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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Fürst »der Große Kurfürst« zu wer-
    den begann. Der kluge Günstling, der so vieles sah,
    sah diesen Wechsel nicht, wollt ihn nicht sehen, und an diesem Irrtum oder Eigensinn ging er zugrunde.
    Seine Gegner hatten leichtes Spiel. Die Wüstheit sei-
    nes Lebens kam ihnen zu Hülfe, und die Verbannung
    vom Hofe ward ausgesprochen. Er ging nach Blum-
    berg. Aber der Haß seiner Feinde schwieg auch jetzt
    noch nicht. Man bangte vor seiner Rückkehr, und
    hundert geschäftige Zungen erinnerten immer wie-
    der daran, »daß der eben gestürzte Günstling acht-
    zehn Maß Wein tagtäglich bei Tafel getrunken habe,
    zugleich auch ein gewaltiger Courmacher und Sere-
    nadenbringer gewesen sei«. Man wußte wohl, was

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    man tat, daß man gerad an diese Dinge beständig erinnerte; Kurfürstin Henriette Luise war eine fromme Frau, der alles Lasterleben ein Greuel war, und
    nachdem Unzucht und Völlerei so lang ihr wüstes
    Haupt auf den Tisch gelegt hatten, wurd eben da-
    mals die Sitte wieder erstes Gebot. Konrad von
    Burgsdorf starb bald, nachdem er in Ungnade gefal-
    len war. Es heißt, daß er sinn- und trostlos geendet
    habe; sein ehlich Gemahl aber, deren Bild jetzt eben
    von der Pfeilerwand auf uns niederblickt, überlebte
    den Sturz ihres Mannes um fast volle dreißig Jahre.
    Blumberg, der Ort ihrer Kindheit, wo vordem ihr Va-
    ter und dann ihr Gatte vor der schneidend kalten
    Hofluft Zuflucht gesucht hatten, blieb ihr lieb, weil
    die Geschichte ihres Lebens mit ihm verwachsen und
    die Stille seiner Felder ihr mehr und mehr ein Be-
    dürfnis geworden war. Aber freilich, der Frieden des
    Gemüts, nach dem sie rang, blieb ihr versagt, wie er
    ihr schon in ihrer Jugend versagt gewesen war. Neue
    Kränkungen gesellten sich zu alter Bitterkeit, Krän-
    kungen, die dadurch nicht geringer wurden, daß sie
    unbeabsichtigt waren. Den Kummer ihres Alters
    schuf ihr ihre eigene Tochter. Diese schien ganz ihres
    Vaters Kind zu sein, der, wie wir eben zitiert haben,
    »ein gewaltiger Courmacher und Serenadenbringer«
    gewesen war. Dreimal verheiratete sich diese Toch-
    ter. Ihr erster Mann, ein Freiherr von Canitz, starb –
    das war ein Unglück; von ihrem zweiten Gemahl,
    einem General von der Goltz, ließ sie sich scheiden –
    das war erträglich; daß sie sich aber zum dritten
    Male nicht bloß verheiratete, sondern diesen dritten
    Mann, den sie nie gesehen, von Paris her sich schi-
    cken ließ , das war mehr, als die Oberkammerherrin 2545
    von Burgsdorf, die funfzig Jahre lang erst als die
    Tochter und dann als die Gattin des vornehmsten
    Mannes in Kurmark Brandenburg gelebt hatte, ruhig
    ertragen konnte. Diese Heirat zehrte an ihrem Her-
    zen und vergällte ihr das letzte Jahrzehnt ihres Le-
    bens.
    Die Ehe selbst aber, die zu dieser Verbitterung Anlaß
    gab, bildet einen zu charakteristischen Zug für die
    Sittengeschichte jener Zeit, als daß ich es mir versa-
    gen könnte, den Hergang ausführlicher zu erzählen.
    Frau von der Goltz (geborene von Burgsdorf, verwit-
    wete von Canitz) war kaum von ihrem zweiten Man-
    ne, dem General von der Goltz, getrennt, als sie den
    Vorsatz faßte, sich zum dritten Male zu vermählen,
    und zwar, coûte que coûte, mit einem Franzosen. Bei
    ihrer Schwärmerei für alles Französische kam es ihr auf eine Wahl im besonderen nicht an. Sie schrieb
    deshalb ihrem Pariser Kommissionär, der sich bis
    dahin durch seinen feinen und guten Geschmack in
    der Übersendung von Coiffüren und Modeartikeln
    bewährt hatte, ihr einen Mann zum Heiraten zu schi-
    cken, der rüstig, fein und geistvoll und selbstver-
    ständlich auch von Adel sei. Der Auftrag wurde
    prompt ausgeführt. Nach etwa vier Wochen traf in
    Berlin ein Franzose von über fünfzig Jahren ein und
    meldete sich bei Frau von der Goltz als derjenige,
    den sie gewünscht habe. Sein Name war Peter von
    Larrey, Baron von Brunsbosc, aus einer alten Familie
    in der Normandie. Die Ehe kam wirklich zustande
    und war glücklich . Frau von Burgsdorf indes konnte die Kränkung, die ihr dieser abenteuerliche Vorgang

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    bereitet hatte, nicht verwinden. Die Partie mit dem
    normannischen Baron, der vielleicht keiner war,
    zehrte an ihrem Leben, und sie starb, nachdem sie
    längst vorher, mit Umgehung ihrer Tochter, den
    Sohn dieser Tochter aus erster Ehe, den Freiherrn von Canitz, zum Erben all ihrer Güter, das schöne
    Blumberg mit eingeschlossen, eingesetzt hatte.

    1. Dieser Geheime Rat« bestand aus acht Mit-
    gliedern, darunter drei

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