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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Außenrevier, wohl mehr
    denn fünfzig. Daß sie der Landschaft zu besonderer
    Zierde gereichten, läßt sich nicht behaupten. Der

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    Fabrikschornstein mag alles sein, nur ein Verschöne-
    rungsmittel ist er nicht, am wenigsten, wenn er
    schöntut, wenn er möchte . Und wie dieser reiche Betrieb, der unbestreitbar, trotz Stillstände und
    Rückschläge, ein sich steigerndes Prosperieren ein-
    zelner oder selbst vieler geschaffen hat, die Land-
    schaft nicht schmückt, so schmückt er auch nicht die
    Dörfer, in denen er sich niedergelassen hat. Er
    nimmt ihnen ihren eigentlichen Charakter, in richti-
    gem unsentimentalen Verstande ihre Unschuld, und
    gibt ihnen ein Element, dessen Abwesenheit bisher, und wenn sie noch so arm waren, ihr Zauber und
    ihre Zierde war – er gibt ihnen ein Proletariat. Ob
    dasselbe städtisch oder dörfisch auftritt, ob es mehr
    verbittert oder mehr elend ist, sind Unterschiede, die
    an dem Traurigen der Erscheinung nicht viel zu än-
    dern vermögen.
    Auch Dorf Glindow hat von diesem allem sein ge-
    schüttelt Maß. An und für sich ausgestattet mit dem
    vollen Reiz eines havelländischen Dorfes, hinge-
    streckt zwischen See und Hügel, schieben sich doch
    überall in das alt-dörfliche Leben die Bilder eines
    allermodernsten frondiensthaften Industrialismus
    hinein, und die schönen alten Bäume, die mit ihren
    mächtigen Kronen so vieles malerisch zu überschat-
    ten und zu verdecken verstehen, sie mühen sich hier
    umsonst, diesen trübseligen Anblick dem Auge zu
    entziehen.
    Am See hin, um die Veranden der Ziegellords, rankt
    sich der wilde Wein, Laubengänge, Clematis hier und
    Aristolochia dort, ziehen sich durch den Parkgarten,

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    Tauben stolzieren auf dem Dachfirst oder umflattern
    ihr japanisches Haus – aber diese lachenden Bilder
    lassen die Kehrseite nur um so dunkler erscheinen:
    die Lehmstube mit dem verklebten Fenster, die ab-
    gehärmte Frau mit dem Säugling in Loden, die hage-
    ren Kinder, die lässig durch den Ententümpel gehn.
    Es scheint, sie spielen; aber sie lachen nicht; ihre
    Sinne sind trübe wie das Wasser, worin sie waten
    und plätschern.

    1. Es ist oft gesagt worden, daß der Stadt Berlin
    das Material zu raschem Emporblühen beinah
    unmittelbar vor die Tore gelegt worden sei.
    Das ist richtig. Da sind Feldsteinblöcke für
    Fundament- und Straßenbau, Rüdersdorfer
    Kalk zum Mörtel, Holz in Fülle, Torf- und Salz-
    lager in unerschöpflicher Mächtigkeit. Ohne
    diesen Reichtum, der in dem Grade, wie er
    jetzt vorliegt, lange ein Geheimnis war, wäre
    das riesige Wachstum der Stadt, bei der ur-
    sprünglich geringen Fruchtbarkeit ihres Bo-
    dens, bei ihrer Binnenlage und ihrer immerhin
    beschränkten Wasserverbindung, nahezu eine
    Unmöglichkeit gewesen. Daran, daß es mög-
    lich wurde, hat Glindow seinen Anteil: der
    große Ziegelofen der Residenz. Das soge-
    nannte »Geheimratsviertel« ist großenteils
    aus Glindower Steinen aufgeführt, und ein
    ganzes »Berlin der Zukunft« steckt noch in
    den Glindower Bergen. (Glindow heißt übri-

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    gens Lehmdorf, von dem wendischen Worte
    Glin , der Lehm. Kaum irgendein Wort, wie
    schon Seite 214 hervorgehoben, kommt häu-
    figer vor in der Mark. Außer dem Landesteile
    »der Glien «, mit der Hauptstadt Kremmen,
    gibt es zahlreiche Dörfer dieses Namens. Ver-
    gleiche das Kapitel »Groß Glienicke«.)

    2. Dieser Aufsatz wurde 1870 geschrieben. Seit-
    dem haben sich die Dinge wieder zugunsten
    der Ziegeleibesitzer geändert.

    3. Die Feuerung geschieht von oben her durch
    eine runde Öffnung; ein eiserner Stülpdeckel
    von der Form eines Zylinderhuts (dessen
    Krempe übergreift) schließt die Öffnung und
    wird abgenommen, sooft ein Nachschütten
    nötig ist. Man sieht dann, wie durch eine
    schmale Esse, in die Kammer hinein und hat
    die aufgetürmten, rotglühenden Steine unter
    sich. Der Anblick, den man sich nur verschaf-
    fen kann, indem man auf die Gewölbedecke
    der Kammer tritt, hat etwas im höchsten Gra-
    de Unheimliches und Beängstigendes. Man
    steht über einer Hölle und blickt in sie hinab.
    Eine Schicht Steine, vielleicht kaum einen Fuß
    dick, trennt den Obenstehenden von dieser
    Unterwelt, und der Gedanke hat etwas Grau-
    siges: Wenn jetzt dies Gewölbe –.

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    Vierter Teil:
    Spreeland
    Vorwort
    Wie sich Band II und III der Oder und Havel zuwen-
    det, so wendet sich dieser IV. Band der Spree zu, dem Laufe des Flusses von Ost nach Westen hin folgend.
    In dem der Lausitz

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