Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Fürst »der Große Kurfürst« zu wer-
den begann. Der kluge Günstling, der so vieles sah,
sah diesen Wechsel nicht, wollt ihn nicht sehen, und an diesem Irrtum oder Eigensinn ging er zugrunde.
Seine Gegner hatten leichtes Spiel. Die Wüstheit sei-
nes Lebens kam ihnen zu Hülfe, und die Verbannung
vom Hofe ward ausgesprochen. Er ging nach Blum-
berg. Aber der Haß seiner Feinde schwieg auch jetzt
noch nicht. Man bangte vor seiner Rückkehr, und
hundert geschäftige Zungen erinnerten immer wie-
der daran, »daß der eben gestürzte Günstling acht-
zehn Maß Wein tagtäglich bei Tafel getrunken habe,
zugleich auch ein gewaltiger Courmacher und Sere-
nadenbringer gewesen sei«. Man wußte wohl, was
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man tat, daß man gerad an diese Dinge beständig erinnerte; Kurfürstin Henriette Luise war eine fromme Frau, der alles Lasterleben ein Greuel war, und
nachdem Unzucht und Völlerei so lang ihr wüstes
Haupt auf den Tisch gelegt hatten, wurd eben da-
mals die Sitte wieder erstes Gebot. Konrad von
Burgsdorf starb bald, nachdem er in Ungnade gefal-
len war. Es heißt, daß er sinn- und trostlos geendet
habe; sein ehlich Gemahl aber, deren Bild jetzt eben
von der Pfeilerwand auf uns niederblickt, überlebte
den Sturz ihres Mannes um fast volle dreißig Jahre.
Blumberg, der Ort ihrer Kindheit, wo vordem ihr Va-
ter und dann ihr Gatte vor der schneidend kalten
Hofluft Zuflucht gesucht hatten, blieb ihr lieb, weil
die Geschichte ihres Lebens mit ihm verwachsen und
die Stille seiner Felder ihr mehr und mehr ein Be-
dürfnis geworden war. Aber freilich, der Frieden des
Gemüts, nach dem sie rang, blieb ihr versagt, wie er
ihr schon in ihrer Jugend versagt gewesen war. Neue
Kränkungen gesellten sich zu alter Bitterkeit, Krän-
kungen, die dadurch nicht geringer wurden, daß sie
unbeabsichtigt waren. Den Kummer ihres Alters
schuf ihr ihre eigene Tochter. Diese schien ganz ihres
Vaters Kind zu sein, der, wie wir eben zitiert haben,
»ein gewaltiger Courmacher und Serenadenbringer«
gewesen war. Dreimal verheiratete sich diese Toch-
ter. Ihr erster Mann, ein Freiherr von Canitz, starb –
das war ein Unglück; von ihrem zweiten Gemahl,
einem General von der Goltz, ließ sie sich scheiden –
das war erträglich; daß sie sich aber zum dritten
Male nicht bloß verheiratete, sondern diesen dritten
Mann, den sie nie gesehen, von Paris her sich schi-
cken ließ , das war mehr, als die Oberkammerherrin 2545
von Burgsdorf, die funfzig Jahre lang erst als die
Tochter und dann als die Gattin des vornehmsten
Mannes in Kurmark Brandenburg gelebt hatte, ruhig
ertragen konnte. Diese Heirat zehrte an ihrem Her-
zen und vergällte ihr das letzte Jahrzehnt ihres Le-
bens.
Die Ehe selbst aber, die zu dieser Verbitterung Anlaß
gab, bildet einen zu charakteristischen Zug für die
Sittengeschichte jener Zeit, als daß ich es mir versa-
gen könnte, den Hergang ausführlicher zu erzählen.
Frau von der Goltz (geborene von Burgsdorf, verwit-
wete von Canitz) war kaum von ihrem zweiten Man-
ne, dem General von der Goltz, getrennt, als sie den
Vorsatz faßte, sich zum dritten Male zu vermählen,
und zwar, coûte que coûte, mit einem Franzosen. Bei
ihrer Schwärmerei für alles Französische kam es ihr auf eine Wahl im besonderen nicht an. Sie schrieb
deshalb ihrem Pariser Kommissionär, der sich bis
dahin durch seinen feinen und guten Geschmack in
der Übersendung von Coiffüren und Modeartikeln
bewährt hatte, ihr einen Mann zum Heiraten zu schi-
cken, der rüstig, fein und geistvoll und selbstver-
ständlich auch von Adel sei. Der Auftrag wurde
prompt ausgeführt. Nach etwa vier Wochen traf in
Berlin ein Franzose von über fünfzig Jahren ein und
meldete sich bei Frau von der Goltz als derjenige,
den sie gewünscht habe. Sein Name war Peter von
Larrey, Baron von Brunsbosc, aus einer alten Familie
in der Normandie. Die Ehe kam wirklich zustande
und war glücklich . Frau von Burgsdorf indes konnte die Kränkung, die ihr dieser abenteuerliche Vorgang
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bereitet hatte, nicht verwinden. Die Partie mit dem
normannischen Baron, der vielleicht keiner war,
zehrte an ihrem Leben, und sie starb, nachdem sie
längst vorher, mit Umgehung ihrer Tochter, den
Sohn dieser Tochter aus erster Ehe, den Freiherrn von Canitz, zum Erben all ihrer Güter, das schöne
Blumberg mit eingeschlossen, eingesetzt hatte.
1. Dieser Geheime Rat« bestand aus acht Mit-
gliedern, darunter drei
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