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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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womit der Wald begonnen hatte; bald aber kam
    Laubholz und inmitten desselben eine moorige Lich-
    tung, auf deren höher gelegenen Stellen allerlei ver-
    trocknete Büsche von Besen- und Heidekraut stan-
    den. Auch Elsen- und Birkenholz lag hier in Klaftern
    am Wege hin, und auf einer dieser Klaftern, die
    schon bis auf wenige Kloben abgefahren war, saß ein
    alter Herr mit Käpsel und Starbrille, neben sich ein
    Kind, eine zehnjährige Kleine, während ein großer
    Bastard-Neufundländer, dem die Schäferspitzkreu-
    zung noch ein Erhebliches an Intelligenz und Ent-

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    schlossenheit zugelegt hatte, zu Füßen beider sich
    ausstreckte. Die Kleine war reizend und schien dem
    Alten etwas zuzuflüstern.
    Als wir vorüber waren, sagte Moll mit halblauter
    Stimme: »Das war er.«
    »Wer?«
    »Nu, der Emeritus. Er geht hier öfter...«
    Aber eh er noch aussprechen konnte, war ich schon
    vom Sitz herunter und lief die paar Schritt zurück,
    um dem Unbekannten und doch bereits so Bekann-
    ten unter Entschuldigungen über meine Zudringlich-
    keit einen Platz auf dem Wagen anzubieten, immer
    vorausgesetzt, daß er denselben Weg mit mir habe.
    »Danke«, sagte der Alte. »Das Aufsteigen ist mir zu
    schwer und zu gefährlich; ich sehe schlecht, und die
    scharfe Brille hilft auch nicht viel. Aber die Beine sind noch in Ordnung. Ist es Ihnen recht, so gehen wir
    ein Stück zusammen und plaudern ein bißchen. Ich
    plaudere gern. Irme steigt auf den Bock, das Kind
    kennt nichts Lieberes, und wir marschieren auf dem
    Fahrdamm hinterher.«
    Er schien meine Zustimmung als selbstverständlich
    vorauszusetzen, erhob sich also und nahm meinen
    Arm, und als gleich danach auch Irme zu dem artig
    beiseite rückenden Moll hinaufgeklettert war, setzte
    sich unser Zug in eine langsame Bewegung. Eine

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    Fühlung zwischen dem Emeritus und mir war rasch
    gewonnen, und so nannt ich ihm meinen Namen und
    den Zweck meiner Fahrt.
    »Ach, das freut mich, daß jemand in unsere wenig
    gekannte Gegend kommt. Es ist ein eigen Land, ich
    kenn es und lieb es und möcht es für die Tage, die
    mir noch beschieden, mit keinem andern vertau-
    schen; aber es ist arm und unfruchtbar in jedem
    Betracht und ich fürchte fast, daß es auch an Histori-
    schem Ihnen nicht viel herausgeben wird.«
    »Es ist leider, wie Sie sagen. Ich war ein paar Stun-
    den in Pieskow und dachte da wenigstens von den
    Löschebrands allerlei zu hören. Aber die Gruft ist
    zugeschüttet, und die Grabsteine sind fort. Und es
    muß doch seinerzeit eine berühmte Familie gewesen
    sein.«
    »Gewiß, gewiß, und ich habe sie selber noch in guten
    Umständen gekannt, wenigstens unsre pieskowsche
    Linie, trotzdem es schon auf die Neige ging. Und das
    alles seit Anno 93.«
    »Ei, das klingt ja gerad, als ob wir in Frankreich wä-
    ren. In Frankreich, wie Sie wissen, datiert alles von
    quatre-vingttreize. Steht es damit in irgendeinem
    Zusammenhange?«
    »Nicht in dem geringsten. Es handelt sich bei diesem
    Anno 93 um nichts mehr und nichts weniger als um
    die pieskowsche Glocke, von der eine alte Prophezei-
    ung sagte: ›Solange die klingt, so lange dauert der

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    Löschebranden Glück.‹ Und die Prophezeiung hielt
    auch Wort und die Löschebrands waren nicht bloß
    die Herren hier um den Schermützel herum, sie wa-
    ren auch große Herren überhaupt und galten bei Hof
    und waren versippt und verschwägert mit allem, was
    reich und vornehm im Lande war. Ihr Liebstes aber
    war der ›Dienst‹, und weil es immer schöne, stattli-
    che Leute waren, so waren ihnen auch die schönsten
    und stattlichsten Regimenter immer nur gerade gut
    genug, und alles, was als Löschebrand in der saa-
    row-pieskowschen Taufliste stand, stand zwanzig
    Jahre später in der Rangliste der Garde du Corps und
    Gensdarmes. Es waren echte Junkers, eigensinnig
    und hochmütig, und ließen die Leute reden, und
    trotzdem sie nach Sitte jener Zeit über ihre Mittel
    hinaus lebten und eine wunderliche Wirtschaft führ-
    ten, erhielten sie sich doch in einem guten und zu-
    letzt wenigstens in einem leidlichen Vermögenszu-
    stande, weil sich in alten Familien immer wieder was
    zusammenerbt.«
    »Aber freilich...«
    »... Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht,
    und als Pfingsten 93 kam und am Abend vorher das
    Fest eingeläutet werden sollte, da klapperte die Glo-
    cke, die beim Volke seit lange nur ›der Löschebran-
    den Glück‹ hieß und sieben Menschenalter lang über
    den Schermützel hin geklungen

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