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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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es
    durch die Stadt: Michel Protz ist tot. Das halbe Ruppin folgte, und das ganze hat ihm in den Jahren, die seitdem vergangen sind, ein huldigendes Andenken
    bewahrt. Was verletzte, ist vergessen, was gefiel, ist
    in dankbarer Erinnerung geblieben. Er erinnert in
    manchem an Schadow, in anderem an Geist von
    Beeren; denn auch darin war er deutsch, speziell
    norddeutsch, daß sein ganzes Wesen mit Schaber-
    nack und Till-Eulenspiegelei durchsetzt war.
    Das Grabdenkmal, das ihm auf dem »alten Kirchhof«
    errichtet wurde, gibt die einfachen Daten seiner Ge-
    burt und seines Todes.
    Ein gutes Portrait von ihm befindet sich in Händen
    des Kaufmann Kunz.

    206

    8. Gustav Kühn
    9.

    »Bei Gustav Kühn
    In Neuruppin.«

    In der Mitte der Stadt, gegenüber dem Häuservier-
    eck, darin Schinkel und Günther und auch der Held
    unseres letzten Kapitels: Michel Protzen, das Licht
    der Welt erblickten, erhebt sich ein kleines, nur drei
    Fenster breites Häuschen, dem ein neu aufgesetztes
    Stockwerk nur wenig zu gesteigertem Ansehen ver-
    hilft. Auf dem schmalen Hofe des Häuschens aber
    drängen sich die Hintergebäude, und jeder Zollbreit
    Erde ist benutzt. Hier erinnert die Beschränktheit und
    zu gleicher Zeit die sorgliche Ausnutzung des Raums
    an den Geschäftsbetrieb englischer Zeitungslokalitä-
    ten. Aber was sind die Londoner Blätter im Vergleich
    zu jenen kolorierten Blättern, die aus dieser kleinen
    Ruppiner Offizin hervorgehen? Was ist der Ruhm der
    »Times« gegen die zivilisatorische Aufgabe des Rup-
    piner Bilderbogens? Die »Times«, die sich mit Recht
    das »Weltblatt« nennt, gleicht immer nur dem angli-
    kanischen Geistlichen, dem hochkirchlichen Bischof,
    der, an schmalen Küstenstrichen entlang, in den
    großen, reichbevölkerten Städten der andern Hemi-
    sphäre seine Wohnung aufschlägt und seines Amtes
    waltet, der Gustav Kühnsche Bilderbogen aber ist der Herrnhutsche Missionar , der überallhin vordringt, 207
    dessen Eifer mit der Gefahr wächst und der die eine
    Hälfte seines Lebens in den Rauchhütten der Grön-
    länder, die andre Hälfte in den Schlammhütten der
    Fellahs verbringt. Chamisso erzählt in seiner »Reise
    um die Welt«, daß er, nach selbst gemachter Erfah-
    rung, Kotzebue für den verbreitetsten Schriftsteller
    halten müsse, denn er sei demselben, und zwar ei-
    nem Bande seiner Komödien, 1818 auf der Insel Ta-
    hiti begegnet. Aber noch einmal, was will eine solche
    Verbreitung sagen neben der Verbreitung jener Drei-
    pfennigbogen, die mit der wohlbekannten Notiz: » bei Gustav Kühn in Neuruppin « über die Welt flattern.
    Gebiete, die Barth und Overweg, die Richardson und
    Livingstone erst aufgeschlossen – der Kühnsche Bil-
    derbogen war ihnen vorausgeeilt und hatte längst
    vor ihnen dem Innersten von Afrika von einer Welt
    da draußen erzählt. Er flieht die Gegenden, drin der
    Kupferstich und das Ölbild vorwalten, aber wo die
    Glaskoralle und der Zahlpfennig ein staunendes Ah
    und die Begierde nach Besitz wecken, in den engeren
    und weiteren Bezirken des Königs von Dahomey – da
    ist er zu Haus. Den Marañón und den Orinoco auf-
    wärts, wo die Kolibris wie Blüten und die Blüten wie
    Schmetterlinge sich schaukeln, dort, wo alles Glanz
    und Farbe ist, tritt er kühn und siegreich auf und
    stellt die Kolorierkunst seiner Schablone – die un-
    beeinflußt von den neuen Gesetzen der Farbenzu-
    sammenstellung ihre ehrwürdigen Traditionen wahrt
    – siegreich in die Zauber der Tropennatur hinein. Auf
    den Inseln der schottischen Westküste war es mir
    selbst vergönnt, diese Landsleute, diese Boten aus
    der engeren Heimat zu begrüßen. Die Fingalshöhle,
    die Gestalt König Fingals selbst, die wie ein Nebel-

    208
    phantom auf der öden Klippe von Morven stand, war
    nicht mächtig genug gewesen, diese Sendboten ab-
    zuhalten, sie waren eingezogen in die Hütten der
    Macleans und Macdonalds.
    Lange bevor die erste »Illustrierte Zeitung« in die
    Welt ging, illustrierte der Kühnsche Bilderbogen die
    Tagesgeschichte, und was die Hauptsache war, diese
    Illustration hinkte nicht langsam nach, sondern folgte
    den Ereignissen auf dem Fuße. Kaum daß die Tran-
    chéen vor Antwerpen eröffnet waren, so flogen in
    den Druck- und Kolorierstuben zu Neuruppin die
    Bomben und Granaten durch die Luft; kaum war
    Paskewitsch in Warschau eingezogen, so breitete
    sich das Schlachtfeld von Ostrolenka mit grünen Uni-
    formen und polnischen Pelzmützen vor dem erstaun-
    ten Blick

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