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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Wunderwerk
    Und seines Herzens Augenmerk:
    Ein Meisterstück , aus nichts gemacht,
    So weit hat's Christi Blut gebracht;
    Hier forscht und betet an ihr Seraphim,
    Bewundert uns und danket ihm.
    Auch in diesen Strophen mag sich ein starkes Anlehnen an einzelne Vorbilder aus dem hallensisch-
    pietistischen Dichterkreise nachweisen lassen, aber
    der Laie wird dadurch wenig gestört werden. Seine
    Laienschaft kommt ihm und dem Dichter zustatten.
    Das Maß unseres Wissens bestimmt auch das unsrer
    Ansprüche. Je lebendiger jemand die großen Origina-
    le , die Kraft- und Kernlieder deutscher Nation, gegenwärtig hat, desto ablehnender wird er sich gegen
    Lieder verhalten, die für sein geübtes Ohr eben nur
    ein Widerklang sind. Wer indessen weniger bewan-
    dert darin ist, wird leichter befriedigt sein. In der
    weltlichen Dichtung sehen wir Ähnliches. Wer den
    Heine nicht kennt, erfreut sich auch an den Nachbil-
    dungen desselben, wer ihn kennt, verhält sich ge-
    gensätzlich gegen alles, was heinisiert.

    2494
    Gewiß – und damit schließen wir – ist Woltersdorf
    nicht den großen Gestalten unter unsren Kirchenlied-
    dichtern zuzuzählen, dazu war er zu wenig eine
    Kraftnatur. Im Gegenteil, etwas Krankhaftes zieht
    sich durch sein Leben und spiegelt sich auch in sei-
    ner dichterischen Hyperproduktion. Aber zweierlei
    muß ihm verbleiben, und während er immer als ein
    Musterbeispiel für den wunderbaren Einfluß »des
    geistigen Fluidums über die träge Masse« dastehen
    wird, wird er andrerseits, wenigstens provinziell und lokal, eine hervorragende Bedeutung auf seinem
    speziellen Gebiete beanspruchen dürfen. Mark Bran-
    denburg hat auf dem Gebiete des Kirchenliedes keinen Besseren aufzuweisen, auch wohl keinen, der
    sich neben ihm behaupten könnte.
    Schloß Friedrichsfelde steht noch, wie es 1719
    und 1735 aufgeführt wurde, das alte Pfarrhaus aber, abgelöst durch einen unmittelbar neben ihm entstandenen Neubau, ist längst hinüber. Ein Garten
    füllt jetzt den Platz, wo das alte stand, und ein Birn-
    baum blüht jeden 31. Mai an derselben Stelle, wo
    Woltersdorf, der Dichter, geboren wurde.

    2495
    Rechts der Spree
    Buch

    Was sonst in Ehren stünde,
    Nun ist es worden Sünde,
    Was fang ich an!
    Th. Storm

    Zwei Meilen nördlich von Berlin liegt das Dorf Buch,
    reich an Landschaftsbildern aller Art, aber noch rei-
    cher an historischen Erinnerungen. Einer unserer
    Lustgartenomnibusse führt den Reiselustigen über
    Pankow und Schönhausen bis an die Grenze von
    Französisch-Buchholz, etwa halber Weg; wir aber, in jenem stolzen Wandergefühl, das sich nach Strapazen sehnt, haben den Omnibus verschmäht und tref-
    fen erst mit der untergehenden Sonne vor Buch ein.
    Gleich der Eintritt ins Dorf ist malerisch. Eine Feld-
    steinbrücke wölbt sich über ein Wässerchen, das
    schäumend einen Bergabhang herniederkommt, die
    Häuser steigen in leiser Schlängellinie bergan, und
    nach links hin, als woll er das Dorf in seinen Arm
    nehmen, zieht sich, waldartig, ein ausgedehnter
    Park. Anders nach rechts hin, wo sich Wiesen und
    Felder dehnen, deren Stille nur von Zeit zu Zeit das

    2496
    Rasseln eines vorüberfahrenden Eisenbahnzuges
    unterbricht.
    Wir haben die Feldsteinbrücke passiert und die Mitte
    des Dorfes erreicht. Hier begegnen wir endlich einem
    seit einer halben Stunde herangesehnten Bilde. Krip-
    pen lehnen sich an die Wand, ein Planwagen steht
    zur Seite, drauf ein Spitz die Wache hält, und von
    über der Tür des Hauses her grüßt uns das Wörtchen
    »Gasthaus«. Einige Stufen führen uns in den Flur
    und der Flur wieder in die Küche, drin ein Dutzend
    Hände geschäftig ist und das überkochende Wasser
    eben in die Herdflamme zischt. Unbestimmte Vor-
    stellungen von einem »Hier ist es gut sein« erfüllen
    unser Herz; aber alle Zimmer im Hause sind bereits
    vergeben (eine Hochzeit ist im Dorf), und so haben
    wir uns schließlich noch zu beglückwünschen, uns
    von der freundlichen Frau Wirtin ein Abendbrot und
    ein Strohlager samt ein paar Decken zugestanden zu
    sehn.
    Und nun beurlauben wir uns, um unsern ersten Gang
    in den Park zu machen.
    Die Zeit des Sonnenuntergangs ist die geeignetste
    dazu – die grauen Schleier des Abends sind es, die
    diesem Parke kleiden. Wo Springquellen hoch in die Luft steigen und des Lichts bedürfen, um in allen
    Farben zu schillern, wo Blumenvierecks in den Rasen
    eingewoben sind oder Statuen in den grünen Nischen
    stehen, da mag es geraten sein, um Morgen-

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