Wanderungen durch die Mark Brandenburg
welchem
Gliede der Familie, war zuletzt gleichgiltig. Die Ver-
mählung erfolgte, und ein reiches, heiteres, glückli-
ches Paar hielt seinen Einzug in Wust.
Was Wust an Trümmern alter Herrlichkeit noch auf-
weist, stammt aus der Epoche, die nun begann. Aus
dem Garten wurd ein großer Park mit künstlichen
Teichen; seltene Bäume, aus England über Hamburg
bezogen, reihten sich zu Alleen, und zwischen den
Stämmen der alten, vorgefundenen Ulmen, die nun
zu Laubengängen hergerichtet waren, erhoben sich
Statuen, unter Vorantritt von Flora und Pomona. Ein
Verkehr begann, für den das Rheinsberger Leben das
Vorbild und das Leben in Tamsel, in Schwedt, in Friedrichsfelde die Parallelen lieferte: Schäferspiele, 2147
Theater im Freien, Grotten und Tempel, Coquetterie
und Courmachen, Kunstprätensionen ohne Sinn und
Verständnis, wenig Witz und viel Behagen. Eine gan-
ze Seite des Hauses bestand aus Gesellschaftszim-
mern, an den Wänden hin hingen große Tableaux,
und die Tafel, wenn im Gartensaal gedeckt wurde,
zeigte fürstliche Pracht. Auf der Tafel selbst aber, als Tafelaufsatz, standen die zwölf Apostel in Silber. Das
Silberzeug, das auflag, hatte den Wert eines Ritter-
gutes. Es verlohnte sich schon, diesen Reichtum zu
entfalten, denn der Verkehr des Hauses ging über
den benachbarten Landesadel hinaus, und prinzliche
Kutscher und Vorreiter waren damals eine häufige
Erscheinung an dieser Stelle. Die Dame des Hauses
war mit der Gemahlin des Prinzen Ferdinand, einer
geborenen Prinzessin von Brandenburg-Schwedt,
intim befreundet, und man divertierte sich bei diesen
Gelegenheiten um so mehr, als es in der Frideriziani-
schen Zeit ein eigentliches Hofleben nicht gab und,
bei der Seltenheit großer Couren und dem Fehlen
einer allgemeineren Hofgeselligkeit die kleinen Hof-haltungen (an denen dann auch der reichere Landes-
adel teilnahm) für das aufkommen mußten, woran es
im großen und ganzen gebrach.
Das waren heitere, stolze Stunden, aber doch weit
über die Mittel der alten märkischen Familien hi-
nausgehend, und so kam es, daß Insolvenzen alsbald
an der Tagesordnung waren. Die Elle ward überall
länger als der Kram. Auch in Wust. Schon Ende der
siebziger Jahre begann der Brunnen ziemlich trocken
zu gehn; eine Zeitlang kam wieder Zufluß, aber er
2148
entsprach nicht den Ansprüchen, die an ihn gemacht
wurden.
So, zwischen Hangen und Bangen, vergingen die
Jahre, während das Äußerste mehr und mehr herein-
zubrechen drohte. Es blieb freilich aus, aber nur, weil der Tod dazwischentrat. Das Paar, das unter so vielen Ansprüchen in diesen Besitz eingetreten war,
starb mutmaßlich zu Anfang oder in der Mitte der
neunziger Jahre und hinterließ Wust seinen zwei
Söhnen.
Wust 1820
1820 waren auch diese beiden Söhne hinüber. Wun-
derliche Zeiten hatte Wust derweilen gesehen.
Der älteste der beiden Söhne war auch ein Hermann
von Katte. Er hatte von seinen Eltern die Vergnü-
gungssucht, den Hang zur Verschwendung geerbt.
Die schon zerrütteten Finanzen wieder in Ordnung zu
bringen, dazu war er am wenigsten angetan. Jener
Rolas-du-Rosey-Reichtum, der dreißig Jahre lang den
Extravaganzen der Eltern widerstanden hatte, jetzt
brach er zusammen. Dieser Hermann von K. hatte
den Beinamen der »Spieler«. In der Umgegend von
Wust mied man ihn, und so kam es, daß er Kunstrei-
sen in die großen Städte machte. Solange es sich
ermöglichte, trat er standesgemäß auf, ja über Stand
und Verhältnisse hinaus. In Leipzig erschien er mit
Equipage und vierspännig, und als alles verspielt
2149
war, setzte er noch die Equipage auf eine Karte und
kam per Fahrpost nach Wust zurück. Die Verpflich-
tungen häuften sich, und die Schuldhaft wurde ge-
gen ihn ausgesprochen. Tagelang ging die Auktion.
Er selber wurde inhaftiert und nach Stettin auf die
Festung abgeführt.
Dies war zu Anfang des Jahrhunderts, und Wust ging
um diese Zeit an den jüngeren Bruder Ferdinand von
Katte über. Ob er die Erbschaft des devastierten Gu-
tes gleich antrat, ist nicht mit Bestimmtheit zu erse-
hen; erst nach Schluß der Napoleonischen Kriege
scheint er auf dem Gute Wohnung genommen zu
haben. Er führte den Beinamen der »Stiefel-Katte«.
Völlig geistesgestört, war er nur von einer einzigen Leidenschaft beherrscht, und zwar von dem Verlangen, so viele Stiefel wie möglich zu besitzen, große
und kleine, alte und neue, für jede neue Situation
oder
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