Wanderungen durch die Mark Brandenburg
alter Bauerndörfer zeichnen sich im Gegensatz zu
den Patronatskirchen gemeinhin durch nichts als
durch eine äußerste Kahlheit aus, durch die Abwe-
senheit alles Malerischen und Historischen; die Gene-
rationen kommen und gehen, kein Unterschied zwi-
schen dem Dorf und seinem Felde, ein ewiger Wech-
sel zwischen Saat und Mahd. Leben, aber keine Ge-
schichte. So sind die Bauerndörfer, und so sind ihre
Kirchen. Nicht so Etzin. Hier war zu allen Zeiten ein
historischer Sinn lebendig, und so hat hier die Ge-
meinde Bildnisse derer aufgestellt, die dem Dorfe mit
Rat und Tat vorangingen, sein »Wort und Hort« wa-
ren – die Bildnisse seiner Geistlichen. Wenn sich sol-
cher Bildnisse nur vier in der Etziner Kirche vorfin-
den, so liegt es nicht daran, daß die Etziner seit
150 Jahren sich jemals ihrer Pflicht entschlagen und
ihre alte Pietät versäumt hätten, sondern einfach
daran, daß die Etziner Luft gesund und die Etziner
Feldmark fruchtbar ist. Die Etziner Geistlichen brin-
gen es zu hohen Jahren, und wenn wir die Inschrif-
ten und Zahlen, die sich auf den betreffenden Bildern
und Grabsteinen in und außerhalb der Kirche vorfin-
den, richtig gelesen haben, so füllen die Namen drei-
er Prediger den ganzen weiten Raum des vorigen
Jahrhunderts aus. Die Bilder dieser drei Geistlichen,
von denen übrigens der mittlere, der Held dieser
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Geschichte, nur ein kurzes Jahrzehnt der Etziner
Gemeinde angehörte, hängen, von Bändern und
Brautkronen heiter eingefaßt, links vom Altar an ei-
nem der breiten Manerpfeiler, und das helle Sonnen-
licht, das durch die geöffneten Kirchenfenster von
allen Seiten eindringt, macht es uns leicht, die Na-
men zu lesen, die mit dünnen weißen Schriftlinien
auf schwarze Täfelchen geschrieben sind. Die Namen
sind: Andreas Lentz, August Wilhelm Geelhaar und
Joachim Friedrich Seegebart. Andreas Lentz, ein
würdevoller Kopf, mit dunklem, lang herabhängen-
dem Haar, gehört augenscheinlich der Zeit der ers-
ten beiden Könige, August Wilhelm Geelhaar aber
der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts an. Er
trägt eine hohe Stehkrause, ist blond, rotbäckig,
martialisch und blickt aus seinem Rahmen heraus
wie die Bischöfe des ersten Mittelalters, die lieber
zum Streitkolben wie zum Meßbuch griffen. Sein
Blick ist kriegerisch genug, aber die Welt hat nie von
seinen Kriegstaten erfahren, und den Ruhm, in den
Gang einer Schlacht eingegriffen und die drohende
Niederlage in Sieg gewandelt zu haben, muß er sei-
nem Amtsbruder und unmittelbaren Vorgänger an
der Etziner Pfarre überlassen, dessen Bildnis jetzt
neben ihm am Wandpfeiler hängt und dessen milde,
fast weiche Gesichtszüge auf alles andre eher schlie-
ßen lassen sollten als auf den »Geist Davids«, der
ihn zum Siege fortriß. Und doch war es so. Joachim
Friedrich Seegebart ist es, der uns nach Etzin und in
diese Kirche geführt hat, Joachim Friedrich Seege-
bart, der Sieger von Chotusitz. Hören wir, wie es
damit zusammenhängt.
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Joachim Friedrich Seegebart, geboren den
14. April 1714 im Magdeburgischen, wahrscheinlich
zu Wolmirstedt, war Feldprediger beim Prinz Leo-
poldschen Regiment, das vor Ausbruch des Ersten
Schlesischen Krieges, und auch wohl später noch, zu
Stendal in Garnison stand. Er war ein Anhänger der
Spenerschen Lehre, demütig, voll Liebe, nur streng
gegen sich selbst, ein Mann, von dem man sich einer
gewissenhaften Wartung seines Amtes, der Festig-
keit in Wort und Glauben, aber keiner kriegerischen
Tat versehen konnte, er selbst vielleicht am wenigs-
ten.
Die rasche Besitzergreifung Schlesiens war Aus-
gang 1740 beschlossene Sache. Die Regimenter er-
hielten Marschorder, und den 8. Dezember brach das
Regiment Prinz Leopold von Stendal auf, mit ihm
Seegebart. Über diesen Marsch durch die Kurmark
und später durch Schlesien besitzen wir interessante
Aufzeichnungen von Seegebarts eigener Hand. Am
11. März, nach längerem Aufenthalt in Berlin, betrat
das Regiment schlesischen Boden, zeichnete sich bei
der Erstürmung von Glogau aus, focht bei Mollwitz
und bezog im Oktober das Winterquartier in Böh-
men. Hier blieb es in Reserve, während der König in
Mähren einrückte. Erst im Frühjahr 1742 vereinigte
sich das Regiment wieder mit der aus Mähren zu-
rückgehenden Hauptarmee und war mit unter den
Truppen, die am 17. Mai 1742 der österreichischen
Armee unter dem Prinzen Karl von Lothringen bei
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Chotusitz,
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