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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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    So kam der Oktober 1806. Eh der Unglücksmonat zu
    Ende war, waren die Schelmen-Franzosen in Berlin
    und drei Tage später auch in Köpenick. Hier sah sie
    nun unser Kahnis. Es waren Kürassiere von der Divi-
    sion Nansouty. Als er hörte, daß ein paar Schwadro-
    nen auch auf die umliegenden Dörfer gelegt werden
    sollten, überkam ihn ein eigentümlich schreckhaftes
    Gefühl, eine Eifersuchtsahnung, ein Etwas, das er bis
    dahin nicht gekannt hatte. Wer wollt es ihm verar-
    gen? Er war gerade gescheit genug, um zu wissen,
    daß die Weiber, in ihrer ewigen Neugier, das Fremde
    und Aparte lieben, und sosehr er seiner Hanne unter
    gewöhnlichen Verhältnissen traute, sowenig glaubte
    er ihrer sicher zu sein, wenn es sich um einen Wett-
    streit mit den Nansoutyschen Kürassieren handelte,
    die alle sechs Fuß maßen und einen drei Fuß langen
    Roßschweif am Helme hatten. Ich muß sagen, daß er
    sich hierin, wie in vielen anderen Stücken, als ein
    einfacher, aber sehr verständiger Mann bewies.«
    Kapitän Backhusen nickte zustimmend.

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    »Kahnis sann also nach, wie er der Gefahr entgehen
    könne, überschlief es und sagte dann anderen Tages
    früh: ›Hanne, komm; ich mag die Kerls nicht sehen.
    Sie haben keinen Herrgott und stehlen Kinder. Hier
    an der Straße sind wir nicht sicher vor ihnen. Ich
    weiß aber einen guten Platz, wo sie uns nicht finden
    sollen. Ewig wird es ja nicht dauern.‹ Daß er aus
    eifersüchtiger Furcht seinen Vorschlag machte, da-
    von schwieg er. Er verfuhr wie immer die Ehemänner
    in ihrer Bedrängnis und tat alles ›um der Kinder wil-
    len‹. Hanne war eine gute Frau und zärtliche Mutter;
    zudem hielt ihre Erkenntnis gerade die Höhe von
    Schmöckwitz. Sie gab also unserem Kahnis einen
    herzhaften Kuß, zum Zeichen, daß sie mit allem ein-
    verstanden sei. Und das ist immer das Beste, was
    Frauen tun können.«
    Kapitän Backhusen nickte abermals zustimmend.
    »Gesagt, getan. Viel Zeit war ohnehin nicht zu verlie-
    ren. Unsere Fährleute gingen rasch ans Werk, und
    das Einschiffen ihrer Habseligkeiten begann. Das
    große Fährboot hatte ja Platz vollauf. Betten und
    Wiege, die Bibel und die Kuckucksuhr, die Kinder und
    die Ziege wurden geladen, und ehe die Sonne unter
    war, fuhren alle Insassen von Kahniswall, nichts wei-
    ter als die kahlen Wände zurücklassend, nach der
    Insel im Seddin-See hinüber. Da der Seddin-See nur
    eine Insel hat, so muß es Robins Eiland gewesen
    sein. Hier bezogen sie zunächst ein Camp, in dessen
    Mitte Kahnis aus Balken und Bohlen eine Wohnstätte
    zusammennagelte, die halb Blockhaus, halb Bretter-
    hütte war. Der Winter setzte alsbald hart ein; aber

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    wer wie Kahnis drei Jahre lang von dem Führpfennig
    der Gosener Kolonisten und dem Marktertrage seines
    Fischkastens gelebt hatte, der war eben nicht ver-
    wöhnt. Zudem verstand er sich darauf, den Unbilden
    der Witterung zu begegnen. Schilf, das er in dichten
    Bündeln auf sein Block- und Bretterhaus packte, da-
    zu ein darüber gebreitetes altes Segeltuch gaben
    Schutz gegen Regen und Kälte; eine Feuerstelle war
    bald aufgemauert, und lange bevor die Ostersonne
    im Seddin-See sich spiegelte, fand Kahnis, daß die
    alte Kuckucks-Wanduhr auf der Insel geradesogut
    schlüge wie daheim auf Kahniswall. Die Ziege gab
    Milch; an Fischen und Sumpfvögeln war Überfluß,
    und als die Brutzeit herankam, lagen die Enten- und
    Kiebitzeier zu vielen Hunderten rings um die Insel
    her. Allsonnabendlich brachte er seine Fische nach
    Köpenick, kaufte Wochenbrot und beobachtete das
    politische Wetterglas, vor allem die Köpenicker und
    ihre Einquartierung. Was er da sah und hörte, mach-
    te ihn nur fester in seinem Entschluß, das Kriegswet-
    ter erst vorüberziehen zu lassen; das Franzosenzeug
    war gerade so, wie er es sich gedacht hatte, aber
    das Weiberzeug war viel schlimmer. Er beglück-
    wünschte sich deshalb zu seiner Inseleinsamkeit und
    fuhr jedesmal fröhlich wieder heim.
    Im Spätsommer Anno 8 hieß es: ›Jetzt ziehen sie
    ab.‹ Kahnis aber schüttelte den Kopf und sagte: ›Sie
    sind noch da; und wenn sie nicht mehr da sind, so
    kommen sie wieder; Hanne, wir wollen bleiben, wo
    wir sind.‹ Und darin war unser Robinson auf Robins
    Eiland klüger als mancher Allerklügste. Denn sie ka-
    men wirklich wieder.

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    Kahnis freilich, als er so sprach, hatte nicht seine
    Klugheit, sondern nur seine Neigung befragt. Das
    Wahre von der Sache war: er wollte nicht mehr fort.
    Aus dem

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