Wanderungen durch die Mark Brandenburg
er noch einmal auf den Schauplatz
berufen, um der schwachen und haltlosen Politik
George Wilhelms Halt und Richtung zu geben, aber
wo keine Kraft der Ausführung war, da wogen der
Rat des Weisen und das Wort des Toren gleich
schwer, und nach kurzem Verweilen am kurfürstli-
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chen Hofe zog er sich zum zweiten Mal in die Stille
seines Landguts zurück. Nur als Beobachter folgte er
noch den Begebenheiten, und die letzten Jahre sei-
nes Lebens, im übrigen verbittert durch so manche
Erfahrung, brachten ihm wenigstens das eine noch,
daß es ihm vergönnt war, den Stern seines Schwie-
gersohns, Konrads von Burgsdorf, glänzend aufge-
hen zu sehn.
Frau von Burgsdorf . Die Bildnisse des alten Kanzlers und seines Ehegemahls blicken, dem Anbau und der
Kanzel abgewandt, in das alte Kirchenschiff hinein;
an der Innenseite der beiden Pfeiler aber, so daß sie
sich einander ins Auge blickten, hingen bis vor kur-
zem zwei andre interessante Bildnisse: das der alten
Frau von Burgsdorf, einer Tochter Johanns von Lö-
ben, und das ihres Enkels, des Poeten Canitz. Dieses
tête-à-tête zwischen Großmutter und Enkel ist neu-
erdings gestört worden; die Kirchenvorstände haben
das Bildnis des Poeten, ich weiß nicht aus welchem
Grunde, für eine kaum nennenswerte Summe ver-
kauft. Es ist dies um so beklagenswerter, als die Kir-
che jedes andere Bild eher entbehrt haben könnte
als dieses eine. Denn nicht nur die Glanzzeit Blum-
bergs fällt in die Tage, wo Canitz hier heitre Gast-
freundschaft übte, nein, das Dasein des Dorfs über-
haupt würde kaum jemals über seine nächste Umge-
bung hinaus bekannt geworden sein, wenn ihm nicht
die Alexandriner des märkischen Poeten (Canitz) zu
einem Plätzchen in der Literaturgeschichte und zu
einem ähnlich guten Klange wie Wandsbek oder Goh-
lis oder Altengleichen verholfen hätten.
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Das Bildnis der alten Frau von Burgsdorf, dem wir
uns jetzt zuwenden, ist wohlerhalten und trägt fol-
gende Inschrift: »Die verwitwete Frau Oberkammer-
herrin von Burgsdorf, geborne von Löben, bekommt
nach Absterben ihrer Frau Mutter alle Güter, so ihr
Herr Vater, der Herr Kanzler von Löben, in Besitz
gehabt; stehet solchen mit besondrem Ruhm und
Leutseligkeit vor; aus Liebe für die blumbergschen
und eichischen Untertanen legiert sie in ihrem Tes-
tament den Armen von beiden Gütern ein Kapital von
500 Talern. Sie setzet annoch bei ihrem Leben den
klugen Staatsminister Freiherrn von Canitz, als ihren
einzigen Enkel, zum Erben ihrer Güter ein. Erlanget
von dem Höchsten die Verheißung langen Lebens
und bringet solches auf siebenundsiebzig Jahr.«
Der lebensvolle Kopf, der aus dem schlichten Holz-
rahmen heraus uns anblickt, ist aber nicht der Kopf
einer siebenundsiebzigjährigen Greisin, sondern der
Kopf einer Frau in den besten Jahren, deren Embon-
point sie siegreich schützte gegen die verräterische
Furchenschrift einer beginnenden Funfzigerin und
deren lang herabhängende dunkle Locken noch den
Vorsatz der Trägerin aussprechen, nicht alt sein zu
wollen .
Ihr Kostüm erinnert vielfach an unsre heutige Mode.
Das Kleid ist weit ausgeschnitten, aber ein reiches
Kantenhemd umschließt den Nacken bis hoch herauf,
und allerhand Borten und Schnüre ziehen sich dezent
über den gestickten Brustlatz hin. Die Ärmel sind
kurz und weit und überdecken kaum zur Hälfte den
reichen Unterärmel von Brüsseler Spitzen. Der Ge-
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sichtsausdruck entspricht dem einer selbstbewußten,
herrschgewohnten Frau, deren natürliche Gutmütig-
keit sich gegen die Regungen des Stolzes ebensosehr
wie gegen die harten Schläge des Schicksals behaup-
tet hat. An diesen war kein Mangel gewesen. Wenn
das Leben ihres Vaters Gegensätze geboten hatte, so
bot das ihre deren mehr. Sie hatte Tage seltenen
Glückes gesehen, aber auch Tage tiefen Falls. Ihr
Ehgemahl, eine genialische Natur, halb Held, halb
Libertin, hatte sich nicht begnügt, wie ihr Vater, der
Kanzler, als erster Diener neben dem Thron seines Fürsten zu stehn, er war, eine Zeitlang wenigstens,
seines Herren Herr gewesen, und daß er es unausgesetzt hatte bleiben wollen, das hatte ihn gestürzt.
Was Kurfürst Friedrich Wilhelm ertragen konnte, als
er, fast ein Knabe noch, ins Land kam, in ein Land,
das ihm der schlaue Mut Konrad von Burgsdorfs erst
schrittweis erschließen mußte, das mußte notwendig
zur Verstimmung und endlich zum Bruche führen, als
der jugendliche
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