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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ließen zuzeiten viel zu wünschen
    übrig, aber alle hatten sie denselben Familienstolz,
    und nach außen hin waren sie einig. Sie waren das herrschende Geschlecht.
    So gingen die Dinge seit unvordenklichen Zeiten; das
    alte Europa brach zusammen, Throne schwankten,
    die »Weiße« blieb. Sie blieb während der Franzosen-
    zeit, sie blieb während der Befreiungsjahre, sie
    schien fester als irgendeine etablierte Macht. Aber
    schon lauerte das Verderben.
    In jenen stillen Jahren, die der großen Aufregung
    folgten, wo man's gehenließ, wo die Wachsamkeit
    lullte, da geschah's. Eines Tages, wie aus dem Boden
    aufgestiegen, waren zwei Konkurrenzmächte da: die
    Grünthaler und die Jostysche .
    Jetzt, wo sich ein freierer Überblick über ein halbes
    Jahrhundert ermöglicht, ist die Gelegenheit gegeben,
    auch ihnen gerecht zu werden. Es ist jetzt die Mög-
    lichkeit da, die Dinge aus dem Zusammenhange zu
    erklären, das Zurückliegende aus dem Gegenwärti-
    gen zu verstehn. Beide Neugetränke hatten einen
    ausgesprochenen Heroldscharakter, sie waren Vor-
    läufer, sie kündigten an. Man kann sagen: Berlin war

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    für die Bayersche noch nicht reif, aber das Seidel
    wurde bereits geahnt. Die Grünthaler, die Jostysche,
    sie waren eine Kulmbacher von der milderen Obser-
    vanz; die Jostysche, in ihrem Hange nach Milde, bis
    zum Koriander niedersteigend. Beide waren, was sie
    sein konnten. Darin lag ihr Verdienst, aber doch auch
    ihre Schwäche. Ihr Wesen war und blieb – die Halb-
    heit. Und die Halbheit hat noch nie die Welt erobert,
    am wenigsten Berlin.
    So herrschten denn die alten Mächte vorläufig wei-
    ter. Aber nicht auf lange. Die Notwendigkeit einer
    Wandlung hatte sich zu fühlbar herausgestellt, als
    daß es hätte bleiben können, wie es war. Die Welt,
    wenn auch nach weiter nichts, sehnte sich wenigs-
    tens nach Durchbrechung des Monopols, und siehe
    da, was den beiden Vorläufern des Seidels nicht hat-
    te glücken wollen, das glückte nunmehr, in ebendie-
    sen Interregnumstagen, einer dritten Macht, die, an das Alte sich klug und weise anlehnend, ziemlich
    gleichzeitig mit jenen beiden ins Dasein sprang.
    Diese dritte Macht (der Leser ahnt bereits, welche)
    hatte von vornherein den Vorzug, alles Fremdartigen
    entkleidet, auf unserem Boden aufzutreten; – mär-
    kisch national, ein Ding für sich, so erschien die
    Werdersche . Sie war dem Landesgeschmack ge-
    schickt adaptiert, sie stellte sich einerseits in Gegensatz gegen die Weiße und hatte doch wiederum so
    viel von ihr an sich, daß sie wie zwei Schwestern
    waren, dasselbe Temperament, dasselbe prickelnde
    Wesen, im übrigen reine Geschmackssache: blond
    oder braun. In Kruken auftretend und über dreimal

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    gebrauchten Korken eine blasse, längst ausgelaugte
    Strippe zu leichtem Knoten schürzend, war sie, die
    Werdersche, in ihrer äußerlichen Erscheinung schon,
    der ausgesprochene und bald auch der glückliche
    Konkurrent der älteren Schwester, und die bekann-
    ten Kellerschilder, diese glücklich-realistische Mi-
    schung von Stilleben und Genre, bequemten sich
    mehr und mehr, neben der blonden Weißen die
    braune Werdersche ebenbürtig einzurangieren. Die
    Verhältnisse, ohne daß ein Plan dahin geleitet hätte,
    führten über Nacht zu einer Teilung der Herrschaft.
    Die Werdersche hielt mehr und mehr ihren Einzug
    über die Hintertreppe; in den Regionen der Küche
    und Kinderstube erwuchs ihr das süße Gefühl, eine
    Mission gefunden und erfüllt zu haben; sie wurde
    Nahr bier in des Wortes verwegenster Bedeutung, und das gegenwärtige Geschlecht, wenn auch aus
    zweiter Hand erst , hat Kraft und Leben gesogen aus der »Werderschen«.
    Dessen seien wir gedenk. Das Leben mag uns losrei-
    ßen von unserer Amme; aber ein Undankbarer, der
    sie nicht kennen will oder bei ihrem Anblick sich
    schämt.

    Sieh nur, sieh, wie behend sich die Menge
    Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
    Wie der Fluß, in Breit' und Länge,

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    So manchen lustigen Nachen trägt;
    Und bis zum Sinken überladen,
    Entfernt sich dieser letzte Kahn.
    »Faust«

    Soviel über die »Werdersche«. Wir kehren zu den
    »Werderschen« zurück.
    Vom Knie bis zur Stadt ist nur noch eine kurze Stre-
    cke. Wir schritten auf die Brücke zu, die zugleich die
    Werft, der Hafen- und Stapelplatz von Werder ist.
    Hier wird aus- und eingeladen, und die Bilder, die
    diesen Doppelverkehr begleiten, geben dieser Stelle
    ihren Wert und ihre Eigentümlichkeit. Der

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