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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sollen. – Der König kompromittiert
    sich aufs höchste. Um seiner selbst willen möcht ich,
    er könnt ein Mann sein und sich besinnen. – Wie
    immer setzt der König sich beim Tee neben Julie;
    könnte dies ewige Zusammensein doch abgewendet
    werden. – Mit dem König in der Kirche. Die Predigt
    von Spalding war so schön, so ganz wie für meine
    Nichte gemacht. Aber es scheint, sie will nichts mehr
    hören, was sie zur Pflicht zurückruft. Ich habe keinen
    Einfluß mehr auf sie. Die Kannenberg3) läßt sie ge-
    währen, die ihr am nächsten steht, und ich habe lei-
    der nicht das Recht und die Macht, einzugreifen. –
    Julie scheint sehr traurig; ihr Bruder ist angekom-
    men und hat wohl noch einen letzten Versuch ge-
    macht, ihr ins Gewissen zu reden. – Der König
    scheint nur glücklich zu sein, wenn er sie sieht. Wo
    sie ist, sieht er niemand als sie, spricht nur mit ihr
    und hat nichts anderes mehr im Kopf als seine Lei-
    denschaft. Ich sehe die Sache dem schlimmsten En-

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    de mit Gewalt zugehen, muß dabeistehen und kann
    sie nicht aufhalten. – Auch die Prinzessin Friederike
    scheint jetzt das nahende Unglück zu ahnen und ist
    sehr traurig. Sie ist jetzt zwanzig Jahr alt und steht
    dem Vater am nächsten. Sie fühlt ganz, wie seine
    und unsre Ehre bedroht ist. – Der König klagte mir,
    meine Nichte behandle ihn schlecht; er sei fast mit
    ihr brouilliert; aber dennoch spricht er leider immer-
    fort mit ihr. – Er saß allein mit ihr im Cabinet der
    alten Königin; sie scheint in Wahrheit nicht mehr sehr grausam zu sein; das empört mich, und Gott
    allein weiß, wie unglücklich und trostlos ich über die-
    se Sache bin. – Sack predigte heute schön, aber
    schwermütig. Die Sache mit Julie und die Wendung,
    die sie nimmt, zehrt an ihm. – Heut war Hofkonzert.
    Der König verließ das Konzert, um zur kranken Prin-
    zessin zu gehen, weil meine Nichte dort war. Diese
    Leidenschaft läßt ihn alles andere vergessen und
    jede Rücksicht verlieren. – Das Benehmen des Kö-
    nigs ist unverzeihlich. Immer verfolgt er sie mit den
    Augen und spricht nur mit ihr . Es wäre besser, sie verließe auch jetzt noch den Hof. – Gott weiß, bis zu
    welchem Grade es mich bekümmert und grämt, den
    König auf dem direkten Wege zu einem so großen
    Unrecht zu sehn, zu einem Unrecht, das unsere Fa-
    milie überdem so entehrt. – Heute kam nun endlich,
    was ich lange gefürchtet hatte: meine Nichte warf
    sich in meine Arme, um mir zu sagen, daß ihr
    Schicksal entschieden sei; sie wolle dem König an-
    gehören, aus Pflicht für ihn und aus Liebe zu ihm.
    Ich gesteh, ich finde sie so furchtbar zu beklagen,
    daß ich kein Wort mehr habe, sie zu verdammen; sie
    wird bald genug namenlos unglücklich sein, denn ihr

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    Gewissen wird sie nie mehr Ruh und Frieden finden
    lassen.«
    So zogen sich die Dinge noch eine Weile hin. In den
    Tagebuchblättern immer dieselben Klagen. Eine Zeit-
    lang spielte der König den Gleichgültigen oder war es
    wirklich, und ein Eifersuchtsgefühl, das dadurch in
    des Fräuleins Seele geweckt wurde, beschleunigte
    den Liebesroman. Sie zeigte sich von dieser Zeit an
    weniger ablehnend und drang nur noch auf Erfüllung
    einzelner Bedingungen. Diese Bedingungen waren:
    die regierende Königin gibt ihre schriftliche Einwilli-
    gung zu der Verbindung; zweitens Antrauung zur
    linken Hand, und drittens, die Rietz samt ihren Kin-
    dern verläßt Berlin für immer. In die beiden ersten
    Punkte willigte der König sofort, aber den dritten
    Punkt wollt er nicht zugestehn. Die Rietz blieb. Am
    25. oder 26. Mai 1787 erfolgte die Trauung zur lin-
    ken Hand und wurde wahrscheinlich durch Johann
    Friedrich Zöllner, damals Diakonus an Sankt Marien,
    in der Charlottenburger Schloßkapelle vollzogen.4)

    1787
    » Juni 87. Meine Nichte sagte mir heute unter Trä-
    nen, seit acht Tagen sei sie mit dem Könige heimlich getraut , bat mich aber, es zu verschweigen. Es be-trübt mich tief, und ich kann mich mit dem besten
    Willen eines Gefühls von Abscheu und Widerwillen
    gegen eine Sache nicht erwehren, die so unerlaubt
    ist, man mag an Scheingründen dafür angeben, was

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    man will. Ihr Gewissen wird es ihr schon genugsam
    sagen und wird nicht wieder ruhig werden. – Sie hat
    lange widerstanden, aber sie liebt den König leiden-
    schaftlich, und nachdem sie ihm ihr Herz gegeben
    hatte, ließ sie sich vollends von ihm überreden. Trotz
    ihres schweren Fehltritts bleibt sie dennoch ein edler, der

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