Wanderungen durch die Mark Brandenburg
sollen. – Der König kompromittiert
sich aufs höchste. Um seiner selbst willen möcht ich,
er könnt ein Mann sein und sich besinnen. – Wie
immer setzt der König sich beim Tee neben Julie;
könnte dies ewige Zusammensein doch abgewendet
werden. – Mit dem König in der Kirche. Die Predigt
von Spalding war so schön, so ganz wie für meine
Nichte gemacht. Aber es scheint, sie will nichts mehr
hören, was sie zur Pflicht zurückruft. Ich habe keinen
Einfluß mehr auf sie. Die Kannenberg3) läßt sie ge-
währen, die ihr am nächsten steht, und ich habe lei-
der nicht das Recht und die Macht, einzugreifen. –
Julie scheint sehr traurig; ihr Bruder ist angekom-
men und hat wohl noch einen letzten Versuch ge-
macht, ihr ins Gewissen zu reden. – Der König
scheint nur glücklich zu sein, wenn er sie sieht. Wo
sie ist, sieht er niemand als sie, spricht nur mit ihr
und hat nichts anderes mehr im Kopf als seine Lei-
denschaft. Ich sehe die Sache dem schlimmsten En-
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de mit Gewalt zugehen, muß dabeistehen und kann
sie nicht aufhalten. – Auch die Prinzessin Friederike
scheint jetzt das nahende Unglück zu ahnen und ist
sehr traurig. Sie ist jetzt zwanzig Jahr alt und steht
dem Vater am nächsten. Sie fühlt ganz, wie seine
und unsre Ehre bedroht ist. – Der König klagte mir,
meine Nichte behandle ihn schlecht; er sei fast mit
ihr brouilliert; aber dennoch spricht er leider immer-
fort mit ihr. – Er saß allein mit ihr im Cabinet der
alten Königin; sie scheint in Wahrheit nicht mehr sehr grausam zu sein; das empört mich, und Gott
allein weiß, wie unglücklich und trostlos ich über die-
se Sache bin. – Sack predigte heute schön, aber
schwermütig. Die Sache mit Julie und die Wendung,
die sie nimmt, zehrt an ihm. – Heut war Hofkonzert.
Der König verließ das Konzert, um zur kranken Prin-
zessin zu gehen, weil meine Nichte dort war. Diese
Leidenschaft läßt ihn alles andere vergessen und
jede Rücksicht verlieren. – Das Benehmen des Kö-
nigs ist unverzeihlich. Immer verfolgt er sie mit den
Augen und spricht nur mit ihr . Es wäre besser, sie verließe auch jetzt noch den Hof. – Gott weiß, bis zu
welchem Grade es mich bekümmert und grämt, den
König auf dem direkten Wege zu einem so großen
Unrecht zu sehn, zu einem Unrecht, das unsere Fa-
milie überdem so entehrt. – Heute kam nun endlich,
was ich lange gefürchtet hatte: meine Nichte warf
sich in meine Arme, um mir zu sagen, daß ihr
Schicksal entschieden sei; sie wolle dem König an-
gehören, aus Pflicht für ihn und aus Liebe zu ihm.
Ich gesteh, ich finde sie so furchtbar zu beklagen,
daß ich kein Wort mehr habe, sie zu verdammen; sie
wird bald genug namenlos unglücklich sein, denn ihr
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Gewissen wird sie nie mehr Ruh und Frieden finden
lassen.«
So zogen sich die Dinge noch eine Weile hin. In den
Tagebuchblättern immer dieselben Klagen. Eine Zeit-
lang spielte der König den Gleichgültigen oder war es
wirklich, und ein Eifersuchtsgefühl, das dadurch in
des Fräuleins Seele geweckt wurde, beschleunigte
den Liebesroman. Sie zeigte sich von dieser Zeit an
weniger ablehnend und drang nur noch auf Erfüllung
einzelner Bedingungen. Diese Bedingungen waren:
die regierende Königin gibt ihre schriftliche Einwilli-
gung zu der Verbindung; zweitens Antrauung zur
linken Hand, und drittens, die Rietz samt ihren Kin-
dern verläßt Berlin für immer. In die beiden ersten
Punkte willigte der König sofort, aber den dritten
Punkt wollt er nicht zugestehn. Die Rietz blieb. Am
25. oder 26. Mai 1787 erfolgte die Trauung zur lin-
ken Hand und wurde wahrscheinlich durch Johann
Friedrich Zöllner, damals Diakonus an Sankt Marien,
in der Charlottenburger Schloßkapelle vollzogen.4)
1787
» Juni 87. Meine Nichte sagte mir heute unter Trä-
nen, seit acht Tagen sei sie mit dem Könige heimlich getraut , bat mich aber, es zu verschweigen. Es be-trübt mich tief, und ich kann mich mit dem besten
Willen eines Gefühls von Abscheu und Widerwillen
gegen eine Sache nicht erwehren, die so unerlaubt
ist, man mag an Scheingründen dafür angeben, was
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man will. Ihr Gewissen wird es ihr schon genugsam
sagen und wird nicht wieder ruhig werden. – Sie hat
lange widerstanden, aber sie liebt den König leiden-
schaftlich, und nachdem sie ihm ihr Herz gegeben
hatte, ließ sie sich vollends von ihm überreden. Trotz
ihres schweren Fehltritts bleibt sie dennoch ein edler, der
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