Wanderungen durch die Mark Brandenburg
augenblick-
lich die Impression von meinem Zureden und Vor-
stellungen an der Leute Gebärden und Gehorsam.
Mein Gemüt war Gott ergeben und in einer guten
Fassung, und ich habe in eigener Erfahrung damals
gelernet, daß das Christentum resolut und mutig
macht auch in den verworrensten Begebenheiten.
Auch den Feind zu verfolgen war mir schließlich ges-
tattet. Ich sammelte noch einmal einen großen Hau-
fen fliehender Kavallerie, zum Teil von unsern linken
2107
und rechten Flügel, wohl eine Viertelmeile vom
champ de bataille, welches mir wohl große Mühe
machte, aber doch endlich gelungen, und führte sie
zurück bis an den gedachten Champ, wo sie auch
sogleich, weil sich die Bataille indes geendet, dem
Feinde nachging und ihn verfolgte. Die Kavallerie, so
ich gesammelt und die sogleich auf meine Vorstel-
lung wieder zu agieren anfing, ist über zwanzig
Eskadrons gewesen. Gott sei mir gelobet, der mir
Davids Mut und Sinn gegeben.«
Soweit die Darstellung Seegebarts selbst. Der Vor-
gang machte Aufsehen bei Freund und Feind und
wurde, ausgeschmückt und oft bis zur Unkenntlich-
keit entstellt, in Zeitungen und fliegenden Blättern
erzählt. Jordan schrieb, schon zehn Tage nach der
Schlacht, von Berlin aus an den König: »Hier möchte
alle Welt wissen, wer der Unbekannte gewesen sei,
der sich mit soviel Bravour an die Spitze einiger
Eskadrons setzte und durch rasches Eingreifen zum
Siege mitwirkte. Es heißt, Ew. Majestät hätten nach
seinem Namen gefragt, der Angeredete habe sich
aber geweigert, sein Inkognito aufzugeben.« Der
große König, der damals noch mehr jung als groß
war und Anstand nehmen mochte, einem einfachen
Feldprediger einen wesentlichen Anteil am Siege zu-
zusprechen, fand es angemessen, in seinem Ant-
wortschreiben die ganze Angelegenheit als eine Fabel
zu bezeichnen, und wir würden uns vielleicht in der
Lage befinden, den ganzen poetisch und psycholo-
gisch interessanten Vorgang in Wirklichkeit als eine
Fabel ansehen zu müssen, wenn wir nicht das See-
gebartsche Tagebuch und jenen Brief (an Professor
2108
Michaelis in Halle) besäßen, aus dem wir schon die
obige Schlachtszene zitiert haben. Das Tagebuch
weist in seinem Tone und seiner Schreibweise für
jeden, der sich auf den Klang von Wahrheit und Un-
wahrheit versteht, unwiderleglich nach, daß Pastor
Seegebart eine ebenso demütige wie hochherzige
Natur war, ein Mann, in dessen Herzen keine Lüge
bestehen konnte. So glauben wir denn ihm und kei-
nem andern, wenn er am 24. Mai in aller Beschei-
denheit, aber auch in nicht mißzuverstehender Klar-
heit schreibt:
»Die Sache ist beim König, der Generalität, ja der
ganzen Armee bekannt geworden, und man redete in
den ersten Tagen selten von dem Siege, den uns
Gott gegeben, ohne daß man meiner gedacht hätte.
Wenn ich ein Narr wäre, so hätte ich die beste Gele-
genheit, mich aufzublasen, gehabt. Der König hat
mir durch unsern Prinzen (Erbprinz Leopold von An-
halt-Dessau) ein sehr gnädiges Kompliment machen
und mich versichern lassen, ›ich sollte die beste
Pfarrstelle in allen seinen Landen haben‹, wozu der
Prinz hinzusetzt: ›Wenn das nicht geschähe, so woll-
te er mir die beste in seinem eigenen Fürstentum
geben, denn ich hätte in der Bataille nicht nur wie
ein Prediger, sondern auch wie ein braver Mann ge-
tan.‹«
Prinz Leopold, der gewiß Wort gehalten hätte, wurde
nicht beim Wort genommen; Seegebart erhielt eine
Pfarre, freilich keine beste, kaum eine gute (die Etzi-
ner Pfarrstelle ist jetzt eine sehr gute, war es aber
damals nicht), indessen doch immerhin eine Pfarre,
2109
und im August 1742, also kaum drei Monate nach
der Schlacht, ward er in die Etziner Kirche einge-
führt. Mit ungewöhnlicher Tätigkeit – so erzählte mir
der achtzigjährige Pastor Duchstein, der, als er sein
Etziner Pfarramt zu Anfang dieses Jahrhunderts an-
trat, noch Leute vorfand, die seinen kriegerischen
Amtsvorgänger gekannt hatten – hat dieser hier als
Seelsorger und Landwirt gewirkt. An Wochentagen
hielt er im Pfarrhause Erbauungsstunden, sowohl für
Kinder wie für Erwachsene, und nahm sich überhaupt
seiner beiden Gemeinden: Etzin und das nahe gele-
gene Knoblauch, mit Eifer und Liebe an. Nebenbei
aber führte er die weitläuftige Pfarrwirtschaft selbst, verbesserte mancherlei in derselben und nutzte sie
durch seine Betriebsamkeit, wie die von ihm geführ-
ten Register beweisen, ungemein
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