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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Dissonanz in dem vollen Brausen des
    Orgelchors, der eben jetzt das große Vertrauenslied
    in die Ratschlüsse Gottes anstimmt: » Ein feste Burg ist unser Gott «.

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    1. In Schloß Köpenick befanden sich damals die
    »Demagogen« in Untersuchungshaft. – Jetzt
    ist es Seminar.

    Die Müggelsberge

    Es rührt kein Blatt sich, alles schläft und träumt,
    Nur jezuweilen knistert's in den Föhren,
    Die Nadel fällt – es ruht der Wald.
    Scherenberg

    Inmitten des quadratmeilengroßen Wald- und Insel-
    dreiecks, das Spree und Dahme kurz vor ihrer Verei-
    nigung bei Schloß Köpenick bilden, steigen die
    »Müggelsberge« beinah unvermittelt aus dem Flach-
    land auf. Sie liegen da wie der Rumpf eines fabelhaf-
    ten Wassertieres, das hier in sumpfiger Tiefe zurück-
    blieb, als sich die großen Fluten der Vorzeit verliefen.
    Die Müggelsberge sind alter historischer Grund und
    Boden und waren schon das »hohe Schloß« dieser
    Lande, lange bevor die Wendenfürsten in die Spree-
    gegenden kamen und lange bevor sich Brennibor an
    der Havel erhob. In vor slawischer Zeit, in Zeiten, die noch keine Burgen kannten, waren sie die naturge-baute, wasserumgürtete Veste, die von germani-

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    schen Häuptlingen jener Epoche bewohnt wurde –
    der Sumpf ihr Schutz, der Wald ihr Haus.
    Karl Blechen, »der Vater unsrer märkischen Land-
    schaftsmalerei«, wie er gelegentlich genannt worden
    ist, hat in einem seiner bedeutendsten Bilder die
    Müggelsberge zu malen versucht. Und sein Versuch
    ist glänzend geglückt. In feinem Sinn für das Charak-
    teristische ging er über das bloß Landschaftliche hinaus und schuf hier, in die Tradition und Sage der
    Müggelsberge zurückgreifend, eine historische Landschaft. Die höchste Kuppe zeigt ein Semnonenlager.
    Schilde und Speere sind zusammengestellt, ein Feuer
    flackert auf, und unter den hohen Fichtenstämmen,
    angeglüht von dem Dunkelrot der Flamme, lagern
    die germanischen Urbewohner des Landes mit einem
    wunderbar gelungenen Mischausdruck von Wildheit
    und Behagen. Wer die Müggelsberge gesehen hat,
    wird hierin ein richtiges und geniales Empfinden uns-
    res Malers bewundern – er gab dieser Landschaft die Staffage, die ihr einzig gebührt. Ein Reifrock und ein
    Abbé in die verschnittenen Gänge eines Rokoko-
    schlosses, eine Prozession in das Portal einer goti-
    schen Kirche, aber ein Semnonenlager in das Wald-
    revier der Müggelsberge!
    Ihnen gilt jetzt unser Besuch.
    Wir kommen von Schloß Köpenick, haben Stadt und
    Vorstadt glücklich passiert und schreiten nunmehr
    dem Gehölze zu, das bis über die Müggelsberge hin-
    aus das ganze Terrain bedeckt. Es ist ein Forst und
    eine Heide wie andere mehr; Moos und Fichtenna-

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    deln haben dem Weg eine elastische Weiche gege-
    ben, und nur die Baumwurzeln, die grotesk überall
    hervorlugen und uns wie böswillige Gnomen ein Bein
    zu stellen suchen, mahnen zur Vorsicht. Eine rechte
    Herbstesfrische weht durch den Wald. Der herbe
    Duft des Eichenlaubs mischt sich mit dem Harzge-
    ruch der Tannen, und anheimelnd klingt es, wenn die
    Eichkätzchen von einem Baum zum andern springen
    und die Zweige mit leisem Knick zerbrechen. Dann
    und wann hören wir, vom Fahrweg her, den eigen-
    tümlichen Klinker- und Klankerton, an dem ein mär-
    kischer Bauernwagen auf hundert Schritt schon er-
    kennbar ist. Die Halskette der beiden magern Brau-
    nen rasselt am Deichselhaken, die Sprossen klappern
    in den Leiterbäumen, die Leiterbäume wieder an den
    vier Wagenrungen, und gegen die Wagenrungen
    schrammt das Rad. Dazwischen das »Hüh!« und
    »Hoh!« des Kutschers und Schwamm-Anpinken und
    Tabaksqualm – und das Begegnungsbild ist fertig,
    das die märkische Heide zu bieten pflegt.
    Schon mehrere solcher Fuhrwerke sind an uns vor-
    übergekommen, und ihre Insassen haben jedesmal
    unsern Gruß erwidert in trägen, unverständlichen
    Lauten, wie einer, der aus dem Schlafe spricht. Jetzt
    aber verlassen wir den Fußweg, der neben der gro-
    ßen Fahrstraße hinlief, und biegen nach rechts hin in
    einen schmaleren Pfad ein, der, leise bergan stei-
    gend, uns immer tiefer in die weiten und unmittelbar
    an den Fuß der Müggelsberge sich anlehnenden
    Waldreviere führt. Bald ist völlige Stille um uns her;
    wir haben in unseren Gedanken von Menschen und
    Menschenantlitz Abschied genommen und fahren

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    drum erschreckt zusammen, als wir plötzlich dreier
    Frauengestalten ansichtig werden, die mit halbem
    Auge von ihrer Arbeit

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