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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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dar-
    an noch eine Zeitlang in Segen, bis sein schwacher
    Körper unter der Last zusammenbrach. Sein Bio-
    graph schreibt: »Man darf sagen, er hatte sich im

Dienst des Herrn verzehrt.«
    Der 17. Dezember 1761 war sein letzter Tag. Die
    Schmerzen nahmen zu, seine Klagen ab. Als seine
    Frau mit einem seiner Kinder weinend am Bette
    stand, sagte er mit Glaubensfreudigkeit: »Wenn du
    keinen anderen Kummer hast als diesen!« Und dann
    lag er still. Abends aber redete er viel, jedoch so lei-se, daß sich nur einzelne Liedesworte verstehen lie-
    ßen. Um die sechste Stunde war er tot. Er war sanft
    eingeschlafen.
    Das Waisenhaus verlor viel, und der Jammer der
    eben zum Konfirmandenunterricht versammelten
    Kinder erfüllte das Pfarrhaus. In allen Häusern der
    Stadt war Wehklagen. Am 22. Dezember hielt ihm
    sein Herzensfreund, David Gottlieb Seidel, die Lei-
    chenpredigt und sprach »von der gegründeten Hoff-
    nung eines Lehrers, der einen lautern Sinn beweiset,
    wenn er auch über Macht beschweret ist «.
    »Über Macht« war Woltersdorf beschweret gewesen;
    nun war er frei. Für seine Witwe und seine sechs
    Kinder sorgte der Herr, indem er Seelen erweckte,
    die sich ihrer Dürftigkeit annahmen. Es wurde seine
    Zuversicht erfüllet, die er oft aussprach, wenn er
    sein letztes Stück Brot mit den Armen teilte .

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    So starb Woltersdorf, erst sechsunddreißig Jahr alt.
    Er hatte ein äußerlich armes, innerlich desto reiche-
    res Leben geführt. Wie in vielem, so war er auch in
    der Anspruchslosigkeit und Stille seines Lebensgan-
    ges, in dem Fehlen alles dessen, was man als ro-
    mantisch-frappant bezeichnen kann, den Herrenhu-
    tern verwandt. Er protestiert zwar gegen diese Ge-
    meinschaft und sagt: »Allen Dingen, die in Leben
    und Lehre dem Worte Gottes zuwider sind, bin ich
    von Herzen feind, weshalb ich den Plan der herrnhu-
    tischen Gemeine, wie er jetzt ist, nimmermehr werde
    billigen können.« Aber trotz dieses Protestes, der
    gewiß aufrichtig gemeint und wohlbegründet ist, ist
    doch unverkennbar, daß seine Dichtung unter Zin-
    zendorfschem Einfluß heranwuchs. Er gebraucht wie
    dieser die stark sinnlichen Reden von Turteltauben
    und Nachtigallen, von dem süßen Blut des Erlösers
    und von der Herrlichkeit seiner Blutrubinen. Er ver-
    teidigt auch diese Ausdrucksweise: »Die Herzen sol-
    len durch die Sinne bewegt werden, und nur das eine
    ist zu fordern, daß kein schwulstiges, unanständiges
    oder gar lächerliches Wesen dabei zutage komme.«
    Im übrigen scheint er sich selber nur eine Durch-
    schnittsbegabung zugeschrieben zu haben. »Ich ha-
    be«, so schreibt er, »nicht eine große Zierlichkeit
    und Pracht, sondern eine fließende und bewegliche
    Deutlichkeit erwählet, damit mich jedermann, auch zur Not ein Kind, verstehen möchte. Das macht zwar
    kein sonderliches Ansehen, ist aber desto nutzbarer .
    Wir sollen unserm Erlöser nicht allein die Gelehrten
    und Großen zuführen, sondern unter den Geringen
    und Einfältigen wuchert sein Evangelium am meis-

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    ten. Allzu hohe Lieder nutzen niemandem oder doch
    nur wenigen.«
    So er selbst. Die Urteile Neurer über den Wert seiner
    Dichtungen weichen erheblich voneinander ab. Koch
    schreibt: »Woltersdorf ist ein lebendiges Zeugnis der
    dichtenden Kraft des heiligen Geistes in der lutheri-
    schen Kirche«, wogegen Hagenbach nicht nur an der
    Weitschweifigkeit seiner Lieder, die wegen ihrer Län-
    ge nie gesungen werden können, Anstoß nimmt,
    sondern auch »Fluß und Guß, mit einem Wort, die
    rechte Rundung und Vollendung in ihnen vermißt«.
    Selbst R. Besser, in seinem »Leben
    E. G. Woltersdorfs«, kann nicht umhin, auf eine ge-
    wisse Unselbständigkeit Woltersdorfs hinzuweisen,
    und sagt in seiner anschaulichen Ausdrucksweise:
    »Er suchte, wie eine Hopfenrebe , stets gern einen tragenden Halt für seine Dichtungen.«
    Wir selbst haben die besten seiner Dichtungen mit Freudigkeit und nicht ohne Erhebung gelesen. Wie
    schön beispielsweise sind folgende Strophen:
    Wer ist der Braut des Lammes gleich?
    Wer ist so arm? und wer so reich?
    Wer ist so häßlich und so schön?
    Wem kann's so wohl und übel gehn?
    Lamm Gottes, du und deine sel'ge Schar
    Sind Mensch' und Engeln wunderbar.
    Verfolgt, verlassen und verflucht,

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    Doch von dem Herrn hervorgesucht;
    Ein Narr vor aller klugen Welt,
    Bei dem die Weisheit Lager hält;
    Verdrängt, verjagt, besiegt und ausgelegt
    Und doch ein Held, der Palmen trägt.
    Das ist der Gottheit

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