Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Berlin, also bis zu seinem zehnten Le-
bensjahre, besuchte danach das Graue Kloster und
ging mit siebzehn Jahren zum Studium der Theologie
nach Halle. »Es war dort eben noch« – so schreibt
Pastor Besser – »das letzte der sieben fetten Jahre.
Man konnte den Samen reiner Lehre noch ziemlich
reichlich einsammeln. Die Hungerzeit des Rationa-
lismus meldete sich eben erst durch ihre vordersten
Posten.« Besonders war es Baumgarten (Kirchenge-
schichte), der das Herz unseres jungen Theologen
mit Liebe und Verehrung füllte; Unterricht, den er in
den unteren Schulen des Franckeschen Waisenhau-
ses erteilte, sicherte ihm den Unterhalt. Sein Chris-
tentum, nach seinem eigenen Bekenntnis, blieb in-
dessen damals ein rein äußerliches. »Ich hatte noch
keinen Geschmack an der Erlösung durchs Blut
2485
Christi;... Gott kam mir aber zu Hilfe und warf mich
in ein sehr tiefes Gefühl meines unergründlichen
Seelenverderbens. Da saß ich an den Wassern zu
Babel und weinete, wenn ich an Zion gedachte.«
1744 im Frühjahr, erst neunzehn Jahr alt, hatte er
seine Studien beendigt. Er trat – durch viele Arbeit
körperlich erschüttert – eine Reise an, suchte christ-
liche Prediger und Gottesmänner auf und zeigte da-
mals eine große Neigung, zu den Herrenhutern über-
zutreten. Dies unterblieb jedoch. 1744 im Spätherbst
wurd er Vikar in Zerrenthin bei Prenzlau, wo er emp-
finden lernte, »wie schwer sich's predigt, wenn nie-
mand hören will«. Zwei Jahre später (1746) kam er
als Hauslehrer des jungen Grafen von Promnitz nach
Drehna in der Niederlausitz, wo er nunmehr mit gro-
ßem Erfolge zu predigen begann. Sein Predigereifer
und die ihm daraus entspringende Kraft waren so
groß, daß er in verhältnismäßig kurzer Zeit die wendische Sprache lernte, um den Spreewaldwenden das Evangelium predigen zu können.
1748 erhielt er einen Ruf nach Bunzlau. Es hieß an-
fänglich: er sei zu jung. Am zwanzigsten Sonntage
nach Trinitatis aber predigte er über den Text: »Der
Herr sprach zu mir: Sage nicht: › Ich bin zu jung ‹, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und
predigen, was ich dir heiße«, mit solcher Gewalt, daß
er die ganze Gemeinde mit sich fortriß. Bald hatte
die Kirche nicht Raum genug für die, die kamen, und
unter freiem Himmel, im Bunzlauer Stadtwald, muß-
te er nunmehr predigen. »Es schien, als ob das Feuer
Christi die ganze Stadt anzünden wollte.« Dabei blieb
2486
er voll körperlicher und geistiger Frische.
1749 verlobte er sich mit Johanna Sabina, Tochter
des Pastors Zietelmann zu Flieth bei Prenzlau; im Mai
trafen sich die jungen Brautleute in Berlin, wo neun
Söhne (darunter bereits drei Pastoren), eine Tochter
und drei Schwiegertöchter des alten Pastors Wol-
tersdorf sich zur Hochzeitsfeier versammelt hatten.
Der Vater segnete das Paar ein, das bald darauf in
die Bunzlauer Pfarrwohnung einzog.
Die junge Frau brachte Glück und empfing es. Aber
die Flitterwochen müssen doch anders gewesen sein,
wie heutzutage Flitterwochen zu sein pflegen. Alles
junge Glück der Liebe schloß eine immer wachsende
geistliche und geistige Tätigkeit so wenig aus, daß im
Jahre 1751 bereits zwei starke Bände »Evangelische
Psalmen« vorlagen, die Zeugnis ablegten von dem
schöpferischen Drang des jungen Geistlichen. Sie
waren, beinah 200 an der Zahl, mit nur wenig Aus-
nahmen ein Produkt der letzten drei Jahre. Über die
Art, wie dieselben entstanden, lassen wir ihn selber
sprechen:
»Was den Ursprung dieser Lieder betrifft, so kann ich
wohl mit Wahrheit sagen: ich habe sie von dem
Herrn empfangen . Sonst würd ich auch in meinem
Gewissen keine Freiheit haben, sie drucken zu las-
sen... Gott hat mir von Natur eine Neigung zur Poe-
sie gegeben. Schon in meiner Kindheit fing ich an,
Verse zu machen. Aber erst als ich des seligen Lehr
und nach einiger Zeit auch des seligen Lau ›Leben
und letzte Stunden‹ in die Hände bekam, ging etwas
in mir vor. Von dieser Zeit an ist der Trieb, dem
2487
Herrn Lieder zu dichten, in mir recht aufgewachet.
Ja, er ist von Zeit zu Zeit immer stärker worden, daß
er sich auch besonders in meinem Amt, in welchem
ihn die vielen überhäuften Geschäfte sonst hätten
ersticken müssen, so vermehret hat, daß ich oft
selbst nicht gewußt, wie es zugegangen. Ich kann
nichts anders sagen, als daß ich's für eine augen-
scheinliche Erhöhung meines Gebets ansehen muß.
Oft hab ich an nichts
Weitere Kostenlose Bücher