Wanderungen durch die Mark Brandenburg
aufblicken und dann langsam-
geschäftig fortfahren, das abgefallene Laub zusam-
menzuharken. Die grauen Elsen, unter denen sie
auf- und abschreiten, sehen aus wie die Frauen
selbst, und ein banges, gespenstisches Gefühl über-
kommt uns, als wäre kein Unterschied zwischen ih-
nen und als rasteten die einen nur, um über kurz
oder lang die andern bei ihrer Arbeit abzulösen. Wir
fragen endlich, »ob dies der Weg nach den Müggels-
bergen sei«, worauf sie mit nichts andrem als mit
einer gemeinschaftlichen Handbewegung antworten.
Einen Augenblick stutzen wir in Erinnerung an die
wohlbekannten drei von der schottischen Heide, de-
ren Wink oder Zuruf immer nur in die Irre führt; aber
uns schnell vergegenwärtigend, daß die Türme Ber-
lins nur ein paar Meilen in unserem Rücken liegen,
folgen wir unter Dank und scheuem Kopfnicken der
uns angedeuteten Richtung. Und siehe da, noch
hundert Schritt, und es lichtet sich der Wald, und
vereinzelte Tannen und Eichen umzirken einen Platz,
in dessen Mittelpunkt ein Teich, ein See ruht.
Dieser See heißt der »Teufelssee«. Er hat den un-
heimlichen Charakter aller jener stillen Wasser, die
sich an Bergabhängen ablagern und ein Stück Moor-
land als Untergrund haben. Die leuchtend-schwarze
Oberfläche ist kaum gekräuselt, und verwaschenes
Sternmoos überzieht den Sumpfgürtel, der uns den
Zugang zum See zu verwehren scheint. Er will unge-
stört sein und nichts aufnehmen als das Bild, das die
dunkle Bergwand auf seinen Spiegel wirft. Der Teu-
2418
felssee hat auch seine Sage von einem untergegan-
genen Schloß und einer Prinzessin, die während der
Johannisnacht aufsteigt und die gelben Teichrosen
des Sees an den Saum ihres schwarzen Kleides
steckt. Die Kuhjungen aus Müggelsheim, die hierher-
um ihre Herden durch Wald und Sumpf treiben, ha-
ben das alles mehr denn einmal gesehen und das
Knistern ihres Seidenkleides gehört; wir aber, die wir
die Johannisnacht sträflich versäumt haben und erst
um die Mitte Oktober in diese Gegenden kommen,
müssen uns begnügen, den drei harkenden Frauen
begegnet zu sein, die so trefflich zur Herbstland-
schaft stimmten und spukhaft genug waldeinwärts
zeigten.
Unmittelbar hinter dem Teufelssee erheben sich die
Müggelsberge. Wir verschmähen den bequemen
Weg, der sich hinaufschlängelt, und nehmen den
Berg auf geradestem Wege wie im Sturm. Oft zu-
rückgleitend, wo die abgefallenen Kiennadeln am
dichtesten liegen, und im Zurückgleiten einen Bir-
kenstrauch oder eine junge Tanne fassend, so drin-
gen wir mutig vor, jede Stelle preisend, an der ra-
schelndes Eichenlaub statt der glatten Nadeln zu
unsern Füßen liegt. Nun aber haben wir's überwun-
den, das Erdreich wird feuchter, Treppeneinschnitte
und Rasenbänke gönnen uns abwechselnd einen Halt
und eine Rast, und endlich eine dichte Hecke durch-
brechend, die fast schon am Grat des Berges ent-
langläuft, haben wir das Ziel unserer Wanderschaft
erreicht – die Höhe der Müggelsberge.
2419
Diese Müggelsberge repräsentieren ein höchst eigen-
tümliches Stück Natur, abweichend von dem, was
wir sonst wohl in unserem Sand- und Flachlande zu
sehen gewohnt sind. Unsere märkischen Berge
(wenn man uns diese stolze Bezeichnung gestatten
will) sind entweder einfache Kegel oder Plateauab-
hänge. Nicht so die Müggelsberge. Diese machen
den Eindruck eines Gebirgs modells , etwa als hab es die Natur in heiterer Laune versuchen wollen, ob
nicht auch eine Urgebirgsform aus märkischem San-
de herzustellen sei. Alles en miniature, aber doch
nichts vergessen. Ein Stock des Gebirges, ein lang-
gestreckter Grat, Ausläufer, Schluchten, Kulme,
Kuppen, alles ist nach Art einer Reliefkarte vor die
Tore Berlins gelegt, um die flachländische Residenz-
jugend hinausführen und ihr über Gebirgsformatio-
nen einiges ad oculos demonstrieren zu können.
Wir haben den Grat ohngefähr in seiner Mitte er-
reicht, wo er mehr eine muldenartige Vertiefung als
eine Erhöhung zeigt. Die Kuppen befinden sich an
den vorgeschobeneren Punkten, so daß der ganze
Berg einem ausgedehnten alten Schloßbau gleicht,
der hohe Erker und Altane, vor allem aber ein paar
abgestutzte Ecktürme an seinen zwei Giebelseiten
trägt. Diese West- und Ostkuppe der Müggelsberge
gestatten die weiteste Aussicht ins Land hinein. Be-
sonders die Westkuppe. Über den Rücken des Berges
hin schreiten wir dieser letzteren zu.
Der Weg führt durch
Weitere Kostenlose Bücher