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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Deckenmalereien hatten dem Ganzen mehr
    Farbe, wenn auch freilich nicht mehr Schönheit ge-
    geben.
    Wenn nun aber die Kirche wenig verändert war, wie
    anders war es in der Gruft geworden! Sarg bei Sarg,
    der Raum gefüllt bis auf den letzten Platz. Dazu ein
    völliges Dunkel; die weiße Tünche längst einem tie-
    fen Grau gewichen. Wir öffneten beide Torflügel, um
    etwas Helle zu schaffen, und der eindringende Luft-
    zug setzte die Spinnweben am Portal in Bewegung.
    Aber dies Licht von außen war zu schwach, es drang
    nur zwei Schrittbreit in die dunkle Behausung ein,
    und dahinter blieb alles Nacht.

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    Ein Kind, das uns begleitet hatte, wurde deshalb mit
    der Weisung zurückgeschickt, daß ein Diener Licht
    bringen solle. Mittlerweile setzten wir uns auf das
    dürre Gras verfallener Gräber und sahen in die Gruft
    hinein, die, voll geheimnisvollen Zaubers, mit ihrem
    Pomp und ihrem Grausen vor uns lag.
    Machte dies schon einen Eindruck auf mich, so verschwand es neben dem Bilde, das die nächsten Minu-
    ten brachten.
    Ein reichgalonierter Diener kam vom Herrenhause
    herüber und schritt mit einem doppelarmigen, silber-
    nen Leuchter in der Hand über den Kirchhof hin und
    auf uns zu. Wir erhoben uns. Der Diener nahm den
    Vortritt, strich mit einem Phosphorholz an dem rosti-
    gen Eisenbeschlag des einen Türflügels entlang, zün-
    dete die beiden Wachskerzen an und trat dann
    dienstmäßig und völlig ruhig zwischen die dicht ge-
    stellten Särge. Wir folgten, so gut wir konnten. Als
    wir die Mitte der Gruft erreicht hatten, hob er den
    Leuchter höher. Es war ein Bild, das ich mein Lebtag
    nicht vergessen werde. Die Kerzen warfen helle
    Streifen durch das Dunkel, und von der Decke herab
    wehte es in langen, grauen Fahnen. Stein- und Ei-
    chensärge ringsum. Inmitten dieser Machtzeugen
    des Todes aber bewegten wir uns in der ganzen
    Buntheit modernen Lebens, die lange blaue Seiden-
    robe der einen Dame bauschte und knisterte bei je-
    der Bewegung, und die Tressen und Fangschnüre des
    Dieners blitzten im Licht.

    2154
    Wir standen jetzt so, daß wir durch Heben und Sen-
    ken unserer zwei Kerzen die prächtigsten Sarkopha-
    ge: den Steinsarg des Feldmarschalls und rechts und
    links daneben die Särge seiner beiden Gemahlinnen,
    ohne Mühe sehen und ihre Ausschmückung bewun-
    dern konnten. Aber wo stand Hans Hermann ? Wir
    taten scheu die Frage, die der Diener seinerseits oh-
    ne jegliches Bedenken aufnahm und abermals voran-
    schritt. Wir folgten ihm, nach links hin, bis in die E-
    cke des Raums. Die Särge standen hier minder dicht.
    Einer unter ihnen war ein schlichter, langer Holzsarg,
    dessen Farbe teils abgegriffen, teils abgesprungen
    war. Das war er . Der Diener gab mir den Leuchter, faßte den Deckel und schob ihn beiseite. Noch
    verbarg sich uns sein Inhalt. In dem äußeren Sarge
    stand ein zweiter, der eigentliche , vielleicht der, in den man ihn zu Küstrin gelegt hatte, eine bloß zugeschrägte Kiste mit einem flachen Deckel. Nun hoben
    wir auch diesen und blickten auf alles Irdische, was
    von dem unglücklichen Katte noch übrig ist.
    Ein hellblauer Seidenmantel umhüllt den Körper. Da,
    wo dieser Mantel nach oben hin aufhört, liegt ein
    Schädel, neben dem Schädel eine blaue, kunstvoll
    zurechtgemachte, mit Spitzenüberresten geschmück-
    te Schleife, die früher das schöne Haar des Toten
    zusammenhielt. Noch in den zwanziger Jahren dieses
    Jahrhunderts war der Schädel wohlerhalten, seitdem
    aber, weil niemand lebte, der die Gruft und speziell
    diesen Sarg vor Unbill geschützt hätte, trat der Verfall ein, der sich jetzt zeigt. Es erging in Wust den
    Überresten des jungen Katte genau ebenso, wie es in
    Gusow den Überresten des alten Derfflinger erging:

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    frivole Neugier, renommistischer Hang und Kuriositä-
    tenkrämerei führten zu offenbarer Entweihung.
    Über einzelnes wird berichtet. Ein junger Ökonom im
    Dorfe wettete in heiterer Mädchengesellschaft gegen
    einen Kuß, er wolle den Katteschen Schädel um Mit-
    ternacht herbeiholen und wieder an seine Stelle tra-
    gen. Er gewann auch die Wette, bestand aber nicht
    auf Zahlung und erklärte hinterher: nie wieder.
    Etwa um dieselbe Zeit, oder schon etwas früher, er-
    schien ein Engländer in Wust, ließ sich die Gruft auf-
    schließen und trat an den geöffneten Sarg. Er war
    offenbar ein Kenner, suchte unter den Halswirbeln
    umher, fand endlich den, den das Richtschwert
    durchschnitten hatte, und führte ihn im

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