieder. So heißt es in den »Vertrauten
Briefen« des Herrn von Coelln: »Bischofswerder war
ein ganz gewöhnlicher Kopf. Sein Gemüt war den
äußeren Eindrücken zu sehr offen, woraus eine große
1998
Schwäche des Willens entstand. Ganz gemein aber war er nicht.« Diese letzte halbe Zeile, in ihrem Anlauf zu einer Ehrenrettung, ist besonders bösartig,
weil sie sich das Ansehen einer gewissen Unpartei-
lichkeit gibt. Weit hinaus aber über das Übelwollen
der » Vertrauten Briefe«, die an einzelnen Stellen immerhin das Richtige treffen mögen, gehen die
»Anmerkungen« zu den » Geheimen Briefen«, in de-
nen wir folgendem Passus begegnen:
»La fortune a quelquefois employé des hommes sans
grande capacité dans l'administration des États; mais
rarement elle a choisi un si triste sujet que ce Bi-
schofswerder: naissance ordinaire, figure triste, phy-
sionomie perfide, élocution embarrassée; ne con-
noissant ni le pays qu'il a quitté, ni celui qui l'a re-cueilli, ni ceux qui intéressent la Prusse. N'étant ni
militaire, ni financier, ni politique, ni économiste. Un de ces hommes enfin que la nature a condamné à
l'obscurité et à végéter dans la foule. Voilà l'homme
qui règne en Prusse.«
Wir verweilen bei diesen Auslassungen nicht , eben weil sie zu sehr den Stempel des Pasquills tragen,
und wenden uns lieber der Darstellung zu, die ein
anerkannter Historiker von dem Charakter B.'s gegeben hat, um dann an dieses maßvolle Urteil anzu-
knüpfen.
J. C. F. Manso in seiner »Geschichte des preußischen
Staates vom Frieden zu Hubertusburg bis zur zwei-
ten Pariser Abkunft« sagt über
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