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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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welchem
    Gliede der Familie, war zuletzt gleichgiltig. Die Ver-
    mählung erfolgte, und ein reiches, heiteres, glückli-
    ches Paar hielt seinen Einzug in Wust.
    Was Wust an Trümmern alter Herrlichkeit noch auf-
    weist, stammt aus der Epoche, die nun begann. Aus
    dem Garten wurd ein großer Park mit künstlichen
    Teichen; seltene Bäume, aus England über Hamburg
    bezogen, reihten sich zu Alleen, und zwischen den
    Stämmen der alten, vorgefundenen Ulmen, die nun
    zu Laubengängen hergerichtet waren, erhoben sich
    Statuen, unter Vorantritt von Flora und Pomona. Ein
    Verkehr begann, für den das Rheinsberger Leben das
    Vorbild und das Leben in Tamsel, in Schwedt, in Friedrichsfelde die Parallelen lieferte: Schäferspiele, 2147
    Theater im Freien, Grotten und Tempel, Coquetterie
    und Courmachen, Kunstprätensionen ohne Sinn und
    Verständnis, wenig Witz und viel Behagen. Eine gan-
    ze Seite des Hauses bestand aus Gesellschaftszim-
    mern, an den Wänden hin hingen große Tableaux,
    und die Tafel, wenn im Gartensaal gedeckt wurde,
    zeigte fürstliche Pracht. Auf der Tafel selbst aber, als Tafelaufsatz, standen die zwölf Apostel in Silber. Das
    Silberzeug, das auflag, hatte den Wert eines Ritter-
    gutes. Es verlohnte sich schon, diesen Reichtum zu
    entfalten, denn der Verkehr des Hauses ging über
    den benachbarten Landesadel hinaus, und prinzliche
    Kutscher und Vorreiter waren damals eine häufige
    Erscheinung an dieser Stelle. Die Dame des Hauses
    war mit der Gemahlin des Prinzen Ferdinand, einer
    geborenen Prinzessin von Brandenburg-Schwedt,
    intim befreundet, und man divertierte sich bei diesen
    Gelegenheiten um so mehr, als es in der Frideriziani-
    schen Zeit ein eigentliches Hofleben nicht gab und,
    bei der Seltenheit großer Couren und dem Fehlen
    einer allgemeineren Hofgeselligkeit die kleinen Hof-haltungen (an denen dann auch der reichere Landes-
    adel teilnahm) für das aufkommen mußten, woran es
    im großen und ganzen gebrach.
    Das waren heitere, stolze Stunden, aber doch weit
    über die Mittel der alten märkischen Familien hi-
    nausgehend, und so kam es, daß Insolvenzen alsbald
    an der Tagesordnung waren. Die Elle ward überall
    länger als der Kram. Auch in Wust. Schon Ende der
    siebziger Jahre begann der Brunnen ziemlich trocken
    zu gehn; eine Zeitlang kam wieder Zufluß, aber er

    2148
    entsprach nicht den Ansprüchen, die an ihn gemacht
    wurden.
    So, zwischen Hangen und Bangen, vergingen die
    Jahre, während das Äußerste mehr und mehr herein-
    zubrechen drohte. Es blieb freilich aus, aber nur, weil der Tod dazwischentrat. Das Paar, das unter so vielen Ansprüchen in diesen Besitz eingetreten war,
    starb mutmaßlich zu Anfang oder in der Mitte der
    neunziger Jahre und hinterließ Wust seinen zwei
    Söhnen.

    Wust 1820
    1820 waren auch diese beiden Söhne hinüber. Wun-
    derliche Zeiten hatte Wust derweilen gesehen.
    Der älteste der beiden Söhne war auch ein Hermann
    von Katte. Er hatte von seinen Eltern die Vergnü-
    gungssucht, den Hang zur Verschwendung geerbt.
    Die schon zerrütteten Finanzen wieder in Ordnung zu
    bringen, dazu war er am wenigsten angetan. Jener
    Rolas-du-Rosey-Reichtum, der dreißig Jahre lang den
    Extravaganzen der Eltern widerstanden hatte, jetzt
    brach er zusammen. Dieser Hermann von K. hatte
    den Beinamen der »Spieler«. In der Umgegend von
    Wust mied man ihn, und so kam es, daß er Kunstrei-
    sen in die großen Städte machte. Solange es sich
    ermöglichte, trat er standesgemäß auf, ja über Stand
    und Verhältnisse hinaus. In Leipzig erschien er mit
    Equipage und vierspännig, und als alles verspielt

    2149
    war, setzte er noch die Equipage auf eine Karte und
    kam per Fahrpost nach Wust zurück. Die Verpflich-
    tungen häuften sich, und die Schuldhaft wurde ge-
    gen ihn ausgesprochen. Tagelang ging die Auktion.
    Er selber wurde inhaftiert und nach Stettin auf die
    Festung abgeführt.
    Dies war zu Anfang des Jahrhunderts, und Wust ging
    um diese Zeit an den jüngeren Bruder Ferdinand von
    Katte über. Ob er die Erbschaft des devastierten Gu-
    tes gleich antrat, ist nicht mit Bestimmtheit zu erse-
    hen; erst nach Schluß der Napoleonischen Kriege
    scheint er auf dem Gute Wohnung genommen zu
    haben. Er führte den Beinamen der »Stiefel-Katte«.
    Völlig geistesgestört, war er nur von einer einzigen Leidenschaft beherrscht, und zwar von dem Verlangen, so viele Stiefel wie möglich zu besitzen, große
    und kleine, alte und neue, für jede neue Situation
    oder

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