Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Fülle pikanter Anekdoten und Ondits Veranlas-
sung gab, an denen das preußische Hofleben jener
Zeit so reich war. Zu untersuchen, wieviel Wahrheit
oder überhaupt ob irgendwelche Wahrheit diesen
anekdotischen Überlieferungen zugrunde liegt, liegt
jenseits unserer Aufgabe; wir begnügen uns damit,
das zu konstatieren, worüber Freunde und Feinde
des Grafen, wenn er Feinde hatte, zu jeder Zeit einig
waren: seine Gelehrsamkeit und seine weltmänni-
sche Bildung, seine militärischen Kenntnisse und
seine Tapferkeit. Als der Krieg mit Frankreich mehr
und mehr unvermeidlich zu werden drohte, gehörte
er zu denen, denen Armee und Volk das meiste Ver-
trauen entgegentrugen. Beim Ausbruch der Feindse-
ligkeiten führte er als Generallieutenant seine Divisi-
on nach Thüringen und trat unter den Oberbefehl des
Herzogs von Braunschweig. Beide teilten wenige Ta-
ge später dasselbe Schicksal.
Bei unserem heutigen Besuch in Schloß Köpenick
indes lernen wir den Grafen Schmettau weder als
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Kavalier und Weltmann noch als Soldat und Heerfüh-
rer kennen; sinnig, ein heitrer Philosoph, ein Freund
der Wissenschaften und aller Künste des Friedens, so
tritt er an uns heran. Nur zwei kurze Jahre waren
ihm an dieser Stelle gegönnt, aber sie genügten ihm,
um überall eine Spur seines Wirkens zurückzulassen.
Wir übergehen Urnen und Inschriften, wie sie sich in
den schattigen Gängen des Parkes vorfinden, und
treten im ersten Stock des Schlosses in ein nach
Südosten hin gelegenes Eckzimmer, dessen eines
Fenster auf den Park, das andere auf die Wendische
Spree herniederblickt. Es ist nicht leicht möglich,
beim Durchstöbern alter Schlösser einem überra-
schenderen Anblick zu begegnen. Der ganze Raum
ist zeltartig mit einem weißen und gelben Gazestoff
ausgeschlagen, und zwar so, daß die Deckendrapie-
rung den Plafond in zwei gleiche Hälften teilt. An je-
der der beiden Stellen nun, wo die Gaze zu einer Art
Betthimmel zusammengefaltet ist, befindet sich ein
Deckengemälde allegorischen Inhalts. Auf dem ers-
ten, mehr dem Fenster zu gelegenen, bringt Merkur
der Minerva eine Pergamentrolle, auf der der Name
Roßbach steht; Minerva ihrerseits hält einen Lorbeerkranz in der Rechten, bereit, ihn gegen die Sie-
gesbotschaft auszutauschen. Das zweite Bild, un-
gleich besser in Komposition und Farbe, stellt eine
Apotheose des großen Königs dar. Auf einer Felsen-
burg zur Linken stehen Krieger und blicken einer
Anzahl davoneilender Genien nach, die das goldum-
rahmte Bildnis Friedrichs in ihrer Mitte tragen und
mit dieser ihrer Last dem Tempel des Ruhmes zu-
schweben. Zur Rechten ragt der Tempel selber auf,
auf dessen oberster Stufe die hohe Göttin steht und
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sich anschickt, das Bildnis des Königs mit ihrem
Sternendiadem zu krönen. Von Mobiliar keine Spur in
diesem Raume, der seit Anno 6 überhaupt unbe-
wohnt geblieben ist und dessen Durcheinander von
Spinnweb und Gaze, von Farbenglanz und blinden
Fensterscheiben, von Ruhmesverherrlichung und
Staub eine Wirkung macht, der sich wenige Besucher
werden entziehen können. Alles Mobiliar, so sagt ich,
fehlt, aber ein eigentümlicher Zimmerschmuck ist
dennoch diesen Mull- und Gazewänden geblieben.
Die ganze hintere Hälfte des Zimmers ist mit großen Schlachtplänen dekoriert, die wohl ziemlich unzweifelhaft von der Hand des Grafen selbst herrühren.
Derselbe gesellte nämlich zu seinen übrigen Gaben
auch das Talent eines ausgezeichneten Topographen
und Kartenzeichners, und die berühmte Generalkarte
des preußischen Staats, die bis diesen Augenblick in
dem Kartensaale des Kriegsministeriums aufbewahrt
wird, bewahrt gleichzeitig den Namen Schmettaus in
ehrendem Andenken. Die Aufschrift dieser General-
karte, die auch schlechtweg die Schmettausche Karte heißt, lautet wie folgt: » Tableau aller durch den kö-
niglich preußischen Obersten Grafen von Schmettau
von 1767 bis 1787 aufgenommenen und zusammen-
getragenen Länder«. Dieselbe geschickte Hand, die
dieses berühmte »Tableau« zusammentrug, hat sehr
wahrscheinlich auch die sieben Schlachtpläne ge-
zeichnet, denen wir in diesem abgelegensten und
ungekanntesten Zimmer des Köpenicker Schlosses
begegnen. Nur die Sieges schlachten des großen Kö-
nigs haben hier Aufnahme gefunden, und die In-
schriften der verschiedenen Blätter lauten wie folgt:
»Bataille und Belagerung von Prag«; »Schlacht bei
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Roßbach«; »Bataille bei
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