Wanderungen durch die Mark Brandenburg
sehen«, so sagte er. Wir horchten auf, da
wir von einer solchen Begräbnisstätte nie gehört hat-
ten, folgten dann aber unserem neu gewonnenen
Führer, bis wir draußen an einen Vorsprung gelang-
ten, eine Art Bastion, wo der Kirchhofshügel steil
abfällt. Hier, an höchster Stelle, die einen Überblick
über das Dorf und seine Gärten gestattet, bemerkten
wir nunmehr einen eingefriedigten, mit Eschen und
Zypressen umstellten Platz, dessen schlichtes, mit
Convolvulus und wildem Wein umranktes Gitter drei
Efeugräber einschloß. In ihnen ruhten Vater, Mutter,
Sohn. Die letzten ihres Namens. Das Ganze wirkte
durch seine große Einfachheit.
2206
Der Vater, Karl Hartwig Gregor Freiherr von Meuse-
bach, lange Zeit Präsident des Rheinischen Kassati-
ons- und Revisionshofes, war ein Kenner der deut-
schen Literatur, zugleich ein Sammler ihrer Schätze,
wie kaum ein zweiter. Wir finden über ihn folgendes:
»Seine bibliographischen Bestrebungen umfaßten
das ganze Gebiet von Erfindung der Buchdrucker-
kunst bis auf die Gegenwart, doch so, daß er dem
Volks - und geistlichen Liede , den Schriften Luthers, vor allen aber Fischarts sowie den nach seiner Meinung zu sehr verachteten und vergessenen Schrift-
stellern des siebzehnten Jahrhunderts einen gewis-
sen Vorrang zugestand. Alle erheblich scheinenden
Bücher, welche seine scharfsinnigen Untersuchungen
ihn kennen gelehrt hatten, suchte er zu erwerben.
So gedieh seine Bibliothek zu einer seltenen Voll-
ständigkeit und zu einem fein gegliederten inneren
Zusammenhange.«
Von 1819 an lebte er in Berlin, wenn ich nicht irre, in einem der Häuser, die bei dem Neuen-Museums-Bau
verschwunden sind. Hier besuchte ihn anfangs der
zwanziger Jahre Hoffmann von Fallersleben, der über
diesen Besuch in seinen »Aufzeichnungen und Erin-
nerungen« berichtet.
»Schon in Koblenz hatte ich viel gehört von einem
Herrn von Meusebach, der von dort aus als Geheimer
Rat an den Rheinischen Kassationshof in Berlin ver-
setzt worden sei.
Er besitze, so hieß es, eine große Bibliothek, reich an altdeutschen Werken, sei ein großer Kenner und im-2207
mer noch ein eifriger Sammler. Ich erfuhr bald seine
Wohnung: er wohnte in dem Hause der Frau Fried-
länder hinter der kleinen Brücke, die über den Kup-
fergraben auf den Museumsplatz und die Neue Fried-
richsstraße zu führte. Ich ging eines Morgens zwi-
schen neun und zehn hin, ließ mich anmelden, wurde
aber abgewiesen. Ich wiederholte noch zweimal mei-
nen Besuch; immer aber hieß es: ›Der Herr Geheime
Rat schläft noch.‹ Ich ließ mich nicht abschrecken
und versuchte es zum vierten Male, aber erst um elf
Uhr. Diesmal hatte ich sagen lassen, der Herr von
Arnim habe mich ja schon angemeldet. Nach einiger
Zeit kehrte der Bediente zurück: ich möchte eintre-
ten.
Herr von Meusebach war in eifrigem Gespräch begrif-
fen mit Frau von Savigny, begrüßte mich, ließ mich
stehen und setzte sein Gespräch fort. Frau von Sa-
vigny war so gesprächig, daß sich gar kein Ende ab-
sehen ließ. Endlich nach einer Viertelstunde war der
Born ihrer Beredsamkeit versiegt und sie empfahl
sich.
Meusebach wendete sich nun an mich. Ich sprach
einfach aus, was ich von ihm wünschte, nämlich sei-
ne Bücher zu sehen. Das gefiel ihm. Ehe er mir aber
etwas zeigte, öffnete er die Tür zur Bibliothek und
holte links aus der Ecke zwei gestopfte Pfeifen und
bot mir die eine an. Als wir so recht damit im Zuge
waren, schloß er eine Tapetentür auf; in diesem un-
bemerkten Wandschrank wurden die Lieblingsbücher
und kostbarsten und seltensten aufbewahrt. Zuerst
zeigte er mir das Luthersche Gesangbuch von 1545.
2208
›Was sagen Sie dazu?‹ Ich freute mich, staunte, be-
wunderte. Es folgte nun eine ganze Reihe derartiger
Bücher, die ich alle noch nie gesehen hatte. Die Bü-
cherschau dauerte bereits über anderthalb Stunden,
da trat Friedrich, der Bediente, ein: ›Herr Geheimer
Rat, es ist angerichtet.‹ Das störte uns nicht, wir
fuhren in unserem angenehmen Geschäfte fort.
Friedrich kam wieder: ›Herr Geheimer Rat, das Essen
steht schon längst auf dem Tische.‹ – ›Gut. Nun
kommen Sie mit.‹ Ich hatte früher nie Sauerkraut
essen können, heute schmeckte es mir vortrefflich,
sowie der leichte Moselwein (einen andern führte der
Herr Geheime Rat nicht). Frau von Meusebach lach-
te, daß ich es heute so schön getroffen hätte. Die
Unterhaltung war sehr heiter. Ich
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