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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Größe zu empfangen oder zu gewähren hat.

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    Nur nach dem Resultat dieser Berechnung werden
    die Preise verteilt, so daß es vorkommen kann, daß
    das drittschnellste Boot leer ausgeht und das dritt-
    langsamste gewinnt.«
    »Es würde mich freuen, an einer dieser Regatten
    teilnehmen zu dürfen.«
    »Da lad ich Sie auf nächstes Jahr an Bord der
    ›Sphinx‹. Sie sollen uns willkommen sein. Ja, es ist
    ein Vergnügen, wie es kein größeres gibt, solche
    Wettfahrt mit vollen Segeln, zumal wenn es stark
    windet und nun allerhand Unberechenbarkeiten hier
    zu Havarien führen, dort Boot und Mannschaft mit
    Niederlage bedrohen. So das letzte Mal. Wir muster-
    ten einunddreißig Fahrzeuge, ein wundervoller An-
    blick; aber nur fünfundzwanzig erreichten das Ziel.
    Die anderen sechs hatten Schiffbruch gelitten. Der
    ›Elektra‹, unserem schönsten und größten Boot,
    brach der Mast glatt über Deck ab und stürzte samt
    der Takelage in den Seddin-See; der ›Styx‹ rannte
    fest; der ›Forelle‹ platzte von dem mächtigen Segel-
    druck die Wantenverbolzung und hob sich aus dem
    Schiffskörper heraus; der ›Sturmvogel‹ zog Wasser
    und mußte Gummiplatten auf die Lecks nageln, um
    sich zu halten. Ein nicht geringerer Unfall traf die
    ›Undine‹. Ihr riß der Leitwagen aus, der das Segel
    hält, und zwar gerad in dem kritischen Moment des
    Lavierens. Aber Willy Krüger, der sie führte, setzte
    sich als lebender Ballast auf den Leitwagen und ließ
    sich halb durch die Wellen schleppen. So glückte es
    ihm, die Regatta wenn nicht siegreich, so doch
    ruhmreich mit auszusegeln.«

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    »Das klingt gut. Es würde mich nach dem allen kaum
    wundernehmen, Ihren Seglerklub zu einer Vorschule
    für unsere Flotte heranwachsen zu sehen.«
    »Ich sage dazu nicht nein. Ein jeder nach seinen
    Kräften. Wie Sie wissen, haben die Mittelgrafschaften
    Englands ihren vollen Anteil an dem Flottenruhm der
    Nation. Lord Nelson war ein Predigerssohn. Das Bin-
    nenland hat die Sehnsucht nach der See, und aus
    dieser Sehnsucht erwächst immer das Beste. Nicht
    aus der alltäglichen Routine. Wollen Sie glauben, daß
    wir zwischen »Café Lubow« und der Krampenbaude
    mehr als einen Chinafahrer ausgebildet haben?«
    »Sie scherzen.«
    »Durchaus nicht. Ich nenne Namen. Einer dieser
    Chinafahrer war Viktor von Graefe, der, zu Mehrung
    des von Vater und Bruder her ererbten Ruhmes, das
    Seine getreulich beigetragen hat. Wenigstens nach
    unserer Vorstellung.«
    »Und zwar als Chinafahrer?«
    »Gewiß. Es mögen jetzt zwanzig Jahre sein, daß er in
    Stettin eine Brigg bauen ließ, sie befrachtete und mit
    ihr nach England ging. Er war Schiffsreeder und Ka-
    pitän zugleich. Mit ihm war unser alter Eichmann, ein
    Freund und Klubgenosse, der die Dienste eines Steu-
    ermanns versah. In England wurde die Fracht ge-
    wechselt; dann ging es in großer Tour erst bis Cey-
    lon, dann von Ceylon bis Hongkong. In den ostasiati-
    schen Gewässern verblieben die Freunde längere

    2357
    Zeit, wurden für die Linie Singapore-Kalkutta gechar-
    tert und befuhren dieselbe eine Reihe von Malen.
    Ihre Ladung war abwechselnd Tee und Reis. Sie ver-
    dienten ein bedeutendes Stück Geld und trafen nach
    Ablauf von dritthalb Jahren wohlbehalten an unserer
    pommerschen Küste wieder ein. Ihre Studien zu sol-
    cher Weltumsegelung aber – denn ich glaube fast,
    daß sie ihren Rückweg um das Kap Hoorn nahmen –
    hatten sie auf der Müggel und dem Seddin-See ge-
    macht.«
    Unter solchem Geplauder war Mitternacht herange-
    kommen; die Lichter am Ufer hin erloschen, nichts
    leuchtete mehr als die Johanniskäfer im Gebüsch und
    die Sterne zu unseren Häupten. Die Frische des A-
    bends steigerte sich zu nächtlicher Kühle, und ein
    Frösteln überlief uns, trotzdem längst energischere
    Getränke an die Stelle des von Mudy präsentierten
    Tees getreten waren. Kapitän Backhusen mahnte
    zum Aufbruch. In der Kajüte drückte noch die
    Schwüle des Tages, so daß wir übereinkamen, die
    Tür nicht zu schließen. Zum Schutze gegen Mücken
    und Motten wurde dicht am Steuer ein Windlicht auf-
    gestellt, das wir unmittelbar darauf von all den Un-
    holden umschwärmt sahen, die ohne diese Vor-
    sichtsmaßregel unsere Nachtruhe gestört haben
    würden. So aber schliefen wir unbelästigt unserem
    ersten Reisetag entgegen.

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    Von Köpenick bis Dolgenbrodt
    (Erster Reisetag)
    Als ich erwachte, war es heller Tag; die schon ziem-
    lich hoch stehende Sonne füllte die

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