Wanderungen durch die Mark Brandenburg
des achtzehnten Jahrhunderts
erinnert.
Ehe wir in die Kirche selbst eintreten, steigen wir
einige Treppenstufen hinab in die Gruft, die sich un-
ter dem Ostflügel der Kirche befindet und in mehr als
einer Beziehung ein Interesse verdient. Diese Gruft
oder doch wenigstens ein Teil derselben ist wahr-
scheinlich ein Überrest der alten Kirche, die hier stand, eine Voraussetzung, die sich darauf stützt,
daß ein Sarg aus dem Jahr 1679 vorhanden ist wäh-
rend die gegenwärtige Kirche nicht vor 1727 been-
digt war.
Die Gruft besteht aus zwei gewölbten Räumen, die
durch eine offene Tür miteinander in Verbindung
stehen. Der hintere Raum ist wahrscheinlich älter
und empfängt so wenig Licht, daß man eine Kerze
anzünden muß, um irgend etwas sehen zu können.
Alles, was mehr in Front liegt, ist hell und geräumig.
Beide Teile haben übrigens das gemeinsam, daß die
darin aufgestellten Toten zu Mumien werden. Die hintere Gruftkammer beherbergt nur einen einzigen
Sarg, in dem vorderen Gewölbe dagegen befinden
sich einundzwanzig Särge, von denen vierzehn zur
Linken und sieben zur Rechten stehen; dazwischen
ein Gang. In den vierzehn Särgen zur Linken sind
Mitglieder der Familie Viereck (darunter der Minister
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und seine beiden Frauen) beigesetzt, die sieben Sär-
ge zur Rechten aber umschließen Mitglieder der Fa-
milie Voß.
Wodurch die Mumifizierung erfolgt, ist noch nicht
aufgeklärt. Vielleicht ist es die Trockenheit und mehr
noch eine beständige leise Bewegung der Luft, was
diese Erscheinung hervorruft. Die mumifizierten Kör-
per sehen weiß aus, sind verhältnismäßig wenig ein-
gedörrt und zeigen noch eine gewisse Elastizität von
Haut und Fleisch. Der hier zuletzt Beigesetzte ist der
Staatsminister Otto Karl Friedrich von Voß. In den
Sargdeckel ist eine Metalltafel eingelegt, die einfach
die Namen und Daten (geboren den 8. Juni 1755
etc.) gibt. Es ist dies derselbe Otto Karl Friedrich von Voß, der zur Zeit der Hardenbergschen Verwaltung,
insonderheit aber in den Jahren, die den Befreiungs-
kriegen folgten, aufs entschiedenste die Prinzipien
und Interessen einer konservativen Politik vertrat.
Unmittelbar nach dem Tode Hardenbergs wurde Voß
Präsident des Staatsrats und des Staatsministeriums.
Er überarbeitete sich, erkältete sich während einer
Feuersbrunst, die gerade damals in Buch ausbrach,
und zog sich einen Rückfall zu, als er nach längerer
Zeit wieder seinen ersten Vortrag beim Könige hielt,
zu dem er nicht anders als in Schuhen und Strümp-
fen hatte gehen wollen . Sein Tod war die Folge davon. Er starb am 30. Januar 1823.
Der schwere eichene Sarg, der sich in dem älteren , lichtlosen Gewölbe befindet, steht gemeinhin offen.
Der danebenliegende Deckel ist mit einer Unmenge
von schwarzen Nägelchen beschlagen, die sich bei
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näherer Untersuchung zugleich als Inschrift des Sar-
ges erweisen. Die Entzifferung ist aber so schwierig,
daß ich nur für annähernde Richtigkeit bürgen kann.
Die Inschrift lautet: »Der hoch-hochwohlgeborne
Herr, Herr Gerhard Bernhard Freiherr von Pöllnitz,
Erbherr auf Reschau in Preußen, auf Buch, Karow
und Birkholz in der Mark, kurfürstlich brandenburgi-
scher Geheimer Kriegsrat, General-Wachtmeister
und Oberstallmeister, Oberster im Dragonerregiment
Mörner, residierte in Berlin, Cölln und Friedrichswer-
der; geboren 1617, gestorben den 2. August 1679.«
Der völlig mumifizierte Körper, der am ehesten ei-
nem mit einer elastischen Ledermasse überzogenen
Skelette gleicht, ist völlig unbekleidet und nur mit
einem graumelierten Domino zugedeckt, an dem
noch Hunderte von aufgenähten Silberschuppen glit-
zern. Der Schädel ist groß und prächtig geformt, das
Gesicht aber klein und auf feine Formen deutend. Die
Stirn zeigt eine Fraktur des Schädelknochens, wie es
heißt, infolge eines Säbelhiebes, den der Freiherr in
einer der Schlachten des Dreißigjährigen Krieges
empfing. Das Nasenbein ist lädiert. Das geschah bei
folgender Gelegenheit. Die Franzosen, kurze Zeit
nach der Jenaer Schlacht, kamen auch nach Buch
und drangen in die Kirche. Voll Übermut schleppten
sie den Mumienkörper des Freiherrn aus der Gruft
nach oben und begannen allerlei frivole Spiele mit
ihm. Bei der Gelegenheit fiel er um und brach das
Nasenbein.4) In der Tat, es ist ein mehr denn fragli-
ches Glück, in dieser Form der Nachwelt erhalten zu werden, und wir begreifen völlig diejenigen
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