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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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die richtig vor sich
    gewandelt haben, kommen zum Frieden und ruhen
    in ihren Kammern.‹«
    Die Sonne war am Untergehen; die schönste Zeit des
    Tages, zumal für eine märkische Landschaft. Wir
    ließen deshalb die Gräber, unterbrachen unser Ge-
    spräch und stiegen die Kirchturmtreppe hinauf, um
    uns, nachdem wir die Luken geöffnet, der im Golde
    darlegenden Schwielow-Ufer zu freuen. Wie schön!
    Hier oben erst erneute sich das Gespräch. »Ja, von
    unserm Schupke wollt ich erzählen«, so hob unser
    Führer an. Ich nickte zustimmend.
    »Gott hab ihn selig, das war ein Mann, und durch
    schwere Schulen war er gegangen! Wen Gott liebhat,
    den züchtigt er. Und das muß ich sagen, wenn der
    Himmel je einen preußischen Förster liebgehabt hat,
    dann hat er Schupken liebgehabt.«
    »War er ein Alt-Geltower?« fragte ich, um wenigs-
    tens etwas von Teilnahme auszudrücken.

    2212
    »Da seh ich, daß Sie ihn nicht gekannt haben. Er war
    ein Schlesier, aus dem Riesengebirge oder so herum,
    und sprach das Rübezahl-Deutsch bis an sein seliges
    Ende. Nie ist ein reines a über seine Lippen gekom-
    men.«
    »Wie kam er denn in diese Gegenden?«
    »Wie so viele andre hierherkommen. Er wurde nicht
    lange gefragt. Sie hoben ihn aus, und ein schmuckes
    Junge, wie er war, nahmen sie ihn zur Garde. Er
    stand bei den Jägern.«
    »Und durch schwere Schulen ist er gegangen, sagten
    Sie?«
    »Das will ich meinen! Lassen Sie sich erzählen. Der
    grüne Jägerrock sticht in die Augen; Grün geht noch
    über Blau; kurz und gut, Schupke wurde ein glückli-
    cher Liebhaber. Der Himmel hing ihm voller Geigen.
    Ob er das Mädchen heiraten wollte, weiß ich nicht,
    aber sie hielt zu ihm, und eines Tages, der Böse hat-
    te sein Spiel, schenkte sie ihm Uhr und Kette. Eine
    goldene Uhr. Es sei ein Erbstück; ein Onkel von ihr
    sei gestorben.
    Das hätte nun unsern Schupke wohl stutzig machen
    sollen; aber der Mensch ist eitel, und wenn er
    hübsch ist und erst zweiundzwanzig Jahr, dann ist
    er's doppelt, kurzum, Schupke nahm die Uhr und
    freute sich dran; die kleine goldene Kette paradierte
    zwischen dem dritten und sechsten Knopf, und wenn
    ihm ein Gedanke durch den Kopf ging, so dachte er:

    2213
    ›Es sterben so viele; warum soll er nicht gestorben
    sein?‹
    Es sterben so viele Onkel, aber ihr Onkel, des Mädchens Onkel, war nicht gestorben, und schon am
    andern Tage hieß es: des alten Wolffenstein goldene
    Uhr wird vermißt, Uhr und Kette; und eine Stunde
    später hieß es: man weiß, wer sie hat; sie hat es
    gestanden.
    Das ging wie ein Lauffeuer durch die Stadt; es kam
    auch in die Jägerkaserne. Schupke wurde lei-
    chenblaß. Ein unbescholtener Mann, makellos, aller
    Leute Liebling – und nun entehrt. ›Ich hab es nicht
    gewußt‹; aber wer hätt es geglaubt? Der Schein war
    gegen ihn. Es schüttelte ihn am ganzen Leibe; er riß
    das Fenster auf, um wieder frei zu atmen; es half
    nichts; ein furchtbares Anklagewort gellte ihm vor
    den Ohren; er hörte das Ticken der unglückseligen
    Uhr auf seiner Brust; er tat sie weg – es tickte noch.
    Es mußte sein; er nahm seine Büchse und ging hinaus.
    Aber das Leben ist süß. Er irrte draußen umher, erst
    an der Havel hin, dann links in den Forst hinein.
    Jetzt!‹ Er riß seinen Rock auf. Nein, noch nicht. So
    vergingen Stunden.
    ›Wo ist Schupke?‹ hieß es derweilen in der Kaserne.
    Man öffnete seinen Schrank. Da lagen Uhr und Kette.
    Man sah auf den Büchsenstand. Eine Büchse fehlte; Schupkes. Alles war klar.

    2214
    Der Hauptmann seiner Compagnie, Graf Schlieffen,
    warf sich aufs Pferd. Der Weg war wie vorgeschrie-
    ben. Er sagte sich: ein Jäger ist in den Wald gegangen. 500 Schritt hinterm Schützenhause begegnete
    ihm ein Mann, der Reisig auf seiner Karre heimkarr-
    te. ›Guten Tag, Papa, habt Ihr nicht einen Gardejä-
    ger hierherum gesehen?‹
    ›Woll, den hebb ick sehn. Reiten S' man to, Herr
    Hauptmann. Mit den Jäger is et nich richtig. Ick kaek
    upp 'n Kirchhof. Do läg he an een von de Gräbers up
    sine Knie, un ick hürte, wie he lies beden und spree-
    ken deih. Un denn legt he sinen Kopp up det Grab,
    immer deeper in 't Gras. Mit den Jäger is et nich
    richtig. Reiten S' man to, Herr Hauptmann.‹
    Also doch. Graf Schlieffen jagte vor. In einer Minute
    hielt er an dem halb angelehnten Torflügel. Da lag
    der Gardejäger noch auf seinen Knien, wie der Rei-
    sigsammler erzählt hatte, und betete. ›Schupke!‹
    rief der Graf.
    Schupke sprang auf und griff nach

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