Wanderungen durch die Mark Brandenburg
bestimmten Fällen nicht
den einfach-natürlichsten Erwägungen unterzuord-
nen gewußt hätte. Mit andern Worten, seine Begeis-
terung wurde nie zu Prinzipienreiterei. Vielfach liegen die Beweise dafür vor. Ähnlicher Einseitigkeiten, wie
sie beispielsweise der Professor Hirt äußerte, der, als es sich um die Errichtung eines Luther-Denkmals
handelte, »das Denkmal in griechischem Stile wollte,
weil das Gotische durchaus der Barbarei angehöre« –
ähnlicher Einseitigkeiten war Schinkel durchaus un-
fähig, ja er besaß umgekehrt ein feinstes Unter-
scheidungsvermögen dafür, wieweit die griechische
Kunst reichte und wieweit nicht. Als es ein Projekt zu
einem Mausoleum für die Königin Luise zu entwerfen
galt, entschied er sich höchst bemerkenswerterweise
für Anwendung des gotischen Stils und schrieb eigens: »Die harte Schicksalsreligion des Heidentums
hat hier das Höchste nicht schaffen können. Die Ar-
chitektur des Heidentums ist in dieser Hinsicht be-
deutungslos für uns . Wir können Griechisches und Römisches nicht unmittelbar anwenden, sondern
müssen uns das für diesen Zweck Bedeutsame selbst
erschaffen. Zu dieser neuzuschaffenden Richtung der
Architektur gibt uns das Mittelalter einen Fingerzeig.« Auch in diesem Briefe wieder betont er mehr-
fach die »überlegenen Schönheitsprinzipien des
heidnischen Altertums«, aber er ist zugleich feinsin-
nig genug, um zu fühlen, »daß diesen überlegenen
Schönheitsprinzipien nicht die Gesamtheit unsres
modernen Lebens , weder in seinen höchsten geistigen Forderungen (wie in der Kirche) noch in seinen
hundertfach neugestalteten praktischen Bedürfnis-
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sen, untergeordnet werden könne«. Er selbst hat
sich darüber vielfach verbreitet und mustergültige
Worte niedergeschrieben. Die Schönheit der Helle-
nen, dahin ging seine Meinung, sollte uns im großen
und ganzen beherrschen, aber sie sollte uns nicht in
dem Kleinkram des Lebens, da, wo sie nicht aus-
reichte oder nicht hingehörte, tyrannisieren .
Die Frage ist aufgeworfen worden – und mit dieser
Betrachtung schließen wir –, ob unsrer Stadt durch
die Hellenik ein besonderer Dienst geleistet worden
ist oder ob es nicht vielleicht ein Gewinn gewesen
wäre, wenn Schinkel am Scheidewege (1818) sich
schließlich anders entschieden und eine Kunstrefor-
mation im gotischen statt im griechischen Geiste beschlossen hätte. Die Antwort auf die Frage wird
notwendig verschieden lauten, wir unsrerseits aber
glauben uns Glück wünschen zu dürfen, daß der
Würfel so fiel, wie er fiel. Es ist unzweifelhaft, daß ein Mann von Schinkels eminenter Begabung auch
die Gotik hätte wieder beleben können; aber selbst
seine Begabung würde nur immer ein gotisches Interim geschaffen haben. Der Eklektizismus – der heutzutage in allen Künsten, am meisten aber in der
Baukunst, vorherrscht und der, weil er beständig zu
Prüfung und Vergleich auffordert, auch die kritische Begabung weit über alles andre hinaus ausbildet –, der Eklektizismus, sag ich, mußte schließlich notwendig dabei ankommen, unter dem Verschiedenen,
das sich ihm darbot, das Einfachere, das Stil- und
Gesetzvollere, vor allem das Ausbildungsfähigere zu adoptieren. Wenn Schinkel nicht dabei anlangte, so würde doch die Wiederbelebung der Gotik, natürlich
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vom Kirchenbau abgesehen, immer nur eine gotische
Episode ge schaffen haben. Schinkel hat uns vor dieser Episode bewahrt.
Auf dem Friedrich-Werderschen Kirchhof ragt sein
Denkmal auf, und andre Denkmäler werden folgen.
Am schönsten aber lebt sein Gedächtnis in der Schu-
le fort, die er gegründet und deren alljährlich wie-
derkehrendes Erinnerungsfest (das Schinkel-Fest)
ein lebendiges Zeugnis ablegt von der Liebe zu dem
geschiedenen Meister, zugleich auch von seiner Be-
deutung.
Wenn beim Wein die Herzen klopfen
Und das Fest zum Liede drängt,
Ziemt sich's, daß die ersten Tropfen
Man den großen Toten sprengt.
Segnend waltet ihr Gedächtnis
Über uns, Gestirnen gleich,
Und in ihrer Kraft Vermächtnis
Fühlen wir uns groß und reich.
1. Schinkels Portraitfigur an der Blücher-Statue
befindet sich auf dem Seitenfelde rechts, dem
Opernhause zu. Es ist ein Soldat, der sich,
nach der Schlacht, an sein Pferd lehnt , wäh-
rend Verwundete und Erschöpfte um einen
großen, über dem Feuer hängenden Kessel
herum sitzen. – Auf dem Beuth-Denkmal ist
Schinkel derjenige, der sich (Seitenfeld
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rechts) mit
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