Wanderungen durch die Mark Brandenburg
schickt. Der See gleicht hier einem Haff, und
sooft die Wellen zurückrinnen, blinken die weißen
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Muscheln, die das bewegte Wasser ans Ufer gewor-
fen.
Es freut das Herz, so an der Müggel zu sitzen und,
die leise Musik von Wald und Wasser um sich her,
die Stunden zu verträumen. Die Sonne sinkt, und
das Bild, das beim ersten Anblick, aller eigentümli-
chen Schönheit unerachtet, eine gewisse Monotonie
zeigte, gewinnt mehr und mehr Gewalt über uns und
spinnt uns in den alten Müggelzauber ein. Die Kähne
mit ihrer weißen Kalksteinladung, deren aufgeschich-
tete Blöcke das Kajütendach in ein kleines Kastell
verwandeln, ziehen geräuschlos vorüber, die Dächer
des gegenüberliegenden Rahnsdorf glühen noch
einmal auf, und der See selber wechselt von Minute
zu Minute seine Stimmung und seine Farbe. Aber mit
halbem Auge nur verfolgen wir das Farbenspiel; un-
ser Auge richtet sich immer wieder nach rechts hin,
wo die Müggelsberge steil aufsteigen und ihre wachsenden Schatten bis weit in den See hinein werfen.
Ein dünner Nebel zieht um den Berg, und wenn es
dann und wann aufblitzt, fahren wir zusammen und
blicken nach der Prinzessin aus, der zweiten Prinzessin dieser Gegenden, von der es heißt, sie käm all-
abendlich mit vier goldfarbenen Pferden von den
Müggelsbergen herab, um die Durstigen im See zu
tränken. Sie kommt freilich nicht , und auch der gro-
ße Heuwagen bleibt aus, der, von vier weißen Mäu-
sen gezogen, der Prinzessin entgegenfährt, um ihr
den Weg zu sperren, aber eingewiegt in phantasti-
sches Träumen, könnte jetzt eine ganze Zauberwelt
vor uns ausgeschüttet werden, wir würden ihre
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Wunder ohne Verwunderung entgegennehmen. Die
Müggel und ihre Ufer sind Märchenland.
Noch einmal fährt ein Glutstreifen über den See; nun
aber schwindet die Sonne, beinah plötzlich bricht die
Dämmerung herein, und bleifarben liegt die weite
Wasserfläche da. In seiner Mitte beginnt es wie ein
Kreisen, wie ein Quirlen und Tanzen; sind es Nebel,
die aufsteigen? oder sind es die alten Müggelhexen,
die lebendig werden, sobald das Licht aus der Welt
ist?
Der Fährmann von der Müggelbude hat sich zu mir
gesetzt, und ich dringe jetzt in ihn, mich über den
See zu fahren, aber statt jeder Antwort zeigt er nur
auf eine grauweiße Säule, die mit wachsender Hast
auf uns zukommt. Wie geängstigte Schwäne fahren
die Wellen der Müggel vor ihr her, und während ich
meinen Arm fester um die Fichte lege, bricht vom
See her ein Windstoß in Schlucht und Wald hinein
und jagt mit Geklaff und Gepfeif durch die Kronen
der Bäume hin. Einen Augenblick nur, und die Ruh
ist wieder da – aber die Bäume zittern noch nach,
und auf dem See, der den Anfall erst halb überwun-
den, jagen und haschen sich noch die Wellen.
Die Müggel ist bös. Es ist, als wohnten noch die alten
Heidengötter darin, deren Bilder einst die Hand der
Mönche von den Müggelsbergen herab in den See
warf. Die alten Mächte sind besiegt, aber nicht tot,
und in der Dämmerstunde steigen sie herauf und
denken, ihre Zeit sei wieder da.
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1. Parallel mit diesem Wege, der sich durch die
Heide zieht, läuft die Spree, hinter Bäumen
verborgen. An einigen Stellen des Weges, und
zwar in der Richtung auf den Fluß zu, hat man
den Wald gelichtet und nur gerade noch
Bäume genug am Ufer hin stehen lassen, um
als grüner Schirm für die Spree zu dienen.
Diese stehengebliebenen Bäume sind ziemlich
hoch, aber die Masten der Spreekähne sind
doch noch höher, und so wachsen denn die
Obersegel der vorüberkommenden Schiffe
weit über die grünen Kronen hinaus. Was die-
sen Anblick doppelt schön macht, ist, daß die
Kiefern am jenseitigen Ufer etwas höher
stehn und nun wiederum ihrerseits einen
dunklen Hintergrund für die Segel bilden. Wer
im Zwielicht hier des Weges kommt glaubt
weiße Riesenvögel langsam und geräuschlos
über und an den Wipfeln hinschweben zu
sehn.
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Rahnsdorf
Gestern noch auf stolzen Rossen,
Heute durch die Brust geschossen,
Morgen in das kühle Grab.
Rahnsdorf liegt der Müggelbude gegenüber, ziemlich
nah jener malerischen Stelle, wo die Spree von Os-
ten her in die Müggel eintritt.
Die frühesten Nachrichten über dies Dorf gibt das
Landbuch vom Jahre 1375, nach welchem Rahnsdorf
an Schloß Köpenick einen Schoß oder Zins für die
Fischereigerechtigkeit auf dem See zu zahlen hatte.
So ging es durch Jahrhunderte hin. Erst 1722
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