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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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auf einer Hut-

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    sche ritt und einem hölzernen Pferde das wenige von
    Haaren auszog, womit des Bildners Hand es an Hals
    und Hinterteil ausgestattet hatte.
    Mein »Guten Tag« war nicht unfreundlich, aber doch
    gleichgültig beantwortet worden, und es schien in
    der Tat nicht, als ob wir weiterkommen sollten. End-
    lich faßt ich mir ein Herz und sagte: »Die Sonne will
    auch gar kein Ende nehmen. Ich glaube, Regen wäre
    gut.«
    »I, Sünn is ook goot.«
    »O gewiß. Aber alles zu seiner Zeit. Wir haben die
    Sonne nun schon vier Wochen, und nichts kommt
    'raus, und eigentlich müßte doch alles schon in Blüte
    stehn.«
    »Joa. Man blot in Pieskow nich.«
    »Aber das klingt ja, liebe Frau, wie wenn hier über-
    haupt nichts blühte.«
    »Na, binoah is et ook so.«
    Moll mischte sich hier ins Gespräch und entwickelte
    seine Lieblingsideen über den Segen des Kapitals
    und den Unsegen der Kapitalisten. Geld sei gut, das
    sei keine Frage, ja Geld sei sogar sehr gut. Ohne Geld ging' es eben nicht. Aber die reichen Leute, die
    bloß reich wären und kein Herz und kein Gewissen hätten und bloß immer reicher werden wollten, die

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    verderben alles und plünderten alles, und eh nicht
    ein richtiger Edelmann hier wieder ins Pieskowsche
    käm...
    »I wo«, unterbrach ihn die Frau heftig und zog ihre
    Hände von der Schürze weg. »I wo. Wat salln wi mit
    'n Edelmann? Wat is Edelmann! In olle Tiden, na,
    doa gung dat, un doa wihr dat nich anners. Awers
    nu? Du mien Jott, de hebben joa alleen nix. Un wenn se wat hebben, na, denn hebben se wat, und denn
    sinn se groad so, as de annern sinn, de wat hebben.«
    Moll wollte replizieren. Aber sie ließ ihn nicht dazu
    kommen und sagte: »Nei, nei, loaten S' man, wi
    weeten dat; 't is all dumm Tüg; un man blot Geld
    hebben is nich dumm Tüg. Un wenn wi so wat Adligs herkreegen, wat ook man ümmer upp Mosess'n passen deiht, na, dat helpt uns nich. De schinn uns blot.
    Glöwen S' man, ick weet dat... Een von mine
    Schwistern is dröwen...«
    »In Saarow?«
    »I wo. Dröwen in Amirika. Doa verstoahn se't. Un worümm? Wiehl se wat hebben. Un wo se wat hebben, doa künn se ook wat. Und ick woll, ick wihr ook all doa. Joa, min Seel. Un et kümmt ook noch so.
    Man blot, dat man ihrst röwer wihr. Nei, nei, mit
    Pieskow is nich veel.«
    Und dabei steckte sie die Hände wieder unter die
    Schürze.

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    3. Groß Rietz
    Eine halbe Stunde später verabschiedeten wir uns
    und fuhren aus dem unwirtlichen Pieskow, in dem
    nicht mal mehr ein Grabstein von besseren Zeiten
    redete ( wenn es bessere Zeiten waren), in die sandig hügelige Feldmark hinaus.
    »Hören Sie, Moll«, hob ich an, »das war 'ne forsche
    Frau.«
    »Woll, forsch war sie. Man bloß zu sehr, un eigentlich
    wütig; un nahm ja gar keine Raison an.«
    »Ja, hören Sie, das sagen Sie wohl; Sie sind ein be-
    häbiger Mann. Aber solch armes Volk, das jeden Tag
    seine Not fühlt, das wird eben wütend und mucksch
    und starrt vor sich hin. Übrigens lassen wir's, und
    sagen Sie mir lieber, was ist das mit dem alten Eme-
    ritus? Der pieskowsche Lehrer konnte ja gar nicht
    von ihm los. Ist er denn noch bei Wege?«
    »Freilich. Und wir kommen sogar an dem kleinen
    Hause vorbei, das er sich aus Feldstein hat aufmau-
    ern lassen. Und hat selber mitgeholfen. Und wenn
    ich es so liegen seh in Kapperfolium und Efeu, muß
    ich immer an Robinson und Freitag denken.«
    »Und da wohnt er? Und ist schon sehr alt?«
    »Sehr alt und weiß alles. Er hat noch den Kaiser Na-
    poleon gesehn, als er aus Rußland kam, und als Stu-

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    dente war er mit in Griechenland und ist auch mal
    mit in die Luft geflogen. Aber sie haben ihn wieder
    'rausgefischt. Und ich hab ihn öfter sagen hören:›Ein
    jeder hat so sein Schicksal, und wer Pastor in
    Pieskow werden soll, an den kann kein Türke 'ran.
    Und Feuer und Wasser auch nich.‹«
    »Ei, das muß ja ein reizender alter Herr sein, und
    wohl sehr aufgeklärt und freisinnig. Oder vielleicht
    auch ein bißchen zu sehr. Ist es so was? He?«
    Moll lächelte vor sich hin und schien ausdrücken zu
    wollen: auf eine so feine Frage laß ich mich nicht ein.
    Eine kleine Weile danach erreichten wir einen Wald,
    über dessen schmalen Fahrweg von rechts und links
    her eine Menge Wurzelwerk gewachsen war. Das gab
    nun ein entsetzliches Geholper und Gestolper, und
    ich flog hin und her, aber ich freute mich doch, aus
    Wind und Sonne heraus zu sein.
    Es waren hochstämmige Kiefern und Tannen gewe-
    sen,

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