Wanderungen durch die Mark Brandenburg
nichts von der Welt wollen!« Und Lieutenant
Apitz und unser Supercargo, trotzdem sie als Typen
ausgesprochenster Gesellschaftsneigung gelten
konnten, stimmten begeistert bei. Denn mit Nach-
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druck ausgesprochene Sätze sind ihres Einflusses
immer sicher.
Wir waren inzwischen bis in unmittelbare Nähe der
Schmöckwitzer Brücke gekommen. Kapitän Backhu-
sen gab ein Zeichen mit Horn und Sprachrohr, und
gleich darauf, während die halbe Dorfjugend herzu-
drängte, hob sich eine der Brückenklappen und ges-
tattete uns, unter Salut und Zoll, die Einfahrt aus
dem Seddin-See in den Zeuthener See zu machen.
Unsere erste Station war erreicht: Schmöckwitz. Die
»Sphinx« legte an; wir stiegen ans Ufer, um auf eine
halbe Stunde wieder terra firma unter den Füßen zu
haben.
Schmöckwitz, eine Art Kapitale dieser Gegenden,
wirkt doch ganz nur wie ein Dünendorf an der Ost-
seeküste. Öd und ärmlich. Hinter Sandhügeln ver-
steckt, in tiefen Löchern und Einschnitten liegen ein-
zelne Häusergruppen, während sich alte und junge
Kiefern, oft mehr waagerecht als aufrecht stehend,
an den sandigen, mit Strandhafer überwachsenen
Abhängen entlangziehen. Inmitten des Ganzen die
Kirche, ein trister Bau, aus dem Anfang dieses oder
vielleicht auch des vorigen Jahrhunderts.
Sowenig einladend nun das Äußere derselben war, so
drang ich doch, nach vielfacher auch auf diesem Ge-
biete gemachter Erfahrung, die jedes Vorwegurteil
verpönt, auf Besuch des Inneren. Denn die trivialste
märkische Dorfkirche kann immer noch das Rüh-
rendste und die häßlichste immer noch das Schönste
verbergen. Hier freilich war ein solcher Ausnahmefall
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nicht gegeben. An weißgestrichenen Wänden hingen die üblichen Gedächtnistafeln; unter der Kanzel
stand ein bestaubter Altar, beiden gegenüber aber,
dicht gedrückt unter der Decke hin, blinkten die
dünnen Röhren eines Harmoniums, dieses verküm-
merten Enkelkindes der Orgel. In der Mitte der Kir-
che paradierte ein Kronleuchter, zum Andenken an
die Jahre 13, 14 und 15 gestiftet. Er zeigte die Form
einer Kosakenmütze und war mit einem in Blech ge-
schnittenen Eisernen Kreuz geschmückt. Derselben
Zeit gehörte auch eine Landsturmfahne an, die auf
ihrem roten Flanellappen einen schwarzen Adler und
die Bezeichnung »1. Division, 1. Brigade« trug. Was
hier so niederdrückend wirkte, war die melancholi-
sche Abwesenheit alles Freien und Selbständigen;
die Armut kann poetisch sein, die Armseligkeit nie.
Wir traten auf den Kirchhof hinaus, dessen Gräber,
wie die Häuser des Dorfes, gruppenweise versteckt
in den Senkungen des Hügels lagen. Nur hier und
dort ein Busch, ein Blumenbeet.
Um den Eindruck zu bannen, den das Innere der Kir-
che auf uns gemacht hatte, forschten wir nach Kah-
nis' Grab, freilich zunächst umsonst. Der Küster, der
erst wenige Monate im Dorfe war, hatte den Namen
nie gehört, zeigte sich indessen beflissen, in seiner
Schulklasse zu fragen. Als er wieder zu uns trat, war
er in Begleitung eines halbwachsenen Mädchens,
dessen flachsblonde Zöpfe zu einer dichten Krone
zusammengelegt waren. Sie begrüßte uns unbefan-
gen, schritt auf einen abseits gelegenen, halbverwil-
derten Fliederbusch zu und sagte dann, indem sie die
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Zweige auseinanderbog: »Das ist Kahnis' Grab.« Auf
einem eingefallenen Hügel, der mehr mit Moos als
mit Gras überwachsen war, lag ein halb umgestürz-
tes Kreuz; die Inschrift war längst vom Regen abge-
waschen. Als wir neugierig fragten, »woher sie die
Stelle so gut kenne«, zeigte sie, statt jeder anderen
Antwort, auf ein Hänflingsnest das sich in dem Ge-
zweig versteckte. Die beiden Alten flogen auf, um-
kreisten aber die Stätte. Kapitän Backhusen, als er
des geängstigten Pärchens ansichtig wurde, lüpfte
den Hut und sagte dann: »Das sind wir dem Anden-
ken Kahnis' schuldig, den Frieden dieses glücklichen
Haushaltes nicht länger zu stören.« Und damit traten
wir unseren Rückzug an.
Eine Viertelstunde später waren wir wieder an Bord
der »Sphinx« und fuhren nun, unseren Cours wech-
selnd, auf die Südspitze des Zeuthener Sees zu.
Auch hier noch ist der Segelklub zu Haus, dessen
anwesende Mitglieder nicht ermangelten, mir »Han-
kels Ablage«, »Haches Gruß«, den »Gingang-Berg«
und ähnlich wunderlich benannte Punkte vorzustel-
len. Aber der Zeuthener See ist doch schon Vorter-
rain; die Villen hören auf, der Einfluß der
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