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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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daß
    sich in diesen Lehmlagern Bernstein findet, und zwar in erheblicher Menge. Die meisten Stücke sind hasel-nußgroß und somit ohne besonderen Wert, es finden
    sich aber auch Stücke von der Größe einer Faust,
    dabei sehr schön, die bis zu fünfundzwanzig Talern
    verkauft werden. Wer solch Stück findet, hat einen
    Festtag.
    Soviel über die Lehmberge des Innen reviers. Ganz anders ist das Auftreten der Lager im Außen revier jenseit der Havel. Der dort vorkommende Lehm ist
    sogenannter Wiesenlehm, der nur sechs Fuß unter
    der Rasenoberfläche liegt, aber auch selber nur in
    einer Schicht von sechs bis acht Fuß auftritt. Er ist
    wegen des geringen »Abraums«, der fortzuschaffen
    ist, leichter zugänglich; all diese Lager sind aber ver-2258
    hältnismäßig leicht erschöpft, auch ist das Material
    nicht voll so gut.
    Dieser Unterschied im Material – wie mir alte Ziegel-
    brenner versicherten – ist übrigens viel bedeutungs-
    loser, als gewöhnlich angenommen wird. Wie bei so
    vielem in Kunst und Leben kommt es darauf an, was
    Fleiß und Geschick aus dem Rohmaterial machen.
    Das Beste kann unvollkommen entwickelt, das
    Schwächste zu einer Art Vollkommenheit gehoben
    werden. So auch beim Ziegelbrennen. Die berühm-
    testen Steine, die hierzulande gebrannt werden, sind
    die »roten Rathenower« und die »gelben Birkenwer-
    derschen«. Aber was ihnen ihre Vorzüglichkeit leiht,
    ist nicht das Material, sondern die Sorglichkeit, die Kunst, mit der sie hergestellt werden. Jedem einzelnen Stein wird eine gewisse Liebe zugewandt. Das
    macht's. Der birkenwerdersche Ton beispielsweise ist
    unscheinbar; aber geschlemmt, gesäubert, gemahlen
    wird er zu einem allerdings feinen Materiale entwi-
    ckelt, und die Art des Streichens und Brennens
    macht ihn schließlich zu etwas in seiner Art Vollende-
    tem. Man geht dabei so weit, daß die Messer beim
    Formen des Steines jedesmal geölt werden, um dem
    Ziegel dadurch die Glätte, Ebenheit und Schärfe zu
    geben, die ihn auszeichnet.
    Auch in Glindow und seinen Dependenzien wird ein
    vorzüglicher Stein gebrannt, aber dennoch nicht ein
    Stein, der den Rathenowern und Birkenwerderschen
    gleichkäme. Die Herstellung im Dorfe Glindow selbst
    erfolgt durch etwa 500 Arbeiter aller Art. Wir unter-
    scheiden dabei: fremde Ziegelstreicher, einheimische 2259
    Ziegelstreicher und Tagelöhner . Über alle drei Kate-gorien ein Wort.
    Fremde Ziegelstreicher werden hier seit lange verwandt. Die einheimischen Kräfte reichen eben nicht
    aus. Früher waren es »Eichsfelder«, die kamen und
    hier, ähnlich wie die Warthebruch-Schnitter oder
    Linumer Torfgräber, eine Sommercampagne durch-
    machten. Aber die »Eichsfelder« blieben schließlich
    aus oder wurden abgeschafft, und an ihre Stelle tra-
    ten die »Lipper«. Die behaupten noch jetzt das Feld.
    Die Lipper, nur Männer, kommen im April und blei-
    ben bis Mitte Oktober. Sie ziehen in ein massives
    Haus, das unten Küche, im ersten Stock Eßsaal, im
    zweiten Stock Schlafraum hat. Sie erheben gewisse
    Ansprüche. So muß jedem ein Handtuch geliefert
    werden. An ihrer Spitze steht ein Meister, der nur
    Direktion und Verwaltung hat. Er schließt die Kon-
    trakte, empfängt die Gelder und verteilt sie. Die Ar-
    beit ist Akkordarbeit, das Brennmaterial und die Ge-
    rätschaften werden sämtlich geliefert; der Lehm wird
    ihnen bis an die »Sümpfe« gefahren; der Ofen ist zu
    ihrer Disposition. Alles andere ist ihre Sache. Am
    Schlusse der Campagne erhalten sie für je 1 000
    fertiggebrannte Steine einzweidrittel bis zwei Taler.
    Die Gesamtsumme bei acht bis zehn Millionen Steine
    pflegt bis 15 000 Taler zu betragen. Diese Summe
    wird aber schwer verdient. Die Leute sind von einem
    besonderen Fleiß. Sie arbeiten von drei Uhr früh bis
    acht oder selbst neun Uhr abends, also nach Abzug
    einer Eßstunde immer noch nah an siebzehn Stun-
    den. Sie verpflegen sich nach Lipper Landessitte, das

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    heißt im wesentlichen westfälisch. Man darf sagen,
    sie leben von Erbsen und Speck, die beide durch den
    »Meister« aus der lippeschen Heimat bezogen wer-
    den, wo sie diese Artikel besser und billiger erhalten.
    Mitte Oktober treten sie, jeder mit einer Überschuß-
    summe von nahezu 100 Talern, den Rückweg an und
    überlassen nun das Feld den einheimischen Ziegel-streichern.
    Die Einheimischen arbeiten ebenfalls auf Akkord, aber unter ganz andern Bedingungen. Sie erhalten
    nicht die ganze Arbeit, sondern die Einzelarbeit be-
    zahlt und

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