Wanderungen durch die Mark Brandenburg
womit der Wald begonnen hatte; bald aber kam
Laubholz und inmitten desselben eine moorige Lich-
tung, auf deren höher gelegenen Stellen allerlei ver-
trocknete Büsche von Besen- und Heidekraut stan-
den. Auch Elsen- und Birkenholz lag hier in Klaftern
am Wege hin, und auf einer dieser Klaftern, die
schon bis auf wenige Kloben abgefahren war, saß ein
alter Herr mit Käpsel und Starbrille, neben sich ein
Kind, eine zehnjährige Kleine, während ein großer
Bastard-Neufundländer, dem die Schäferspitzkreu-
zung noch ein Erhebliches an Intelligenz und Ent-
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schlossenheit zugelegt hatte, zu Füßen beider sich
ausstreckte. Die Kleine war reizend und schien dem
Alten etwas zuzuflüstern.
Als wir vorüber waren, sagte Moll mit halblauter
Stimme: »Das war er.«
»Wer?«
»Nu, der Emeritus. Er geht hier öfter...«
Aber eh er noch aussprechen konnte, war ich schon
vom Sitz herunter und lief die paar Schritt zurück,
um dem Unbekannten und doch bereits so Bekann-
ten unter Entschuldigungen über meine Zudringlich-
keit einen Platz auf dem Wagen anzubieten, immer
vorausgesetzt, daß er denselben Weg mit mir habe.
»Danke«, sagte der Alte. »Das Aufsteigen ist mir zu
schwer und zu gefährlich; ich sehe schlecht, und die
scharfe Brille hilft auch nicht viel. Aber die Beine sind noch in Ordnung. Ist es Ihnen recht, so gehen wir
ein Stück zusammen und plaudern ein bißchen. Ich
plaudere gern. Irme steigt auf den Bock, das Kind
kennt nichts Lieberes, und wir marschieren auf dem
Fahrdamm hinterher.«
Er schien meine Zustimmung als selbstverständlich
vorauszusetzen, erhob sich also und nahm meinen
Arm, und als gleich danach auch Irme zu dem artig
beiseite rückenden Moll hinaufgeklettert war, setzte
sich unser Zug in eine langsame Bewegung. Eine
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Fühlung zwischen dem Emeritus und mir war rasch
gewonnen, und so nannt ich ihm meinen Namen und
den Zweck meiner Fahrt.
»Ach, das freut mich, daß jemand in unsere wenig
gekannte Gegend kommt. Es ist ein eigen Land, ich
kenn es und lieb es und möcht es für die Tage, die
mir noch beschieden, mit keinem andern vertau-
schen; aber es ist arm und unfruchtbar in jedem
Betracht und ich fürchte fast, daß es auch an Histori-
schem Ihnen nicht viel herausgeben wird.«
»Es ist leider, wie Sie sagen. Ich war ein paar Stun-
den in Pieskow und dachte da wenigstens von den
Löschebrands allerlei zu hören. Aber die Gruft ist
zugeschüttet, und die Grabsteine sind fort. Und es
muß doch seinerzeit eine berühmte Familie gewesen
sein.«
»Gewiß, gewiß, und ich habe sie selber noch in guten
Umständen gekannt, wenigstens unsre pieskowsche
Linie, trotzdem es schon auf die Neige ging. Und das
alles seit Anno 93.«
»Ei, das klingt ja gerad, als ob wir in Frankreich wä-
ren. In Frankreich, wie Sie wissen, datiert alles von
quatre-vingttreize. Steht es damit in irgendeinem
Zusammenhange?«
»Nicht in dem geringsten. Es handelt sich bei diesem
Anno 93 um nichts mehr und nichts weniger als um
die pieskowsche Glocke, von der eine alte Prophezei-
ung sagte: ›Solange die klingt, so lange dauert der
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Löschebranden Glück.‹ Und die Prophezeiung hielt
auch Wort und die Löschebrands waren nicht bloß
die Herren hier um den Schermützel herum, sie wa-
ren auch große Herren überhaupt und galten bei Hof
und waren versippt und verschwägert mit allem, was
reich und vornehm im Lande war. Ihr Liebstes aber
war der ›Dienst‹, und weil es immer schöne, stattli-
che Leute waren, so waren ihnen auch die schönsten
und stattlichsten Regimenter immer nur gerade gut
genug, und alles, was als Löschebrand in der saa-
row-pieskowschen Taufliste stand, stand zwanzig
Jahre später in der Rangliste der Garde du Corps und
Gensdarmes. Es waren echte Junkers, eigensinnig
und hochmütig, und ließen die Leute reden, und
trotzdem sie nach Sitte jener Zeit über ihre Mittel
hinaus lebten und eine wunderliche Wirtschaft führ-
ten, erhielten sie sich doch in einem guten und zu-
letzt wenigstens in einem leidlichen Vermögenszu-
stande, weil sich in alten Familien immer wieder was
zusammenerbt.«
»Aber freilich...«
»... Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht,
und als Pfingsten 93 kam und am Abend vorher das
Fest eingeläutet werden sollte, da klapperte die Glo-
cke, die beim Volke seit lange nur ›der Löschebran-
den Glück‹ hieß und sieben Menschenalter lang über
den Schermützel hin geklungen
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