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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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des Gedankens entspricht die Ausführung,

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    die er erfährt. Eine geschäftsbefreundete »Firma«,
    die ein Ignorieren nicht wohl gestattet, empfängt
    den Bau in Entreprise, und tot und steif werden nun
    die Rund- und Spitzbögen aus dem Nürnberger
    Spielkasten genommen.
    Eben wieder lag ein reichgegliederter »Tudor-Turm«,
    dessen hochaufgehißtes Banner allem Stolz von York
    und Lancaster zu trotzen schien, glücklich hinter uns,
    als die Wasserfläche des Langen Sees sich verbrei-
    terte und unseren Architektur-Unmut, soweit er ü-
    berhaupt an Bord unseres Schiffes geteilt wurde, in
    dem Imposanten des landschaftlichen Bildes unter-
    gehen ließ. Wir waren in das eigentliche Regattater-
    rain eingefahren und befanden uns in Nähe jener
    haffartigen Stelle, wo sich, angesichts der Schmöck-
    witzer Brücke, vier über Kreuz gestellte Seeflächen:
    der Lange See, der Seddin-See, die Krampe und der
    Zeuthener See, ein Rendezvous geben.
    Der Nordwester wuchs, rascher ging die Fahrt,
    feuchter und erquicklicher wurde die Luft.
    Das Bild nahm uns gefangen: wir waren begierig, es
    von einer Hochstellung aus besser überblicken zu
    können. Eine Strickleiter war nicht da, die wir hätten
    erklettern können; so festigten wir, rechts und links,
    ein Klammer- und Hakenbrett an die zwischen Mast
    und Wanten straff gespannten Schrägtaue und nah-
    men auf diesen Brettern hüben und drüben unseren
    Stand. Kapitän Backhusen, den Tubus in der Hand,
    gab nicht nur die Ordres, sondern auch die Informa-
    tionen. »Das ist die Krampenbaude, das ist Philipps-

    2362
    hütte, das ist der Schmöckwitzer Turm; hier in Front
    aber, wo Sie die Rohrinsel schwimmen sehen, das ist
    ›Robins Eiland‹, wo unser Flaggenschiff an den Re-
    gattatagen zu liegen pflegt. Dahinter steigt der Müg-
    gelsheimer Forst an, und wo er sich wieder senkt,
    das ist Kahniswall.«
    »Kahniswall?« fragte ich einigermaßen überrascht.
    »Gewiß, Kahniswall. Kennen Sie es? Eine Kolonisten-
    anlage; früher ein Fischerhaus.«
    »Ja, dann kenn ich es. Nicht von Ansehn, aber aus
    einer Erzählung. Und Robins Eiland, das dort im
    Rohrgehege mit den drei Pappelweiden schwimmt,
    muß dann just die Insel sein, wo meine Robinsonade
    spielt.«
    Wir stiegen wieder auf Deck, und die Aufforderung
    erging an mich, zu erzählen, wobei es nicht an Zwei-
    feln und scherzhaften Vorwürfen fehlte, ihnen, »den
    Halbautochthonen dieser Gegenden«, etwas Neues
    über die nördliche Wendei verraten zu wollen.
    »Wir wissen hier Bescheid, wie in unserer eigenen
    Tasche; wir könnten Zivilstandsregister führen und
    Chroniken schreiben, und nun kommen Sie, um uns
    auf unserem eigenen Terrain eine Niederlage zu be-
    reiten. Kahniswall, eine Robinsonade; was ist es da-
    mit?«

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    »Ich habe vor Jahren, als ich Geschichten aus dem
    Teltow sammelte, durch Güte eines Freundes davon
    erfahren. Es war eine briefliche Mitteilung und trug
    die Überschrift: ›Der Fischer von Kahniswall‹.«
    »Nun, so lassen Sie hören.«
    »Gut denn.«

    Der Fischer von Kahniswall
    »Fischer Kahnis hielt eine Fähre, da, wo der Bahns-
    dorfer Spreearm in den Seddin-See eintritt. Das
    Häuschen, das er bewohnte, war des sumpfigen Un-
    tergrundes halber von ihm selber auf einem eigens
    hergerichteten Damm oder Wall aufgeführt worden,
    und weil alles damals noch ohne feste Bezeichnung
    war, erhielt diese Wallstrecke, wo sein Häuschen
    stand, den Namen Kahniswall. Die Kolonisten von
    Gosen und Neu Zittau, seine nächsten Nachbarn,
    vergaßen über diesen Ortsnamen sehr bald den Na-
    men dessen, der Wall und Häuschen erst geschaffen
    hatte, und nannten ihn, nach seiner Schöpfung, den
    ›Fischer von Kahniswall‹. Diese Bezeichnung verblieb
    ihm auch sein lebelang, trotzdem er, bei jungen Jah-
    ren schon, die nach ihm benannte Heimstätte ver-
    ließ. In der Geschichte jedoch, die Sie nun hören
    sollen, werd ich ihn, der Kürze halber, einfach bei
    seinem Namen nennen.

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    Kahnis hatte eine junge Frau, eine Kossätentochter
    aus Schmöckwitz, die sehr blond und sehr hübsch
    war, viel hübscher, als man nach ihrem Geburtsort
    hätte schließen sollen. Er war, bei Beginn unserer
    Erzählung, drei Jahre mit ihr verheiratet und hatte
    zwei Kinder, Krausköpfe, die er über die Maßen lieb-
    te. Seine Hanne aber liebte er noch viel mehr. Hatte
    sie doch, allem Dreinreden unerachtet, aus bloßer
    Neigung zu ihm – er war ein stattlicher Spreewende
    – eine Art Mesalliance

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