Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Weges zieht, das zieht dann auf dieser Was-
    serstraße hinab und hinauf. Selbst die reichen Her-
    den dieser Gegenden wirbeln keinen Staub auf, son-
    dern werden ins Boot getrieben und gelangen in ihm
    von Stall zu Stall oder von Wiese zu Wiese. Der tägli-
    che Verkehr bewegt sich auf diesem endlosen Fluß-
    netz und wird nur momentan unterbrochen, wenn

    2279
    auf blumengeschmücktem Kahn, Musik vorauf, die
    Braut zur Kirche fährt oder wenn still und einsam,
    von Leidtragenden in zehn oder zwanzig Kähnen ge-
    folgt, ein schwarzverhangenes Boot stromabwärts
    gleitet.
    Einzelne Häuser werden sichtbar; wir haben Lehde,
    das erste Spreewaldsdorf, erreicht. Es ist die Lagu-
    nenstadt in Taschenformat, ein Venedig, wie es vor
    1500 Jahren gewesen sein mag, als die ersten Fi-
    scherfamilien auf seinen Sumpfeilanden Schutz such-
    ten. Man kann nichts Lieblicheres sehn als dieses
    Lehde, das aus ebenso vielen Inseln besteht, als es
    Häuser hat. Die Spree bildet die große Dorfstraße,
    darin schmalere Gassen von links und rechts her
    einmünden. Wo sonst Heckenzäune sich ziehn, um
    die Grenzen eines Grundstückes zu markieren, zie-
    hen sich hier vielgestaltige Kanäle, die Höfe selbst
    aber sind in ihrer Grundanlage meistens gleich. Dicht
    an der Spreestraße steht das Wohnhaus, ziemlich
    nahe daran die Stallgebäude, während klafterweis
    aufgeschichtetes Erlenholz als schützender Kreis um
    das Inselchen herläuft. Obstbäume und Düngerhau-
    fen, Blumenbeete und Fischkasten teilen sich im üb-
    rigen in das Terrain und geben eine Fülle der rei-
    zendsten Bilder. Das Wohnhaus ist jederzeit ein
    Blockhaus mit kleinen Fenstern und einer tüchtigen
    Schilfdachkappe; das ist das Wesentliche; seine
    Schönheit aber besteht in seiner reichen und maleri-
    schen Einfassung von Blatt und Blüte: Kürbis rankt
    sich auf, und Geißblatt und Convolvulus schlingen
    sich mit allen Farben hindurch. Endlich zwischen
    Haus und Ufer breitet sich ein Grasplatz aus, an den

    2280
    sich ein Brückchen oder ein Holzsteg schließt, und
    um ihn herum gruppieren sich die Kähne, kleiner und
    größer, immer aber dienstbereit, sei es um bei Tag
    einen Heuschober in den Stall zu schaffen oder am
    Abend einem Liebespaare bei seinem Stelldichein
    behilflich zu sein.
    3. »Die Leber ist von einem Hecht«
    Die letzten Häuser von Lehde liegen hinter uns, und
    wieder dehnen sich Wiesen zu beiden Seiten aus, nur
    hier und da durch Erlengruppen oder ein paar ein-
    zelnstehende Eichen unterbrochen. In südöstlicher
    Richtung geht es stroman, eine Biegung noch und
    jetzt eine zweite, bis sich unser Flachkahn durch al-
    lerlei Tang und Kraut in einen schmalen und gradlini-
    gen Kanal einschiebt, der die Verbindungsstraße zwi-
    schen den zwei Hauptarmen der Spree bildet.
    Dieser Kanal, eine halbe Meile lang, zählt mit zu den
    besonderen Schönheiten des Spreewaldes. Im all-
    gemeinen wird sich sagen lassen, daß eine mit dem
    Lineal gezogene Linie landschaftlich ohne Reiz sei,
    jede Regel aber hat ihre Ausnahme (gewißlich hat sie
    sie hier), und ein Vergleich mag diese Wasserstraße
    beschreiben. Jeder kennt die langgestreckten Laub-
    gänge, die sich unter dem Namen »Poetensteige« in
    allen altfranzösischen Parkanlagen vorfinden. Ein
    solcher Poetensteig ist nun der Kanal, der eben jetzt
    in seiner ganzen Länge vor uns liegt, und, ein niedri-
    ges und dicht gewölbtes Laubdach über uns, so glei-
    ten wir im Boot die Straße hinauf, die, nach Art einer
    Tute sich zuspitzend, an ihrem äußersten Ausgang

    2281
    ein phantastisch verkleinertes und nur noch halb
    erkennbares Pflanzengewirre zeigt. Alles in einem
    wunderbaren Licht.
    Endlich erreichen wir diesen Ausgang und fahren in
    abermaliger scharfer Biegung in einen breiten, aber
    überall mit Schlangenkraut überwachsenen Flußarm
    ein, der uns in weniger als einer Stunde nach der
    »Eiche«, einem mitten im Spreewald gelegenen und
    von der Frau Schenker in gutem Ansehen erhaltenen
    Wirtshause, führt. Dasselbe zeigt den echten Spree-
    waldsstil und unterscheidet sich in nichts von den
    wendischen Blockhäusern des Dorfes Lehde. Nichts-
    destoweniger scheinen statt Sorben oder Wenden
    eingewanderte Sachsen von Anfang an an dieser
    Stelle heimisch gewesen zu sein, denn nicht nur, daß
    die fast allzu germanisch klingenden »Schenkers« in
    dritter Generation schon in diesem Hause haushal-
    ten, auch ein alter, mühsam zu entziffernder Spruch
    über dem Eingange läßt über den deutschen

Weitere Kostenlose Bücher