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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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durch diese Anklänge nur noch gesteigert wur-
    de.

    2116
    Ich hatte, um an dem Bilde herumzuleuchten, die
    Laterne genommen und fragte jetzt, wo die Gruft sei.
    »Da müssen wir wieder zurück.«
    Gut. Wir kehrten also um und gingen das Schiff hin-
    unter, bis wir, inmitten der Kirche, vor einer in die
    Fliesen eingelassenen Bretterlage standen. Es war
    alles so primitiv wie möglich; keine Falltür, kein ei-
    serner Ring zum Hochheben, nur eben drei eichene
    Bohlen. Und sie waren nicht leicht zu fassen. Endlich
    mit Hülfe des schweren Kirchenschlüssels, den wir
    als Hebel benutzten, lüfteten wir das erste Brett;
    dann die beiden andern. Die Stiege, die hinabführte,
    war weniger eine Treppe als eine aus aufrecht ste-
    henden Ziegeln gebaute Leiter; jede Stufe so hoch
    und so schmal wie möglich. Alles voll Staub und
    Spinnweb. Ohne Fähr indes kamen wir unten an; nur
    das Licht in der Laterne begann in bedenklicher Wei-
    se zu flackern, erholte sich aber wieder, und die
    Musterung konnte beginnen. Wir zählten vier Särge,
    zwei wohlerhalten und mit Metall beschlagen, die
    beiden anderen schon etwas schadhaft. Einer davon,
    von rechts her gerechnet der dritte, hatte eine Öff-
    nung am Kopfende: das verschließende Brettchen
    fehlte. Es sah aus wie die offenstehende Tür eines
    kleinen Hauses.
    »Das ist er«, sagte der Küster.
    »Der Enthauptete?«
    »Ja.«

    2117
    Dabei fuhr er mit Totengräbergleichmut in die Öff-
    nung des Sarges hinein, suchte einen Augenblick wie
    in einem Kasten, in dem man Bescheid weiß, und
    kam dann mit einem Schädel wieder zum Vorschein.
    Und nun hielt er ihn mir wie zur Begutachtung hin.
    Ich nahm ihn in die Hand und sagte: »Das ist ein
    Schädel, nicht mehr und nicht weniger. Wo aber
    steckt der Beweis, daß es der Schädel eines Ent-
    haupteten ist?«
    Der Küster, statt aller Antwort, wies einfach auf ei-
    nen fingerbreiten Halslappen hin, der sich unter dem
    Kiefer hinzog. Dieser aufgetrocknete Streifen war an
    seinem Rande so scharf, wie wenn man ein hartes
    Stück Leder mit einem scharfen Messer durchschnei-
    det.
    Dies mochte in der Tat als Beweis gelten. Es war
    ganz unverkennbar eine Schnittfläche. Irgend etwas
    Scharfes hatte hier Kopf und Rumpf getrennt. »Sie
    haben recht« – damit schoben wir den Schädel wie-
    der in seine Behausung, kletterten hinauf und deck-
    ten die Bohlen darüber.
    Unser Rückzug war eiliger als unser Kommen. Mir
    war, als lache die Frau von Pompadour hinter uns
    her, und über den Grabstein des alten Amtmann
    Kriele weg traten wir wieder in die Dorfstraße hinaus.
    Alles stand noch in Gruppen. Wir mußten erzählen.
    Aber es war nur, was jeder wußte.

    2118

    In der Falkenrehder Gruft ruht ein Enthaupteter. Das scheint festzustehen. Aber wer ist dieser Enthauptete? Die Sage, wie schon hervorgehoben, antwortet:
    Oberst Ernst von Weiler; die Geschichte dagegen
    verneint , was die Sage sagt. Oberst Ernst von Weiler, in seinen letzten Dienstjahren General, ist eine
    historische Person wie nur irgendwer, und wir kön-
    nen ihn bis an das Ende seines Lebens verfolgen. In
    hohem Alter und hohem Ansehen ist er gestorben.
    Wir erzählen, was man von ihm weiß.
    Ernst von Weiler, aus einer angesehenen Patrizier-
    familie, etwa um 1620 geboren, war der Sohn des
    kurbrandenburgischen Amtskammerrats und Hof-
    amtmeisters Christian Weiler, Erbherrn auf Vehlefanz
    und Staffelde. Er trat früh in die Armee, nahm wahr-
    scheinlich noch an den letzten Kämpfen des Dreißig-
    jährigen Krieges teil und focht 1674 (über seine Be-
    teiligung an der Schlacht von Warschau verlautet
    nichts) am Oberrhein gegen Turenne. Er war damals
    mutmaßlich Oberstwachtmeister in der Artillerie.
    Zuerst wird er mit Bestimmtheit 1675 genannt, wo
    er, in der Schlacht bei Fehrbellin, die »mit doppelter
    Bespannung versehenen Geschütze« mit großer Aus-
    zeichnung zum Siege führte.
    Er hatte sich dabei das Zutrauen und Wohlwollen des
    Kurfürsten in einem besonders hohen Grade zu er-
    ringen gewußt, wurde 1677 Oberstlieutenant und
    Chef der Artillerie und leitete das Jahr darauf (1678)
    den artilleristischen Teil der Belagerung von Stral-

    2119
    sund. »Den 10. Oktober abends«, so heißt es in Pau-
    lis »Leben großer Helden«, »machte Ernst Weiler auf
    den Ort aus 80 Stücken, meist halben Kartaunen,
    22 Mörsern und 50 Haubitzen ein entsetzliches Feu-
    er. Mit anbrechendem Morgen stand die halbe Stadt
    in Flammen. Den 11. Oktober nach sechs Uhr sah
    man auf Mauern

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