Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
bestimmten Fällen nicht
    den einfach-natürlichsten Erwägungen unterzuord-
    nen gewußt hätte. Mit andern Worten, seine Begeis-
    terung wurde nie zu Prinzipienreiterei. Vielfach liegen die Beweise dafür vor. Ähnlicher Einseitigkeiten, wie
    sie beispielsweise der Professor Hirt äußerte, der, als es sich um die Errichtung eines Luther-Denkmals
    handelte, »das Denkmal in griechischem Stile wollte,
    weil das Gotische durchaus der Barbarei angehöre« –
    ähnlicher Einseitigkeiten war Schinkel durchaus un-
    fähig, ja er besaß umgekehrt ein feinstes Unter-
    scheidungsvermögen dafür, wieweit die griechische
    Kunst reichte und wieweit nicht. Als es ein Projekt zu
    einem Mausoleum für die Königin Luise zu entwerfen
    galt, entschied er sich höchst bemerkenswerterweise
    für Anwendung des gotischen Stils und schrieb eigens: »Die harte Schicksalsreligion des Heidentums
    hat hier das Höchste nicht schaffen können. Die Ar-
    chitektur des Heidentums ist in dieser Hinsicht be-
    deutungslos für uns . Wir können Griechisches und Römisches nicht unmittelbar anwenden, sondern
    müssen uns das für diesen Zweck Bedeutsame selbst
    erschaffen. Zu dieser neuzuschaffenden Richtung der
    Architektur gibt uns das Mittelalter einen Fingerzeig.« Auch in diesem Briefe wieder betont er mehr-
    fach die »überlegenen Schönheitsprinzipien des
    heidnischen Altertums«, aber er ist zugleich feinsin-
    nig genug, um zu fühlen, »daß diesen überlegenen
    Schönheitsprinzipien nicht die Gesamtheit unsres
    modernen Lebens , weder in seinen höchsten geistigen Forderungen (wie in der Kirche) noch in seinen
    hundertfach neugestalteten praktischen Bedürfnis-

    197
    sen, untergeordnet werden könne«. Er selbst hat
    sich darüber vielfach verbreitet und mustergültige
    Worte niedergeschrieben. Die Schönheit der Helle-
    nen, dahin ging seine Meinung, sollte uns im großen
    und ganzen beherrschen, aber sie sollte uns nicht in
    dem Kleinkram des Lebens, da, wo sie nicht aus-
    reichte oder nicht hingehörte, tyrannisieren .
    Die Frage ist aufgeworfen worden – und mit dieser
    Betrachtung schließen wir –, ob unsrer Stadt durch
    die Hellenik ein besonderer Dienst geleistet worden
    ist oder ob es nicht vielleicht ein Gewinn gewesen
    wäre, wenn Schinkel am Scheidewege (1818) sich
    schließlich anders entschieden und eine Kunstrefor-
    mation im gotischen statt im griechischen Geiste beschlossen hätte. Die Antwort auf die Frage wird
    notwendig verschieden lauten, wir unsrerseits aber
    glauben uns Glück wünschen zu dürfen, daß der
    Würfel so fiel, wie er fiel. Es ist unzweifelhaft, daß ein Mann von Schinkels eminenter Begabung auch
    die Gotik hätte wieder beleben können; aber selbst
    seine Begabung würde nur immer ein gotisches Interim geschaffen haben. Der Eklektizismus – der heutzutage in allen Künsten, am meisten aber in der
    Baukunst, vorherrscht und der, weil er beständig zu
    Prüfung und Vergleich auffordert, auch die kritische Begabung weit über alles andre hinaus ausbildet –, der Eklektizismus, sag ich, mußte schließlich notwendig dabei ankommen, unter dem Verschiedenen,
    das sich ihm darbot, das Einfachere, das Stil- und
    Gesetzvollere, vor allem das Ausbildungsfähigere zu adoptieren. Wenn Schinkel nicht dabei anlangte, so würde doch die Wiederbelebung der Gotik, natürlich

    198
    vom Kirchenbau abgesehen, immer nur eine gotische
    Episode ge schaffen haben. Schinkel hat uns vor dieser Episode bewahrt.
    Auf dem Friedrich-Werderschen Kirchhof ragt sein
    Denkmal auf, und andre Denkmäler werden folgen.
    Am schönsten aber lebt sein Gedächtnis in der Schu-
    le fort, die er gegründet und deren alljährlich wie-
    derkehrendes Erinnerungsfest (das Schinkel-Fest)
    ein lebendiges Zeugnis ablegt von der Liebe zu dem
    geschiedenen Meister, zugleich auch von seiner Be-
    deutung.
    Wenn beim Wein die Herzen klopfen
    Und das Fest zum Liede drängt,
    Ziemt sich's, daß die ersten Tropfen
    Man den großen Toten sprengt.
    Segnend waltet ihr Gedächtnis
    Über uns, Gestirnen gleich,
    Und in ihrer Kraft Vermächtnis
    Fühlen wir uns groß und reich.

    1. Schinkels Portraitfigur an der Blücher-Statue
    befindet sich auf dem Seitenfelde rechts, dem
    Opernhause zu. Es ist ein Soldat, der sich,
    nach der Schlacht, an sein Pferd lehnt , wäh-
    rend Verwundete und Erschöpfte um einen
    großen, über dem Feuer hängenden Kessel
    herum sitzen. – Auf dem Beuth-Denkmal ist
    Schinkel derjenige, der sich (Seitenfeld

    199
    rechts) mit

Weitere Kostenlose Bücher