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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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noch
    seine jüngere Schwester, nahm rasch ein zweites
    Ruder und setzte sich neben ihn. Ich sah bald, daß
    der Junge seiner Sache vollkommen sicher war und
    den Schermützel ohne sonderliche Mühe bezwingen
    würde, trotzdem uns der Wind entgegenwehte.
    Dieser, anstatt stärker zu werden, wurde schwächer,
    aber je mehr er sich legte, desto blendender wurde
    die Sonne, so daß ich im Sonnenlicht, das überallhin
    flimmerte, bald nichts weiter sah als das Eingreifen
    der Ruder und die klugen und energischen Köpfe der
    beiden Kinder. Es entging ihnen auch nicht, daß sie
    mir gefielen, aber ich sagte nichts, und wir waren
    schon bis über die Mitte des Sees, als ich endlich
    fragte:
    »Wie tief ist denn eigentlich euer See?«
    »Na, wie uns' Huus.«
    »Oh, mihr, mihr«, flüsterte die Schwester.
    »Und könnt ihr denn auch schwimmen? Oder du we-
    nigstens?«
    »Nei.«
    »Ja, da kannst du ja mal ertrinken.«

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    »Oh, ick wihr doch nich.«
    »Nu nimm mal an, wenn euer Boot umkippt.«
    »Uns' Boot kippt nich.«
    Und dabei sahen sie sich an und kicherten und ru-
    derten weiter.
    Eine Weile verging so, während der Junge nachzu-
    sinnen schien, was nun er wohl zur Unterhaltung beisteuern könne. Dann sah er mit eins in die Höh
    und sagte: »Dat 's 'ne Möw.«
    »Freilich. Ich kenne Möwen. Aber woher kennst du
    sie? Sie sind ja nur selten hier.«
    »Wi hebben een.«
    »Lebendig?«
    »Ne, utstoppt. Und wi hebben ook en Reiger, un is
    ook utstoppt un hat 'ne Schlang in 't Muul.«
    »Aber Vögel ausstopfen ist nicht leicht. Wer macht
    denn das hier?«
    »Mien' Vader sien Vader. De künn all so wat.«
    »Ist er tot?«

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    Er nickte. Da wir aber bereits in der Nähe des dich-
    ten Schilfufers waren, an dem er den Einfahrtspunkt
    nicht verfehlen durfte, so schwieg er jetzt und sah
    bei jedem Ruderschlage nach rückwärts. Und nun
    war er heran, gab dem Boote geschickt eine Wen-
    dung und glitt zwischen dem knisternden Schilf hin
    auf die Pieskower Landungsstelle zu.
    Das Ufer war nicht hoch und erkletterte sich leicht.
    Als ich oben war, grüßt ich noch einmal zurück und
    schlenderte dann zwischen zwei Heckzäunen hin auf
    einen Grasplatz zu, der allem Anscheine nach die
    Mitte des Dorfes bildete. Häuser und Gehöfte faßten
    ihn ein, unter denen ich gerade der Kirche gegen-
    über auch ein preußisches Schulhaus in seiner eigen-
    tümlichen Mischung von Backsteinsauberkeit und
    Stiljammer erkannte. Die Nachmittagssonne stand
    prall auf die Scheiben und sah stechend und inspek-
    tionsmäßig in die langweilig leeren Räume hinein.
    Es kam niemand, als ich klopfte. »Wohnt hier der
    Lehrer?« fragt ich endlich eine vorhergehende Frau.
    »Geihen S' man in 'n Goarden.« Und richtig, da
    stand er in Front eines Bienenschobers und grub ein
    von ein paar kleinen Kirschbäumen eingefaßtes
    Stück Land um.
    Ich fand einen freundlichen Mann, der auch gleich
    bereit war, mir das zu zeigen, um was sich's einzig
    und allein für mich handeln konnte: die Kirche. Diese
    war keine von den altehrwürdigen aus Feldstein, die
    stets einen Reiz und eine Schönheit haben, sondern
    ein Neubau, den man hier unter Benutzung der alten

    2310
    Fundamente vor länger oder kürzer errichtet hatte.
    Von rechts her lehnte sich ein Turm an, eigentlich
    nur ein Türmchen von der Art, wie man ihnen auf Weinbergen und Wirtschaftshöfen als Eingang in
    Sprit- oder Eiskeller begegnet.
    Es war also mit nur geringen Erwartungen, daß ich
    die Kirche betrat. Aber freilich auch dies Wenige soll-
    te kaum erfüllt werden. An der einen Wand hingen
    ein paar Totenkronen und Immortellenkränze, wäh-
    rend über dem Altar ein Abendmahlsbild paradierte,
    darauf Judas um kein Haarbreit schlimmer aussah
    als die zwölf andern, Christus mit eingerechnet. Ich
    übersah rasch, daß hier wenig zu machen sei, wollt
    aber das Meine getan haben und sagte: »Sie wissen
    doch, daß es früher eine Löschebrandsche Kirche war
    und daß viele Löschebrands hier begraben wurden?«
    »Ich habe davon gehört, unser alter Emeritus...«
    »Und da wundert es mich, hier nichts als kahle Wän-
    de zu finden. Einer aus der Familie war mit Feldmar-
    schall Illo verschwägert, ein andrer fiel bei Fehrbel-
    lin, und ein dritter soll sich gegen die Türken ausge-
    zeichnet und dem Köprülü die große Prophetenfahne
    mit eigner Hand entrissen haben. Ich nenne nur die-
    se drei. Nach meinen Erfahrungen nun auf diesem
    Gebiete geht man in unsren märkischen Familien
    über solche

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