Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Achtung nicht unwerter Charakter, und ich weiß
wohl, sie ist zu rechtschaffen, als daß sie nach einem
solchen Fall jemals wieder glücklich sein könnte.
August 87. Der König ist nach Schlesien abgereist, und Julie sagt mir, sie wolle morgen nach Berlin, um
zu kommunizieren, dann zu ihren Verwandten auf
das Land gehen, von dort aus aber um ihre Entlas-
sung bitten und nicht wiederkommen. Sie könne es
nicht länger aushalten, auf diese Art weiterzuleben.
Ebendasselbe hat sie dem Könige geschrieben. –
Julie reiste heut ab, was mich sehr ergriff. – Sie
schreibt, daß sie sich eine Stiftsstelle kaufen wolle,
und bittet um vierzehn Tage Nachurlaub. Die alte
Königin weiß nicht, was sie davon denken soll. Trotz
allem Vorgefallenen ahnt sie nichts. – Ich sah heute
Julie in Berlin; sie hatte Antwort vom König, der sehr
zufrieden damit ist, daß sie den Hof verlassen will.
Aber das Ganze bleibt doch schrecklich traurig, und
das arme Kind jammert mich sehr. – Ich fürchte, die
Encke (Rietz-Lichtenau) wird Julie noch viel Kummer
bereiten. Julie ist heute mit ihren Verwandten aufs
Land abgereist. Am Hof ahnt man nicht, daß sie nicht
wiederkommt.
September 87. Ein heut eingetroffner Brief meiner armen Nichte an die Königinwitwe bittet um ihren
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Abschied und sagt: »sie habe eine Stelle im Stift
Wolmirstedt gekauft«. Die Königin gewährte die Ent-
lassung sogleich und nahm es sehr gut auf. Julie hat
auch an die Kannenberg geschrieben. Gräfin Kan-
nenberg las mir den Brief meiner Nichte vor, in wel-
chem sie zu verstehen gibt, warum sie geht. Die Kannenberg ist ihre Tante und jammert nun sehr.
Aber ich wiederhole nur das eine: man hätte sie ret-
ten können , wenn man es zur rechten Zeit gewollt hätte. All mein Reden damals war aber umsonst. –
Meine Nichte schreibt mir aus Brandenburg: sie gehe
den 9. nach Potsdam und bäte Gott, ihr beizustehn
in dem neuen Leben, das sie erwarte. Gott wolle sich
ihrer annehmen; es ist ein schwerer Schritt, den sie
jetzt tun muß, die Sache vor der Welt zu bravieren.
November 87. Julie hat den Namen einer Gräfin Ingenheim bekommen.«
Sie war nun Gräfin Ingenheim. Aber es war dadurch
wenig für sie gewonnen, trotzdem man sie, dem Kö-
nige zuliebe, mit Auszeichnungen überschüttete. Bit-
terkeiten gingen nebenher. »Die Anne schreibt mir:
sie fühle sich sehr unglücklich. Die Encke tut ihr tau-
send Herzleid an und hat denselben Einfluß wie frü-
her auf den König.«
» Dezember 87. Julie ist unwohl und kann das Bett nicht verlassen, die Prinzessin Friederike und die
Prinzessin von Braunschweig haben mit dem König in
ihrem Zimmer an ihrem Bett gegessen. Das ist doch
stark!«
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1788
» Januar 88. Ball beim König, wo der Kronprinz Julie zum ersten Mal als Gräfin Ingenheim sah, was für
beide ein sehr unangenehmer Augenblick war. Die
Unglückliche, welche peinliche Stellung für sie. – Alle Höfe (es gab deren, außer dem eigentlichen, wenigstens noch vier: den der alten Königin, der regieren-
den Königin, des Prinzen Heinrich, des Prinzen Ferdi-
nand) sehen sie. Sie ist überall. Ich begreife das
nicht.
Februar 88. Die alte Königin hatte großes Diner und frug den König, ob sie die Ingenheim einladen solle.
Natürlich sagte er ja, und so kam sie zum Diner. Ich
find es höchst unrecht von der Königin, sie einzula-
den, bloß um dem Könige damit zu schmeicheln.
Abends aber spielte sie doch nicht Lotto mit den
Herrschaften, sondern mit dem Hofstaat im vorderen
Zimmer. Bei Tafel wurde sie dem König gegenüber-
gesetzt. – Die alte Königin lud wieder die Ingenheim ein. Ich finde, sie benimmt sich in dieser Sache so
unwürdig und schwach wie nur möglich.«
In den letzten Tagen des Jahres (am 21. Dezember
88) heißt es: »Die Ingenheim bat mich sehr, ihr in
der nun nahen Stunde beizustehn. Auch der König
bat mich den folgenden Tag darum, und ich brachte
es nicht übers Herz, nein zu sagen.«
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1789
Am 2. Januar 1789 genas die Ingenheim eines Soh-
nes. Der König war sehr erfreut. Unterm 4. Januar
heißt es im Tagebuch: »Das Kind wurde heute ge-
tauft. Der König hielt es selbst über die Taufe, und
es empfing die Namen Gustav Adolf Wilhelm. Juliens
Bruder (der spätere Minister), der Minister von Bi-
schofswerder und ich waren die Paten. Der König
selbst war fast den ganzen Tag bei der Kranken. Es
ist wahr, er ist wirklich der beste Prinz, den man auf
der ganzen
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