Wanderungen durch die Mark Brandenburg
eine Viertelmeile von Czaslau, gegenüber-
standen.
Dieser Tag von Czaslau oder Chotusitz ist der Kriegs-
und Ehrentag unsres Seegebart. Gegen acht Uhr
morgens begann die Schlacht, die östreichische In-
fanterie eröffnete den Angriff und warf sich auf den
rechten preußischen Hügel, litt aber, durch Kanonen
und Kleingewehrfeuer, so stark, daß einzelne Re-
gimenter den Rücken kehrten und, trotzdem sie von
ihren eigenen Offizieren in kaum glaubhafter Anzahl
niedergestochen wurden, nicht wieder zum Stehen
zu bringen waren. Jetzt sollten Kavalleriechargen die
Scharte auswetzen. Mit großem Ungestüm schritt
man zur Attacke; aber vergeblich. Mal auf Mal wur-
den die Chargen abgeschlagen und die rückgehenden
Regimenter schließlich mit solcher Vehemenz ver-
folgt, daß die dahinter aufgestellte Infanterie mit in
die Flucht verwickelt und zum Teil niedergemacht,
zum Teil über das Feld hin zerstreut wurde.
So standen die Dinge am rechten Flügel, zum Teil
auch im Zentrum. Alles ließ sich glücklich an und
schien einen raschen Sieg zu versprechen; aber völ-
lig entgegengesetzt sah es am linken Flügel aus, wo
unser Seegebart auf einer kleinen Fuchsstute im Rü-
cken seines Regimentes hielt. Hier standen sechs
Bataillone in Kolonne, und zwar in Front zwei Batail-
lone Prinz Leopold, dahinter einzelne Bataillone der
Regimenter La Motte, Schwerin, von Holstein und
Prinz Ferdinand. Das Unglück wollte, daß der Angriff
der Östreicher eher erfolgte, als die Aufstellung der
Preußen, insonderheit ihrer Kavallerie, beendigt und
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geordnet war, und so wiederholte sich hier zuun-
gunsten der Preußen das, was sich am entgegenge-
setzten Flügel zu ihren Gunsten ereignet hatte. Die
preußischen Dragoner wurden geworfen, die Infante-
riekolonnen, zumal die in Front stehenden Bataillone
Prinz Leopold, mit in den Wirrwarr hineingerissen
und endlich alles in wildem Durcheinander durch das
brennende Dorf Chotusitz hindurchgejagt. Reserven
rückten vor und nahmen den Kampf wieder auf, aber
im selben Augenblicke stoben, wie durch ein böses
Ohngefähr, vom entgegengesetzten Flügel her, die
flüchtigen Reitermassen heran, die dort dem Vor-
dringen der Preußen hatten weichen müssen und
nun eben rechtzeitig genug erschienen, um dem oh-
nehin siegreichen Stoß der Ihrigen eine gesteigerte
Wucht zu geben. In diesem Augenblick äußerster
Gefahr war es, wo der kriegerische Geist in unserem
Seegebart plötzlich lebendig wurde und, zunächst
den Kampf wiederherstellend, endlich alles zu Heil
und Sieg hinausführte. Seegebart selbst hat dies sein
Eingreifen in den Gang der Schlacht mit so viel An-
schaulichkeit und Bescheidenheit geschildert, daß es
wie geboten erscheint, ihn an dieser Stelle mit sei-
nen eigenen Worten einzuführen:
»Als unser Regiment nun retirierte und zum Teil mit
feindlicher Kavallerie und Grenadiers vermischt war,
jug ich sporenstreichs hin und wider durch dasselbe
und redete den Burschen und Offiziers beweglich und
notabene recht ernstlich zu, daß sie sich widersetzen
und fassen sollten. Einige schrien mich gleich an mit
einem lauten: Ja! und waren bereit und willig, wur-
den aber von der andringenden Macht verhindert,
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kamen aber doch wieder zu stehen. Als ich dieses
tat, flogen mir die Kugeln so dick um den Kopf, als
wenn man in einem Schwarm sausender Mücken
stehet, doch hat gottlob, mich keine, auch nicht ein-
mal den Roquelour, verletzt. Ein Bursch hat mein
Pferd in diesem Lärm mit dem Bajonette erstechen
wollen; aber ein anderer hat es ihm weggeschlagen.
Bis hierher hatte ich nur zu den Leuten unsres Re-
giments gesprochen; ich sammelte jetzt aber einige
Eskadrons Kavallerie, die in Confusionen waren, vom
linken Flügel, brachte sie in Ordnung, und sie atta-
ckierten in meiner Gegenwart die feindliche Kavalle-
rie und repoussierten sie. Ich war so dreist, daß ich
mich an General und Obristen machte, sie bei der
Hand faßte und im Namen Gottes und des Königs
bat, ihre Leute wieder zu sammeln. Wenn dies ge-
schehen, so jug ich hin und wider durch und trieb die
Leute wieder dahin, wo sie sich wieder zu setzen
anfingen. Ich brauchte allerlei Beredsamkeit, und
man folgte mir in allen Dingen. Ich wundere mich,
daß die schweren Pferde meinen kleinen Fuchs nicht
zertreten haben, aber es schien, als wenn alles vor
mir auswiche und mir Platz machte. Ich tat und re-
dete als ein Feldmarschall und bemerkte
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